Glaswelt – Was genau verbirgt sich hinter dem neuen Swisspacer Air?
Martin Rigaud – Swisspacer Air ist eine innovative Lösung, um Spannungen im Isolierglas zu minimieren. Sie entstehen durch Luftdruckunterschiede – wie z. B. bei Höhendifferenzen während des Transportes in den Bergen oder bei saisonalen Luftdruckänderungen. Mit dem neuen Bauteil kann Glasbruch bei kritischen Isolierglasaufbauten vermieden und zugleich eine industrielle Fertigung ermöglicht werden. Das waren bisher grundlegende Probleme in unserer Branche. Mit Swisspacer Air wird zudem die Fertigung von Isoliergläsern möglich, ohne dass der Luftdruck am Einbauort des Fensters ein Risiko darstellt.
Glaswelt – Wie ist das System aufgebaut? Handelt es sich dabei um ein geschlossenes oder um ein offenes System, d. h. findet ein direkter Luftaustausch statt oder nicht?
Rigaud – Bei Swisspacer Air handelt es sich um eine Metallhülse mit integrierter Membran. Dieses kleine Bauteil wird an den Abstandhalter geschraubt und ist in dem sekundären Dichtstoff integriert. Über die Membran kann ein direkter Luftaustausch stattfinden. Das System ist offen und das Luftvolumen, welches ausgetauscht wird, ist abhängig von dem Druckunterschied.
Glaswelt – Lassen sich durch das Bauteil dann Ausbauchungen und Ähnliches aufgrund von Klimalasten komplett vermeiden?
Rigaud – Die Durchbiegung der Glasscheiben bei langfristigen und saisonalen Luftdruckunterschieden, beispielsweise bei Wechsel von Sommer zu Winter oder bei Höhenunterschieden zwischen dem Standort der Isolierglasproduktion und dem Einbauort des Fensters, wird deutlich reduziert. Aber Ausbauchungen bei kurzfristen Druckschwankungen – etwa durch Temperaturänderungen im Tagesverlauf – bleiben trotzdem sichtbar. Es ist eben ein „Schweizer System“ und ein solches reagiert ja bekanntlich immer etwas langsamer – in diesem Fall aber im Sinne der Lebensdauer, denn so wird das Innere des Isolierglases auch vor zu viel Feuchtigkeit geschützt. Die Reaktionsgeschwindigkeit des Systems ist so konzipiert, dass das Risiko des Glasbruches auf ein Minimum reduziert wird und gleichzeitig der Nachteil eines offenen Systems, nämlich die eindringende Feuchte, nahezu aufgehoben wird.
Glaswelt – Für welche Füllgase und welche Gas-Füllgrade ist das System geeignet?
Rigaud – Die Antwort liefert bereits der Name „Swisspacer Air“: Dieses Bauteil wurde für luftgefüllte Isoliergläser entwickelt. Die Membran ist für den Austausch von Luftmolekülen ausgelegt. Argon- und Krypton Moleküle sind kleiner und könnten daher ungehindert entweichen. Allerdings können bei luftgefüllten 3-fach-Isoliergläsern mit Swisspacer Air Ug-Werte von 0,6 W/(m²K) erreicht werden. Denn durch den Druckausgleich sind größere Scheibenzwischenräume möglich, die das fehlende Argon Gas im Hinblick auf die Dämmwirkung nahezu ausgleichen.
Glaswelt – Welche Abstandhalterbreiten lassen sich dann umsetzen?
Rigaud – Da das Bauteil recht klein ist, empfehlen wir den Einbau bereits ab einer Abstandhalterbreite von 10 mm. Es kann ebenso für sehr große Abstandhalterbreiten und entsprechend große Scheibenzwischenräume eingesetzt werden. Je nach enthaltenem Luftvolumen und dem Einsatzort des Isolierglases können mehrere Swisspacer Air verwendet werden und so den Luftaustausch steuern.
Glaswelt – Ist das Bauteil auch für großformatige Isoliergläser geeignet, welche Volumen kann es bewältigen?
Rigaud – Selbstverständlich. Isolierglasscheiben in großen Abmessungen reagieren auf Luftdruckdifferenzen eher mit einer Durchbiegung des Glases, statt einen hohen oder tiefen Innendruck aufzubauen. Ein kleiner Unterschied im Luftdruck führt bereits zu einer langsamen Reaktion des Swisspacer Air: In diesem Fall kann sich der Austausch über mehrere Wochen hinziehen. Dann hat sich das System nivelliert und die zuvor schädigende Wirkung des Druckunterschiedes auf das Isolierglas ist aufgehoben.
Glaswelt – Sind Isoliergläser mit Swisspacer Air nach der Isolierglas Produktnorm EN1279 in Bezug auf Gasdichtheit und Wasserdampfdichtheit geprüft? Und liegt dafür jeweils auch eine entsprechende Zulassung vor?
Rigaud – Mit dem Einbau von Swisspacer Air ist das Isolierglas kein hermetisch geschlossenes System mehr. Damit wird es ein ungeregeltes Bauprodukt, genauso wie bei der Verwendung von Kapillarröhrchen und die haben sich in der Praxis ja als funktionsfähig und nützlich erwiesen. Unser Ziel ist selbstverständlich die baurechtliche Zulassung des Swisspacer Air und der Nachweis, dass trotz Luftaustausch die Funktion des Trockenmittels über einen langen Zeitraum erhalten bleibt und eine angemessene Lebensdauer des Isolierglases erreicht wird.
Glaswelt – An welcher Stelle in der ISO-Line wird das Bauteil appliziert und welche Arbeitsschritte sind dazu notwendig?
Rigaud – Der Swisspacer Air wird nach der Isolierglasproduktion in Isoliergläser mit idealerweise bereits ausgehärtetem Sekundärdichtstoff eingebaut. Zunächst wird der Dichtstoff ausgestochen und die Außenseite des Abstandhalters durchbohrt. Auf die Unterseite des Swisspacer Air wird Butyl zur Abdichtung aufgetragen. Dann wird er in das Loch des Abstandhalters eingeschraubt. Und zum Schluss wird der kleine Spalt um den Swisspacer Air herum mit Dichtstoff versiegelt und geglättet. Der ganze Einbau nimmt weniger als drei Minuten in Anspruch.
Glaswelt – In welche Werkzeuge muss der Verarbeiter investieren, wenn er die neue Technik einsetzen will?
Rigaud – Für die Montage werden nur wenige kleine Werkzeuge gebraucht wie Ausstecher, Bohrer, Imbusschlüssel und ein kleiner Spachtel. Ein Großteil davon wird von Swisspacer als Beilage in der Produktverpackung zur Verfügung gestellt.
Glaswelt – Ab wann steht der Swisspacer Air für den Isolierglasmarkt zur Verfügung
Rigaud – Wir bereiten gegenwärtig die baurechtliche Zulassung vor. Sobald die letzten Detailfragen geklärt sind, wird der Swisspacer Air für unsere Kunden bereit stehen. Mit Blick auf die glasstec möchte ich interessierte Isolierglas-Verarbeiter einladen uns in Halle 11, Stand G41 zu besuchen, wo unser Team detailliert Auskunft über das neue System geben wird.—
Die Fragen stellte Matthias Rehberger.