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Interview mit Ralf Spiekers, Tischler Schreiner Deutschland

Gesundheitsgefährdender Sanierungsfall?

GLASWELT – Sie haben an einem nationalen Asbestdialog teilgenommen, der vom BMAS und BMUB initiiert wurde. Ich hoffe, da ist dann mehr dabei herumgekommen als beim nationalen Dieseldialog? Wer hat daran teilgenommen, was waren die Beschlüsse?

Ralf Spiekers – Beschlüsse gab es keine. Es ist auch nicht die Aufgabe eines Dialoges, Beschlüsse zu fassen. Dies ist den Regelsetzern, hier dem Staat, vorbehalten. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) mussten auch erst einmal ihre Sicht der Dinge in Einklang bringen. Wenn Sie nach Ergebnissen fragen: Hier ist es anders als beim „Dieseldialog“. Auch wenn das Ergebnis noch nicht bekanntgegeben ist, dürfen wir nicht vergessen, die Zeit nach der Wahl 2017 kommt bestimmt. Und die Akteure sind ja immer noch die gleichen. Von daher erwarte ich keine Beschlüsse, die übers Knie gebrochen werden und die daher auch inhaltlich substantiierter sind. Wir haben übrigens neben der Bauwirtschaft auch mit dem Verband Fenster und Fassade und den Glaserkollegen kooperiert. Der ZDH hatte sogar in einem Vorabgespräch ein erstes Abstimmungsgespräch geführt. Auch die Kollegen von Sanitär Heizung Klima und andere Verbände, wie die Dachdecker, sind betroffen. Das Thema ist eben größer als nur „Asbest im Fensterkitt“.

GLASWELT – Was folgt dann jetzt nach dem Asbestdialog?

Spiekers – Der Asbestdialog ( www.asbestdialog.de ) lief im 1. Halbjahr 2017. Seitens der Bundesregierung wurde die Notwendigkeit gesehen, alle Entscheider und Betroffenen an einen Tisch zu kriegen. So gesehen war dies ein erster Ansatz, das Thema Asbest jenseits von den klassischen, bekannten Produkten zu klären. Mit dem Asbestdialog ist auch ein Bewusstsein bei allen Beteiligten geschaffen worden. Wichtig war zudem, dass das Thema kein reines Verarbeiterthema ist, wie es gerne von einigen Kreisen gesehen wird. Der Standpunkt, ich bestelle einen Fachbetrieb und der bringt den Arbeitsschutz einfach so mit, d. h. als Wohnungswirtschaft muss ich mich um dieses Thema – z. B. in der Ausschreibung – nicht kümmern, ist sicherlich nicht haltbar und wurde von Tischler Schreiner Deutschland schon lange kritisiert. Das Thema Asbest im Fensterkitt ist auch nur ein Teilthema und die meisten Leinöle sind eh asbestfrei. Hier ist auch die Fugenbreite zu beachten. Für schmale Fugen brauchte es keinen Stabilisator, wie Asbest.

GLASWELT – Kann man asbesthaltigem Kitt äußerlich von einem asbestfreien Kitt unterscheiden? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, asbesthaltigen Kitt an Fenstern der sechziger und siebziger Jahre des 20. Jahrhundert vorzufinden?

Spiekers – Durch Draufschauen kann man leider keinen Asbest diagnostizieren. Ich finde es auch gut, Herr Mund, dass Ihre Frage asbestfreien Kitt impliziert. Auch den gibt es. Wir müssen vermeiden, generell mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Von daher ist das Bewusstsein, dass es auch asbestfreien Kitt gibt, durchaus wichtig. In einem Positionspapier hatte Tischler Schreiner Deutschland im Asbestdialog schon gefordert, dass ein geeignetes Schnellverfahren als Test entwickelt wird. Eben weil wir die Wahrscheinlichkeiten nicht kennen. Diesbezüglich haben wir uns auch mit dem Verband Fenster und Fassade intensiv abgestimmt. Ferner sollen Tabellen erstellt werden, die Auskunft über enthaltene Asbestanteile in Produkten nach Baujahr, Region etc. geben, so die Anregung der Verbände.

