Glaswelt – Herr Dr. Henseler, wie waren Lösungen, die für ein druckentspanntes Mehrscheibenisolierglas sorgen bislang geregelt? Und was hat sich nun geändert?
Dr. Martin Henseler – In der Zulassung ist der Fall einer offenen Mehrscheibenverglasung bislang nicht abgedeckt – weder EU-weit durch die CE-Kennzeichnung noch national durch die Ü-Kennzeichnung. Laut EN1279 müssen Isoliergläser geschlossene Systeme sein. Die Verwendung eines CE-Kennzeichens mit einem offenen System, wie beim Swisspacer Air (www.swisspacer.com), war nicht möglich. Um diesen Status zu ändern, haben wir eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) beim DIBt beantragt und jetzt erhalten. In die abZ ist eine allgemeine Bauartgenehmigung (aBG) integriert, da auch Aspekte des Zusammenfügens, der Planung, Bemessung und Ausführung geregelt werden.
Glaswelt – Was bedeutet die baurechtliche Zulassung von Swisspacer Air für Isolierglashersteller sowie für Fenster- und Fassadenbauer?
Henseler – Mit der Zulassung durch das DIBt ist das Isolierglas mit eingebautem Swisspacer Air für den deutschen Markt nun geregelt. Damit ist es unseren Kunden möglich, das Übereinstimmungszeichen, besser bekannt als Ü-Zeichen, zu verwenden. Mit dem Ü-Zeichen weist der Hersteller nach, dass das Produkt in Deutschland allen Anforderungen der Landesbauordnung entspricht. Außerdem weist er nach, dass er seine Produktion einer kontinuierlichen Überwachung unterzieht – und bestätigt damit auch eine einwandfreie Verarbeitung der Isoliergläser. Dadurch haben Hersteller die Möglichkeit, ein geregeltes und qualitativ gesichertes Bauprodukt anzubieten, was ihren Kunden wiederum Sicherheit in der Anwendung von Air gewährleistet.
Glaswelt – In welchen Ländern wird die DIBt-Zulassung anerkannt und was machen Verarbeiter aus anderen Ländern?
Henseler – Die DIBt-Zulassung gilt offiziell nur in Deutschland. Außerhalb Deutschlands ist das DIBt aber durchaus bekannt und eine Orientierung an dem Ü-Kennzeichen für ansonsten ungeregelte Bauprodukte gängig.
Das liegt vor allem daran, dass die Landesbauordnung in Deutschland oftmals höhere Anforderungen an Bauprodukte stellt, als die in den EN-Normen festgelegten europäischen Mindestanforderungen.
Glaswelt – Wird es eine CE-Kennzeichnung von Isoliergläsern mit Swisspacer Air geben?
Henseler – Die Entwicklung können wir aktuell schwer einschätzen. Aber immer dann, wenn keine europäische Norm existiert, kann zum Beispiel in Deutschland das Ü-Zeichen die CE-Kennzeichnung ersetzen.
Glaswelt – Wie weiß ein Verarbeiter, ob Swisspacer Air für seinen Glasaufbau geeignet ist? Welche Grenzen gibt es?
Henseler – Um unseren Kunden verlässliche Angaben liefern zu können, haben wir auf Basis von Simulationen, die wiederum auf analytischen Betrachtungen beim ift Rosenheim samt Alterungstests und Feldversuchen beruhen, eine sogenannte „Grüne Liste“ erstellt. Diese definiert die Grenzen für die Dimensionen der Isolierglas-Einheit, innerhalb derer der Einsatz unserer Lösung empfehlenswert ist.
Glaswelt – Wie steht es mit der Lebenserwartung des druckentspannten Isolierglases?
Henseler – Innerhalb der Vorgaben der „Grünen Liste“ ist eine Lebensdauer von über 15 Jahre zu erwarten. Für eine Vielzahl von Standard-ISO-Aufbauten ist eine Lebensdauer von mehr als 25 Jahren realistisch.
Für breitere Scheibenzwischenräume (SZR) und für größere Gläser ist die Lebensdauer tendenziell höher als für kleine ISO-Einheiten mit schmalem SZR. Eine 4-Seiten-Füllung mit Trockenmittel ist in jedem Fall anzuraten, da beim offenen System immer eine gewisse Feuchtigkeitsaufnahme vorhanden ist, die durch das Trockenmittel aufgefangen werden muss. —
Das Interview führte Matthias Rehberger.