GLASWELT – Herr Pils, wie wichtig ist Industrie 4.0 und die Vernetzung für Glasverarbeiter und ISO-Hersteller?
Hannes Pils – Die Diskussion über Industrie 4.0 ist sehr hilfreich, um ein Umdenken auszulösen. Wir alle, in der Flachglas-Branche sind noch mehr gefordert, den langfristigen Nutzen und gemeinsame Vorteile zu erkennen, diese als Strategie zu verankern und konsequent umzusetzen.
GLASWELT – Manche Verarbeiter denken 4.0 ist Zukunftsmusik und wollen abwarten, ob das überhaupt kommt. Wie sehen Sie das Herr Müller?
Stefan Müller – Es stellt sich heute schon nicht mehr die Frage „Ob?“ oder „Wann?“ Industrie 4.0 kommt, denn wir sind schon mitten im Umbruch. Es stellt sich heute nur die Frage, „wann kommt es komplett?“
GLASWELT – Wann ging es denn damit los?
Müller – Der Anfang des Übergangs zu 4.0 markierten Online-Bestellungen via openTrans, einem offenen Standard zur Unterstützung des elektronischen Datenaustauschs bei Geschäftstransaktionen. Bei dieser Kommunikation werden zwischen den Geschäftspartnern „elektronische Dokumente“ ausgetauscht. Heute reicht das aber nicht mehr aus.
GLASWELT – Warum, und was ist zu tun?
Müller – Heute und künftig werden nicht mehr nur „Einzelinformationen“ ausgetauscht, das reicht nicht mehr. Ein „On Demand Zugriff“ auf externe Datenbestände ist möglich und wird immer nötiger, da die zu verarbeitbaren Datenmengen enorm wachsen. Es gilt die ERP-Systeme von Fensterbauern und ISO-Produzenten sowie anderen Zulieferern live zu verknüpfen.
GLASWELT – Was bedeutet das im Detail?
Müller – Der Fensterbauer erhält damit automatisiert alle nötigen Daten, z. B. zu Isoliergläsern, Haustürfüllungen oder Rollläden, sobald er einen Fensterauftrag eingibt bzw. die Konstruktion. Nur durch diese Direktvernetzung ist die Daten- und Informationslogistik bei wachsender Variantenvielfalt der Bauteile und immer kürzeren Bearbeitungszyklen zu bewältigen.
GLASWELT – Wie geht Lisec mit 4.0 um?
Pils – Wir arbeiten schon immer an der kontinuierlichen Verbesserung der gesamten Abläufe, vom Kunden, über den Lieferanten bis hin zu den Produktionslinien und einzelnen Maschinen. In Bezug auf Auftrags- bzw. Fertigungsstatus sowie den Materialfluss muss heute ein umfassender Informationsfluss für alle Beteiligten gegeben sein. D. h., dass die relevanten Infos für den jeweiligen Mitarbeiter beim Glasverarbeiter, Fenster-Kunden und Lieferanten immer zeitnah verfügbar sind, um deren Arbeiten zu unterstützen. Und das geht nur über eine mahtlose Verknüpfung der ERP-Systeme.
GLASWELT – Glauben Sie, dass Glasverarbeiter mit 4.0. auch Billiganbietern Paroli bieten können?
Pils – Das möchte ich mit der Aussage unseres Kunden Josef Gasperlmair von der Glas Gasperlmair GmbH (A) beantworten. Bis vor Kurzen hat er ca. 7000 Scheiben am Tag gefertigt; heute, nach der internen Vernetzung im Betrieb, sind es 11 000. Gleichzeitig wurde der Ablauf in der Fertigung ruhiger. Zudem hat sich die Ausschussquote fast halbiert, diese lag bei knapp 2,6 %, jetzt beträgt sie 1,4 %. Das ist bares Geld.
GLASWELT – Wie ist Ihr Fazit?
Pils – Ich versuche das einmal vereinfacht zusammenzufassen. Industrie 2.0 erfolgte mit Papierdokumentation, Industrie 3.0 mit E-Mail, d. h. elektronische Rechnungen und in der Fertigung in Form von einzelnen technischen Schnittstellen. Mit Industrie 4.1, so nennen wir bei Lisec die praktische Umsetzung und strategische Ausrichtung für die Flachglasbranche – z.B. die, Vernetzung der ERP Systeme in Echtzeit – bedeutet das für Glasverarbeiter und ISO-Hersteller, dass die Zusammenarbeit mit ihren Fensterbaukunden schneller, flexibler, verlässlicher und einfacher wird, wodurch sich nachhaltig Kosten einsparen lassen. Darüber hinaus ersparen sie sich Zeit und Ärger bei vielen technischen Details und bei der Koordination von unterschiedlichen Lieferanten.
Müller – Die immer individuelleren Produkte sorgen für Manufakturmengen bei industrieller (automatisierter) Fertigung. Da ist die intelligente Vernetzung der ERP-System von Produzenten und Zulieferern unerlässlich.—
Kommunikation auf der Detail-Ebene
Aufgrund steigender Anforderungen werden Isoliergläser immer komplexer, dazu kommt, dass zunehmend unterschiedliche Gläser bei einem Projekt verlangt werden. Um dem gerecht zu werden, kann heute im Klaes-Stammdaten-Konzept jede ISO-Einheit aus ihren Einzelkomponenten Glas, Beschichtung, Gasfüllung und Randverbund aufgebaut werden.
Um die gewünschte ISO-Einheit optimal an das Fenster anzupassen, lässt sich bei der Fenstererfassung (der Klaes Software) jedes Detail verändern – übergreifend und für jede einzelne Scheibe. Dies wiederum macht die elektronische Kommunikation auf der Detail-Ebene erst möglich.
Die User werden dabei unterstützt, die vielen Varianten zu beherrschen und zu minimieren. Mit der Glassuche werden bereits angelegte ISO-Einheiten entsprechend der eingegebenen Anforderungen gefunden. Und bei der Detailerfassung wird im Hintergrund automatisch geprüft, ob so eine ISO-Einheit bereits abgespeichert ist.