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Erhöhte sommerliche Klimalasten an 3-fach-Isolierglas (Teil 01)

Was nicht in der DIN 18008 steht

_ Während in der DIN 18008 einige Randbedingungen für die Bemessung von 3-fach-Isolierglas vom 2-fach-ISO aus den früheren Technischen Richtlinien für linienförmig gelagerte Verglasungen (TRLV) übernommen werden können, ist z. B. bei der sommerlichen Erwärmung mit ganz anderen Werten zu rechnen.

Zur Erinnerung: Die Klimalast, auch Isolierglas-Effekt genannt, ist eine Belastung der Scheiben infolge der Veränderung der klimatischen Umgebungsbedingungen. Bei der Produktion von Mehrscheiben-Isolierglas (MIG) wird jeder Scheibenzwischenraum (SZR) hermetisch versiegelt und der zu diesem Zeitpunkt vorhandene Gaszustand (in Bezug auf Volumen, Druck und Temperatur) gespeichert. Verändert sich nun die Gastemperatur oder der Luftdruck, entsteht eine Druckdifferenz zwischen dem SZR und der Umgebung. Physikalisch bedingt sucht der SZR den Druckausgleich über das Volumen. Das macht sich optisch mit Ein- oder Ausbauchen der Isolierglas-Scheiben bemerkbar. Die aus den Verformungen hervorgerufenen Biegespannungen sind somit die Auswirkungen der Klimalast.

Dieser Effekt ist seit Längerem bekannt und wurde in verschiedenen Forschungen und Publikationen behandelt und für die Praxis handhabbar gemacht [1] [2] [3].

Die Größe der klimatischen Belastung wird dabei durch den isochoren Druck charakterisiert: Dieser beziffert die Druckdifferenz zwischen dem SZR und der Umgebung, der auftritt, wenn die Scheiben keine Verformung zulassen.

Systemerweiterung auf 3-fach-ISO

Die Berechnung des isochoren Drucks beinhaltet drei Teile; die Veränderung des äußeren Luftdruckes infolge Höhenveränderung, die meteorologische Luftdruckveränderung und die Temperaturdifferenz des Gases im SZR.

Die Randbedingungen aus den TRLV und der DIN 18008 ergeben einen Sommer- bzw. Winterfall mit einem isochoren Druck von ±16 kN/m2. Dies wurde seit 1998 nicht angepasst. Die Füllgaswerte lassen sich in der Planung/Produktion optimieren, indem sie auf die Höhenwerte des Einbauorts abgestimmt werden. Die meteorologische Luftdruckveränderung ist jedoch nicht beeinflussbar. Zu berücksichtigen bleibt noch die Temperaturdifferenz, auf deren Einfluss im Folgenden genauer eingegangen wird.

Die Veränderungen, die ein zusätzlicher SZR und eine zusätzliche Scheibe mit sich bringen, wurden in der Vergangenheit nur oberflächlich betrachtet. Die höheren Auswirkungen der Klimalast bei 3-fach-ISO werden die oftmals damit begründet, dass sich „die Scheibenzwischenräume addieren und wie ein sehr großer Zwischenraum wirken“ [4]. Doch Vorsicht: Diese Vereinfachung ist nur bei kompletter Symmetrie von Aufbau und Klimalast zulässig. Die wahre Ursache der höheren Belastung von 3-fach-ISO liegt aber woanders.

Darum wird 3-fach-ISO höher belastet

Wie in Bild 01 deutlich wird, kann der SZR bei 2-fach-Isolierglas über zwei Scheiben das Volumen ausgleichen. Bei 3-fach-ISO teilen sich beide SZR die Mittelscheibe, die bei ideal-symmetrischer Klimalast unbelastet und unverformt bleibt. Daraus folgend, müssen die Außenscheiben das doppelte Volumen ausgleichen und werden dadurch auch stärker belastet. Bei dieser Betrachtung wird die Mittelscheibe nicht weggedacht und somit im Folgenden auch nicht vergessen.

Betrachtet man die sommerliche Klimalast nach TRLV / DIN 18008, so ist eine Temperaturdifferenz von +20 K zu berücksichtigen. Diese Erwärmung gegenüber der Produktion im Winter (19 °C) ergibt sich aus der Absorption der Sonnenenergie und der Energieabgabe an die Umgebungsluft für 2-fach-ISO. Aufgrund fehlender Angaben werden auch für 3-fach-ISO diese +20 K in beiden SZR angesetzt, was mit der Betrachtung eines „sehr großen Zwischenraumes“ übereinstimmt.

In der Realität nimmt jedoch die Mittelscheibe des 3-fach-ISO ebenso Sonnenenergie auf wie die Außenscheiben. Wie Bild 02 schematisch zeigt, hat dies einen wesentlichen Einfluss auf den Energiehaushalt der 3-fach-Einheit. Die Mittelscheibe wird von zwei SZR eingeschlossen, die einen deutlich schlechteren Wärmeleitwert als die äußeren Oberflächen besitzen. Dies behindert die Energieabgabe der Mittelscheibe. Gemäß dem Energieerhaltungsgesetz hat die Mittelscheibe aber gleich viel Energie abzugeben, wie sie aufnimmt.

Nach dem Fourierschen Wärmeleitungsgesetz muss bei einer geringeren Wärmeleitfähigkeit eine höhere Temperaturdifferenz vorliegen. In der Folge erwärmt sich die Mittelscheibe, was auch die angrenzenden Gase in den SZR zusätzlich erwärmt.

Das System 3-fach-Isolierglas besitzt also nicht nur eine höhere Klimalast-Belastung infolge des größeren Gasvolumens beider SZR, sondern auch durch eine erhöhte thermische Belastung. Diese wird durch die Absorption der zusätzlichen Mittelscheibe verursacht.

