Eigentlich ist es gut gemeint, wenn man von einem vollautomatisierten Gebäude spricht, aber kann dieser Anspruch überhaupt erfüllt werden? Welche Rolle spielt das Nutzerverhalten in Gebäuden und welchen Einfluss kann es auf den Gesamtenergieverbrauch haben. Was bedeutet Nutzerakzeptanz? Wie reagiert ein Gebäude auf manuelle Eingriffe der Nutzer? All diese Fragen stehen in einem starken Zusammenhang mit den Steuerungssystemen im Gebäude und der Vernetzung der Bereiche Wärme, Kälte, Lüftung (Klima) und Licht, Sonnen-/Blendschutz und haben den entscheidenden Einfluss auf ein Raumklima, in dem sich die Nutzer wohlfühlen und zugleich eine hohe Energieeffizienz erreichen.
Beeinflussende Komponenten
Der Sonnenschutz spiegelt sich in diesem Umfeld in mehreren Bereichen wider. Er kann die eintretende Wärme im Sommer reduzieren und damit die Raumtemperaturen senken, was wiederum den Energieverbrauch von Klimaanlagen positiv beeinflusst. Im Winter kann der Sonnenschutz gezielt die solaren Gewinne steuern, und dabei in Kombination mit dem innen liegenden Blendschutz für ein behagliches Nutzerumfeld sorgen. Eine maximale Energieeinsparung durch die Nutzung der durch die Fensterscheibe eintretenden Energie zur Raumaufheizung kann damit auch erreicht werden. Stört man sich jetzt an dem „kann“ so muss hier klargestellt werden, dass diese möglichen Ersparnisse tatsächlich nur dann verlässlich eintreten werden, wenn die Steuerung des Sonnenschutzes automatisch erfolgt.
Der Nutzer als selbst regulierende Komponente der verschiedenen Systeme wird nicht funktionieren, und auch die temporäre Anwesenheit des Nutzers verhindert eine durchgängige Abstimmung der verschiedenen Bereiche. Steuerungstechnisch spielt der Blendschutz keine Rolle, wenn seitens des Gebäudeplaners oder Nutzers nicht der Wunsch gehegt wird, dass im Winter mit der Nutzung der solaren Gewinne auch der Blendschutz automatisch abwärts fährt, um eine Blendung zu vermeiden. Gleiches gilt aber auch für den Sommer, denn gerade hier ist das Auslösen des Windalarms und das damit verbundene Hochfahren der automatischen Systeme ein sehr großer Störfaktor beim Nutzer, da plötzliche Blendung durch die trotz Wind vorhandene Sonne auftreten kann.
Festgestellt werden kann dabei auch, dass Sonnenschutz (auch systembedingt) kein verlässlicher Blendschutz ist, Blendschutz aber wiederum durch seine innen liegende Position keinen effektiven Sonnenschutz darstellen kann. Wird der Blendschutz mit manueller Bedienung ausgeführt ist es dem Zufall überlassen, wann was passiert. Sonnenschutz und Blendschutz gehen also miteinander einher, wenn die optimale Lösung gefordert ist. Eine Automatisierung muss in diesem Fall vorausgesetzt werden.
Planung und Beratung
Die effektive Steuerung des gesamten Gebäudes setzt bereits bei der Planung die Einbindung aller vorhandenen Komponenten voraus. Die vorher beschriebene Steuerung des Sonnen- und Blendschutzes muss also mit den Komponenten Fenster, Lüftung, Heizung und Klimaanlagen soweit vorhanden abgestimmt werden. Dazu gehören natürlich auch die zu erwartenden Verhaltensweisen der Nutzer am Arbeitsplatz oder in den eigenen Wohnräumen. Der Nutzer ist dabei aber zugleich auch die am schlechtesten zu kalkulierende Komponente. In der Regel werden Nutzerprofile ermittelt, bei denen die Nutzung von Beleuchtung, der Bedarf an Wärme und Kälte, Frischluftzufuhr und der Wunsch nach Blendschutz anhand von Statistiken kalkuliert wird.
Natürlich müssen auch die möglichen Störfaktoren bei der Steuerung der einzelnen Bereiche berücksichtigt werden, und bereits hier sind wir schon wieder beim Nutzer des Gebäudes. Kann die fertig programmierte Steuerung und deren Parametrierung durch Passwörter geschützt werden, so gilt das nicht für das Individuum Mensch, weil hier sich die Ansprüche und Empfindungen des Einzelnen sehr stark unterscheiden. Aber nicht nur die Menschen unterscheiden sich, sondern auch das Tagesverhalten eines Menschen stellt unterschiedliche Ansprüche an die Nutzung der Bereiche Wärme, Kälte, Lüftung (Klima) und Licht. Hier spielen Tageszeit und Fremdeinwirkungen wie z.B. das Telefon genauso eine Rolle, wie die Kommunikation der Mitarbeiter untereinander. Situationen wie Großraumbüros haben da wiederum ein ganz anderes Anforderungsprofil als Einzelbüros.
