Glaswelt – BVRS und sein Industriebeirat mahnten in ihrer jüngsten Pressemeldung zur Einigkeit? Alle an einen Tisch lautet dabei eine der Forderungen. Für Sie beide nachvollziehbar?
Markus Müllers – Nein, für uns leider überhaupt nicht. Wir halten hier mal zugute, dass wir bei den von der Industrie getätigten Aussagen eine einseitige Informationssituation voraussetzen, denn mit uns selbst hat keiner über die Austrittsbeschlüsse gesprochen. Im jetzigen Moment müssen wir die Pressemeldung als ein Instrument verstehen, mit dem Druck auf die Innungen ausgeübt werden soll, um sich wieder in die Reihen einzuordnen.
Andre Urban – Ich gehe da sogar noch einen Schritt weiter und sehe das sehr kritisch. Hier wird versucht, über unsere Vorlieferanten Einfluss auf demokratische Prozesse in unseren Innungen zu nehmen. Aber nur hier haben die Fakten offen auf dem Tisch gelegen und auch der BVRS hatte die Gelegenheit sich zu äußern. Schade, dass die Industrie nicht vorher den Dialog zu uns gesucht hat, um sich ein neutrales Bild zu machen. Unser Bestreben für Transparenz zu sorgen und alle Delegierten per Mail über unsere Entscheidung zu informieren, wurde uns vom BVRS mit dem Hinweis auf den Datenschutz verwehrt.
Glaswelt – Können Sie die Gründe für den Forderungskatalog etwas näher beschreiben?
Müllers – Es gibt klare Anforderungen an die Qualität und personelle Besetzung des technischen Kompetenzzentrums (TKZ). Das jetzige Personal wird als ungeeignet betrachtet und muss komplett ersetzt werden. Ein technischer Referent, der erstmal die Meisterprüfung machen muss und keine praktischen handwerklichen Erfahrungen vorweisen kann, ist da der falsche Weg. Wir stellen deshalb die Anforderung, diese Stelle mit einer Person auf Sachverständigenniveau o. Ä. zu besetzen.
Urban – Die zweite Mitarbeiterin des TKZ ist nach drei Jahren nicht in der Lage, komplexe technische Anfragen zu beantworten. Das wiederholte Kopieren von Texten aus dem Internet oder irreführende bzw. falsche Antworten sind für unsere Mitglieder die Hilfe suchen nicht akzeptabel. Ein weiterer Punkt ist die Kommunikation des BVRS. Hier muss eine offene Form gefunden werden, bei der Allen alle Infos zur Verfügung stehen, um entsprechende Entscheidungen zu treffen.
Glaswelt – Forderungen sind das eine, was sind die Innungen bereit zu tun?
Müllers – Zurzeit ist es aufgrund der Vorkommnisse sehr schwer, ein Engagement unserer Mitglieder beim BVRS zu erreichen. Das direkte Anschreiben des Präsidiums und die gezielten Telefonaktionen des Hauptgeschäftsführers an unsere Mitglieder haben da ihr Übriges getan. Wir hatten mit den Kölnern abgestimmt, einen personellen Vorschlag für die qualifizierte Besetzung des technischen Ausschusses zu unterstützen. Leider wurde der Vorschlag abgelehnt. Wir werden vorläufig also erstmal abwarten was passiert.
Urban – Ich persönlich werde mich sehr intensiv in den Ausschuss Kommunikation einbringen, den technischen Ausschuss konnten wir leider nicht unterstützen. Wir wollen dem Verband helfen in Sachen Kommunikation auf den aktuellen Stand zu kommen. Aussagen des HGF wie z. B. „Facebook geht bei technischen Fragen gar nicht“, sind vollkommen realitätsfremd und bestehende Expertenforen beweisen eindrucksvoll das Gegenteil. Auch in Sachen Elektrofachkraft, Rollladen- und Sonnenschutztag etc. bzw. der Agenturarbeit gibt es Handlungsbedarf.
Glaswelt – Was wird passieren, wenn der BVRS nicht ausreichend reagiert?
Müllers – Das ist relativ einfach, bewegt sich der BVRS nicht, ist er auf Dauer nicht zukunftsfähig. Es gibt dann keinen Grund im Verband zu bleiben, da die Grundversorung unserer Mitglieder mit Informationen dann nicht gewährleistet ist. Für diesen Fall werden wir zusammen mit anderen Innungen funktionierende Lösungen finden.
Urban – Die Kölner haben in den letzen 12 Jahren bewiesen, dass wir bei Marketing und Technik vollkommen autark und sehr erfolgreich handeln können. Vorrangig geht es uns um regionale Stärke, um den regionalen Markt. Da sind wir mit guten Umsätzen ein zuverlässiger Partner der Industrie. Wir können uns also selbst versorgen und mit anderen Innungen kooperieren. Der Gesamtmarkt wird auch in Zukunft eine Stimme haben, allerdings mehr über ES-SO in Europa und den IVRSA in Deutschland. Man muss doch nur die aktuellen Entwicklungen betrachten.—
Das Interview führte in einer Telefonkonferenz GLASWELT Redakteur Olaf Vögele