GLASWELT – Was raten Sie Glasern und Fensterbauern, die alte Fenster mit Kittfalz restaurieren oder sanieren sollen?

Spiekers – Die Kernfrage ist, ob Asbest im Kitt vorhanden ist oder nicht. Für Materialien, die nach 1993 verwendet wurden – ab hier galt das Asbestverbot –, ist es nicht anzunehmen. Für Materialien, die älter sind, ist dies gegebenenfalls regional unterschiedlich. Aber hier gibt es auch regionales Wissen. Wir dürfen weiterhin nicht vergessen, dass wir eine gewisse Spezialisierung in den Betrieben haben, d. h. wir haben immer mehr Mitarbeiter, die ähnliche bzw. gleich gelagerte Arbeiten durchführen. Das Entkitten erfolgt häufig in der Werkstatt und wird in der Regel von einem definierten Personenkreis ausgeführt. Für diese Tätigkeiten gibt es auch schonende Verfahren, die zum Beispiel nicht zerspanend sind.

GLASWELT – Wie sieht eine sachgemäße Sanierung eines Fensters mit asbesthaltigem Kittfalz aus?

Spiekers – Ich könnte mir die Antwort einfach machen und auf die TRGS 519 Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten verweisen. Aber im Titel der TRGS liegt auch schon das Problem. In dem Sinne sind wir nicht bei Abbruchs-, sondern eher bei Modernisierungsarbeiten. Von daher stellt sich die Frage, inwieweit zum Beispiel ein Asbestschein künftig notwendig sein muss. Hier gilt es, Lösungen zu finden. Eine der Lösungen könnte zum Beispiel die Anwendung des sogenannten Schweizer Papieres sein. Ich sage bewusst „könnte“, da es aktuell für dieses Papier noch keine Rechtsgrundlage in Deutschland gibt.

GLASWELT – Warum wird man jetzt erst aktiv, wenn das Problem doch schon seit Jahren bekannt war und schon viele tausend betroffene Fenster von Handwerkern bearbeitet wurden?

Spiekers – Dass das Problem seit Jahren bekannt ist, möchte ich bezweifeln. Aktuell ist die Vermutung, dass überall im Fensterkitt Asbest ist, besonders hoch. Derzeitige Untersuchungen in Berlin zeigen, dass dem nicht so ist. Das Thema kann also auch regional bekannter bzw. auch unbekannter sein. Und wie viele Unternehmen betroffen sind, kann ich momentan nicht abschätzen. Einige Ansätze im Asbestdialog waren auch, ein sogenanntes Asbestkataster für bestimmte Regionen bzw. Gebäudetypen zu generieren. Dies wurde, aus wahrscheinlich auch nachvollziehbaren Gründen, von der Wohnungswirtschaft abgelehnt.

GLASWELT – Ist der Asbestanteil im Fenster fest gebunden? Oder muss sich der Fensternutzer ebenfalls Sorgen machen, dass die giftigen Stoffe auch im normalen Zustand entweichen?

Spiekers – Ich bin kein Chemiker, aber der Asbestanteil ist erst einmal fest gebunden. Von daher sehe ich keine Gefährdung des Fensternutzers.

GLASWELT – In Berlin beispielsweise gibt es noch zahlreiche Kastenfenster, die mit einem Kittfalz ausgeführt sind und trotzdem energetisch hochwertig saniert werden können. Müssen jetzt die Betriebe befürchten, dass Aufträge aufgrund der kostenintensiven Asbestentsorgung storniert werden?