Eine wesentliche Rolle spielen natürlich auch die Eingriffsmöglichkeiten des Nutzers, die teilweise auch genutzt werden, um sich gegen automatische Systeme zu wehren. Sehr oft findet man im Zuge von Gutachtenerstellungen aberwitzige Konstruktionen mit Packpapier oder Ähnlichem: innen am Fenster um Blendschutz zu erreichen, blockierte Bedienschalter um Sonnenschutz am Hochfahren zu hindern oder teilweises auch ein sehr aggressives Nutzerverhalten, wenn Sonnenschutzanlagen beim Ortstermin Probe gefahren werden. Hat der Nutzer zudem die Möglichkeit in den Gebäudebetrieb manuell einzugreifen, wie zum Beispiel Fenster komplett zu öffnen oder den durch Sensoren automatisch geschlossenen Sonnenschutz wieder zu öffnen, so wird in vielen Fällen die Regelfähigkeit von automatischen Steuerungssysteme auf den Kopf gestellt. Der Erfolg eines Gebäudekonzeptes ist also davon abhängig, wie aktiv der Nutzer in die Konzeption und Nutzung eingebunden wird.
Den Nutzer in den Mittelpunkt stellen
Sehr oft werden direkt nach der Fertigstellung von Gebäuden die Parameter für die Steuerung von Personen festgelegt, die das Gebäude später nicht selbst nutzen. Hier wird in der Regel auf Erfahrungswerte zurückgegriffen und die Einstellungsparameter gegen das Verstellen gesichert. Ein neues Gebäude muss sich aber erst einspielen, das heißt, die Umgebungsvariablen Wetter, Raumtemperaturen usw. müssen über den Jahresverlauf wie auch die Nutzerbedürfnisse ermittelt werden.
Voraussetzung ist auch hier die Einbindung der Nutzer in das Gebäudekonzept und die Erklärung der Funktionsweise der Steuerungssystematik. Den Nutzer interessieren dabei keine Werte, sondern sein einfacher Wunsch nach Wärme oder Kühle, Helligkeit oder Verdunkelung. Betrachtet man Raffstorenanlagen, die sich aufgrund schlecht positionierter Windwarnanlage ständig hin und her bewegen, nimmt der Nutzer dies als akustische Störung wahr, die durch plötzliche Blendung oder Dunkelheit bei der Bewegung ergänzt, sehr störend wirkt.
Hier sollten Nutzer detailliert informiert werden, wie sie sich verhalten sollen, denn nur wenn der Nutzer die „Bevormundung“ durch die Steuerung akzeptiert, können geplante Energieeinsparpotenziale realisiert werden. Der Sonnen- und Blendschutz sollte deshalb nach Möglichkeit immer in eine vorhandene Gebäudesteuerung integriert werden, um seine Leistungsmerkmale voll ausspielen zu können.
Investition und Betriebskosten
Auch der Betreiber eines Gebäudes wird die automatische Steuerung gerne in Kauf nehmen, wenn einerseits die Mitarbeiter zufrieden sind und gleichzeitig der Gebäudeenergieverbrauch durch Reduzierung von Kunstlicht, bzw. Heiz- und Kühllasten gesenkt werden kann. Gerade der Einsatz von Kunstlicht kann so wesentlich reduziert werden.
Ein wesentliches Kriterium, das in den Überlegungen von Unternehmen immer mehr eine Rolle spielt, ist hier auch die mögliche Leistungssteigerung der Mitarbeiter, ohne den Arbeitsdruck zu erhöhen. Allein durch das erhöhte Wohlbefinden des Menschen entstehen Synergieeffekte am Arbeitsplatz oder zu Hause, da der Mitarbeiter motivierter ist, und deutlich weniger Arbeitsausfall durch Krankheit entsteht.
Leider spielen diese Faktoren bei Investoren, die Gebäude planen und verkaufen sehr oft keine große Rolle, da hier mit Blick auf den Herstellungspreis eines Gebäudes gerne die Integration der Systeme eingespart oder nur teilweise durchgeführt wird. Da die Energiekosten im Lebenszyklus eines Gebäudes aber die wesentliche Komponente für die Betreiber sind, ist dieses Denken leider falsch. Erfreulicherweise gibt es aber auch Bauherren und Planer bei denen mehr und mehr ein Umdenken stattfindet, für die Zukunft sicher der richtige und erfolgreiche Weg. Für den Menschen und das Thema Energieeinsparung. —