Berechnungsgrundlagen für den Modellaufbau

Um die Schicht- und Gastemperaturen zu bestimmen, sind Kenntnisse der bauphysikalischen Grundlagen und konstruktiven Randbedingungen unabdingbar. So kann die sommerliche Systemtemperatur bei 2-fach-ISO, gemäß TRLV / DIN 18008 mit vergleichsweise einfachen Handrechnungen berechnet werden. Mit zunehmender Schichtzahl und Asymmetrien im Scheibenaufbau wird die Berechnung jedoch zunehmend komplexer, sodass sie nicht mehr von Hand zu bewältigen ist.

Für die Studien, die als Basis für diesen Beitrag dienen, wurde ein eigenes iteratives Berechnungsmodell verwendet. Basierend auf einem numerischen Netzwerkverfahren, konnten die Berechnungen in Excel umgesetzt und die Parameterstudien mittels VBA gesteuert werden.

Dabei werden auch die einschlägigen Normen (EN 410, EN 673, EN 13363, ISO 6946) berücksichtigt. Dieses Modell erlaubt es, die Temperaturverläufe von MIG unter verschiedensten konstruktiven Einbaubedingungen zu berechnen.

Ergebnisse für 3-fach-Isolierglas

Die tiefste Temperaturveränderungen der TRLV / DIN 18008 sind für eine Gesamtabsorption von bis zu 30 % angegeben, was in etwa einem 2-fach-ISO mit 2 x 10 mm Floatglas entspricht. Weiter sind einige Randbedingungen dieser Berechnungen infrage zu stellen.

Zum einen ist die berücksichtige Strahlungsintensität mit 800 W/m2 unter 45° Einstrahlwinkel, mit daraus resultierenden 567 W/m2, ein eher geringer Wert. Zum anderen werden heutzutage nach EN 673 und ISO 6946 höhere Oberflächen-Wärmeübergangskoeffizienten verwendet (25 W/(m2K) bzw. 7,7 W/(m2K) anstatt 8,33 W/(m2K)).

Der Einfluss der unterschiedlichen Oberflächen-Wärmeübergangskoeffizienten ist in Bild 03 deutlich erkennbar. Aufgrund der größeren Wärmeströme über die Oberflächen sinkt die SZR-Temperatur bereits um 4 K.

Betrachtet man einen üblichen MIG-Aufbau aus 4 mm Floatglas und 14 mm SZR gemäß Bild 04, ist der erwähnte Einfluss der Mittelscheibe bei der Aufheizung, trotz 27 % Gesamtabsorption, deutlich zu erkennen.

Zwar bleibt das 2-fach-Isolierglas trotz fast doppelt so hoher Strahlung dank dünnerer Scheiben (18 % Gesamtabsorption) auf dem gleichen Temperaturniveau, dem gegenüber erwärmt sich das 3-fach-ISO wesentlich stärker.

Dass die Aufheizung am 3-fach-Isolierglas primär von der Mittelscheibe verursacht wird, zeigt sich in Bild 05. Zum Vergleich ist die Temperatur bei einem 3-fach-ISO mit dickeren Außenscheiben (8 mm) kaum höher, während sich bei einer dickeren Mittelscheibe (8 mm) nochmals ein deutlicher Temperatursprung einstellt.

Bedeutung für die Isolierglasbemessung

Durch die Einführung der DIN 18008 wurde die Anzahl zu prüfender Lastfälle umfangreicher. Besonders die Nachweise bei maßgebender Klimalast und mittlerer Einwirkungsdauer sind nun schwerer zu führen. Mit den aus der Studie hervorgehenden Temperaturen erhält die Klimalast erneut eine größere Bedeutung in der Bemessung von 3-fach-Isolierglas. Für das Beispiel aus Bild 04 bedeutet dies einen Anstieg des isochoren Drucks von rund 6 kN/m2 auf 22 kN/m2.

Da die Bemessung von MIG zunehmend umfangreicher und anspruchsvoller wird, sind die Nachweise ohne das notwendige Fachwissen nicht zuverlässig zu führen. Daher sind auch die Empfehlungen für kurze Kanten [5] mit Vorsicht zu genießen und ersetzen nicht die fachmännische Betrachtung und statischen Nachweise.

In Teil 02 werden in der nächsten GLASWELT die konstruktiven Einflüsse und daraus resultierenden asymmetrische Klimalasten bei 3-fach-ISO behandelt.—

Literatur

[1] Feldmeier, F.: Entwicklung eines vereinfachten Verfahrens zur Berücksichtigung der Klimabelastung bei der Bemessung von Isolierglas bei Überkopfverglasung. Frauenhofer IRB Verlag. Stuttgart, 1995

[2] Feldmeier, F.: Klimabelastung und Lastverteilung bei Mehrscheibenisolierglas. Stahlbau 75 (2006) Heft 6, Seite 467–478

[3] Feldmeier, F.: Klimabelastung von Dreifach-Isolierglas. Glas+Rahmen 07/2009, Seite 32-34

[4] Böttcher Wolfgang, Die Randbedingungen von 3-fach-ISO im Überblick, GLASWELT Sonderheft „3-fach-ISO und mehr“, Seite 16-17

[5] Feldmeier, F.: Kleine Dreifach-Isoliergläser. Fassade 4/2009, Seite 5-7

DIE AUTOREN

Thomas Wüest (M. Sc.) und Prof. Dr. Andreas Luible, Kompetenzzentrum für Fassaden- und Metallbau der Hochschule Luzern T&A in Horw (Schweiz).

thomas.wueest@hslu.ch

www.hslu.ch/technik-architektur

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