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die Rechtslage bei Abstandhaltern

Besser beraten mit Warmer Kante

_ Was steckt genau hinter dem Begriff „Stand der Technik“? Er bezeichnet das, was theoretisch zwar technisch machbar, aber nicht notwendigerweise allgemein anerkannt ist. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den „Allgemein anerkannten Regeln der Technik“ um einen Standard, der in der Fachpraxis erprobt und bewährt ist und von der Mehrheit der Fachleute für richtig erachtet wird (1).

Die Fachanwältin Karin Quest erklärt dazu: „Die Anforderungen an eine Bauweise nach dem Stand der Technik sind also höher, weil sie den erreichten und technisch umsetzbaren Kenntnisstand ausschöpfen sollen, auch wenn die praktischen Erfahrungen mit dieser Bauweise noch ausstehen.“

Quest führt weiter aus: „Sowohl nach BGB als auch nach VOB/B schuldet der Werkunternehmer ein Werk, das entweder einer vereinbarten Beschaffenheit entspricht oder, sofern keine Vereinbarungen zur Beschaffenheit getroffen sind, den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Gleiches gilt für den Verkäufer gemäß § 433 BGB, auch wenn die Terminologie etwas anders ist.“

Zur Einordnung des Isolierglas-Randverbunds findet sich in der Stellungnahme sinngemäß der Hinweis, dass ab dem Zeitpunkt, wenn sich die Warme Kante in der vorherrschenden Ansicht der technischen Fachleute als richtig durchgesetzt hat, ohne weiteren Hinweis nur noch diese Ausführung als mangelfrei zu werten ist. (1)

Anerkannte Regel der Technik vs. Stand der Technik

Den Stand der Technik hat die Warme Kante längstens erreicht, schließlich sind die ersten Systeme bereits vor fast 20 Jahren im deutschen Markt erschienen. Aber ab wann ist sie eine allgemein anerkannte Regel der Technik?

Dafür muss zunächst geklärt werden, wie sich die bei den Fachleuten vorherrschende Ansicht und die praktisch erprobten und bewährten technischen Regeln überhaupt bestimmen lassen. Dr. Mark Seibel, Richter am OLG Hamm, nennt in einem aktuellen Fachartikel als Konkretisierungsmöglichkeit u. a. technische Regelwerke, warnt aber vor einer „DIN-Gläubigkeit“, denn „Normen können die allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben, jedoch auch hinter diesen zurückbleiben“.

Der Autor zitiert eine Entscheidung des BVerG vom 30.9.1996: „ … DIN-Vorschriften und sonstige technische Regelwerke (…) haben aber nicht schon kraft ihrer Existenz die Qualität von anerkannten Regeln der Technik und begründen auch keinen Ausschließlichkeitsanspruch. Als Ausdruck der fachlichen Mehrheitsmeinung sind sie nur dann zu werten, wenn sie sich mit der Praxis überwiegend angewandter Vollzugsweise decken. Das wird häufig, muss aber nicht immer der Fall sein.“ (2)

In technischen Regelwerken und Merkblättern hat der wärmetechnisch verbesserte Randverbund, kurz: die Warme Kante, bereits breiten Einzug gefunden. Beispielhaft sollen genannt werden:

  • Die relevanten Normen für die U-Wert-Ermittlung bei Fenstern (DIN EN ISO 10077 für Uw) und Fassaden (DIN EN ISO 12631 für Ucw) enthalten Tabellenwerte mit Psi-Werten sowohl für konventionelle auch für wärmetechnisch verbesserte Abstandhalter.
  • Zum Thema Warme Kante existieren zwei ift-Richtlinien (WA 08/2 und WA 17/1) und ein BF-Kompass Warme Kante für Fenster (BF-Merkblatt 004).
  • Der BF-Leitfaden zur Verwendung von 3-fach-Wärmedämmglas (BF-Merkblatt 003) nennt als eine der Maßnahmen zur Verbesserung der wärmetechnischen Eigenschaften einer Fensterkonstruktion den Einsatz von Wärmedämmglas mit wärmetechnisch verbessertem Randverbund.
  • Der BF-Ratgeber 002/2010 „Warum beschlagen meine Scheiben?“ verweist darauf, dass der Wärmebrückeneffekt des Aluminium-Abstandhalters, der zu einer höheren Kondensationsneigung am Scheibenrand führt, durch Einsatz von ‚Warm-Edge-Randverbund‘ verringert werden kann.
  • Das neue VFF-Merkblatt ES.01 „Energetische Kennwerte von Fenstern, Türen und Fassaden“ enthält nur noch Tabellenwerte für Uw-Werte mit wärmetechnisch verbessertem Randverbund.

Für die Beurteilung, ob die allgemein anerkannten Regeln der Technik zutreffen, empfiehlt Dr. Seibel außerdem, „… im Wege einer empirischen Feststellung die Mehrheitsauffassung unter den technischen Praktikern zu ermitteln.“ (2) Es bietet sich an, dazu die Entwicklung des Marktanteils der Warmen Kante in Deutschland zu betrachten.

Eine stichprobenartige Umfrage der Autorin dieses Beitrags vom Januar 2014 ergab, dass der Marktanteil der Warmen Kante im vergangenen Kalenderjahr in Deutschland im Mittel bereits auf über 60 % angestiegen ist.

Wie viel Prozent im Fall der Warmen Kante als Beleg für eine Mehrheitsauffassung dienen, ist nirgendwo geregelt. Im Zweifelsfall wird dies durch ein Gericht geklärt werden müssen. Egal, an welcher Stelle man die Grenze zieht, der wärmetechnisch verbesserte Randverbund ist auf seinem Weg zur allgemein anerkannten Regel der Technik ziemlich weit fortgeschritten.

Konsequenzen für die Beratungspflicht

Als problematisch wird in der anwaltlichen Stellungnahme für den BF erachtet, dass die Mangelfreiheit zum Zeitpunkt der Abnahme geschuldet wird. Aufgrund des ständigen Wandels von technischen Erkenntnissen und Richtigkeitsüberzeugungen könne eine Ausführung, die bei Angebotsabgabe noch anerkannte Regel war, zum Abnahmezeitpunkt zeitlich bereits überholt und damit mangelhaft sein. Dem könne man nur dadurch entgehen, dass man entweder „bereits von vornherein die bessere Variante vereinbart oder zumindest ausdrücklich auf deren Existenz und ihre Vorzüge hinweist. Wenn der Besteller nach einem solchen Hinweis dennoch eine Ausführung mit Aluminium-Randverbund vereinbart, geht diese Vereinbarung den anerkannten Regeln der Technik vor, sodass im Zeitpunkt der Abnahme wiederum ein mangelfreies Werk vorliegt.“ (1)

Die Anwältin geht davon aus, dass sich in Sachen Warmer Kante im Augenblick die anerkannten Regeln der Technik fortbilden und gibt deshalb den Rat, „… einen solchen ausdrücklichen Hinweis in den Vertrag bzw. in das Angebot aufzunehmen. Diese Hinweispflicht ist dann reduziert, wenn der Auftraggeber durch einen Architekten o. ä. sachverständig beraten ist.“ (1)

Wird ausdrücklich Aluminium-Randverbund ausgeschrieben, solle allerdings erst nach Vertragsschluss und vor Einbau „ein entsprechender Hinweis nach § 4 Abs. 3 VOB/B erteilt werden (wenn sich der Auftraggeber dann für die Warme Kante entscheidet, darf eine höhere Vergütung verlangt werden).“ (1)

Fazit

Bautechniken werden durch neue Materialien und Verarbeitungsmethoden ständig angepasst und verändert. Das gilt auch für den Randverbund von Isolierglas. Bislang ist es noch branchenüblich, eine Warme Kante nur bei expliziter Kundenforderung einzubauen. Ohne konkrete Vorgabe des Randverbunds werden (meistens ungefragt) Alu-Abstandhalter geliefert.

Sobald die Warme Kante zur allgemein anerkannten Regel der Technik geworden ist, wird der Aluminium-Abstandhalter zum Sonderprodukt, das nur noch bei expliziter Anforderung und Vereinbarung eingebaut werden darf.

Da sich nicht zweifelsfrei feststellen lässt, ob bzw. wann dieser Zustand erreicht ist, ist jeder Isolierglashersteller, aber auch Fenster- und Fassadenbauer auf der sicheren Seite, wenn er seine Kunden über die Warme Kante vorbeugend berät. Will er sich diesen Aufwand sparen, hilft nur der ausschließliche Einsatz von Warmer Kante. —

Quellen: (1) e-transparent BF Newsletter Dezember 2013, Anwaltliche Stellungnahme zur Beratungspflicht: Ist die Warme Kante „Stand der Technik“?

(2) Seibel, NJW 41/2013, Abgrenzung der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ vom „Stand der Technik“

(3) VFF/BF Studie „Mehr Energie sparen mit neuen Fenstern“

Die Autorin

Ingrid Quel, Beratungsbüro für Warme Kante und Glas, Herrenberg, berät die Branche unabhängig und produktneutral zu allen Themen rund um Isolierglas.

https://www.warmekanteberater.de/

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