Spiekers – Herr Mund, Sie sprechen hier ein durchaus nicht zu unterschätzendes Problem an. Seitens der Fachverbände war es uns ein Anliegen, dass bestimmte Märkte nicht total zusammenbrechen. Auch hierfür haben wir um Verständnis geworben. Arbeitsschützer sehen das Thema natürlich anders. Ihnen geht es nicht um Märkte, sondern einzig um die Gesundheit. Nur in der Konsequenz bedeutet dies auch, dass gegebenenfalls das Ziel, ein asbestfreies Deutschland zu erreichen, niemals erreicht wird, weil eine Sanierung bestehender Fenster nicht mehr angegangen wird. Auch haben restriktive Regeln Einfluss auf den Erhalt historischer Bausubstanz. Es kann nicht Ziel sein, jegliches Arbeiten an Fenstern zu verbieten. Zum Thema Entsorgung ist natürlich festzuhalten, dass diese fachgerecht erfolgen muss. Wenn Asbest im Kitt vorhanden ist, so hat dieser getrennt vom normalen Abfall entsorgt zu werden.

GLASWELT – Wenn Fenster mit möglicherweise asbesthaltigem Kitt nur entsorgt werden – was muss man dabei beachten? Gibt es eine Sonderbehandlung bei der Wertstoffabgabe?

Spiekers – Ob Fenster mit Kitt entsorgt werden oder der Kitt getrennt: Zur Abfallbeseitigung im Sinne der TRGS gehören Tätigkeiten mit asbesthaltigen Abfällen bei der Behandlung (z. B. Verfestigung), Verpackung, innerbetrieblichen Beförderung, Bereitstellung zum Transport, Lagerung sowie Tätigkeiten im Rahmen der Entsorgung asbesthaltiger Geräte und Bauteile (z. B. Ausbau). Der Abfallbegriff ist vom Entledigungswillen gekennzeichnet. Von daher wird man aus diesem Thema nicht so leicht herauskommen. Häufig versprechen Handwerksbetriebe in ihren Angeboten auch die Entsorgung. Hier wird man die fachgerechte Entsorgung sicherstellen müssen.

GLASWELT – Sind auch andere Werkstoffe am Fenster betroffen?

Spiekers – Das Thema ist kein reines Holzfensterthema. Auch historische Metallfenster und die Kunststofffenster der ersten Generation haben Kittfälze, daran möchte ich mal erinnern. Und im Asbestdialog geht es insbesondere um Fliesen und die Spachtelmassen, die in einigen Wandputzen vorhanden sind. Diese baulichen Situationen haben deutlichere Probleme. Beim Fenster kann man davon ausgehen, dass das Problem systemisch ist, d. h. wenn ein Fenster entsprechend auffällig ist, werden es weitere auch sein. Von daher, das sehe ich positiv, sind die Probenentnahmen für Kitt im Falz überschaubar. Wir hoffen, dass wir das bei der Fortführung des Dialogs weiter präzisieren können. Von daher sehe ich auch keine notwendigen Schnellschüsse. Wichtig ist, dass die tatsächlich vorhandene Gefährdung minimiert wird und das arbeitsschutztechnische Handeln mit Augenmaß erfolgt. Das ist das noch offene Thema des Asbestdialogs, der weiter geführt wird. Letztendlich muss der Arbeitsschutz kalkuliert werden und auch bezahlbar bleiben. Das gilt für beide Gruppen – Auftraggeber wie Auftragnehmer.

Glaswelt – Herr Spiekers, besten Dank für Ihre Informationen.—

Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.

NAtionaler Asbestdialog

Im Rahmen des Nationalen Asbestdialogs fanden im Mai, Juni und Juli die Dialogveranstaltungen im Bundespresseamt in Berlin statt; initiiert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB).

Mit rund 140 Teilnehmenden aus Bau- und Wohnungswirtschaft sowie weiteren betroffenen Akteuren war die Auftaktveranstaltung sehr gut besucht. Dank eines engagierten Austauschs und der breiten Teilnahme an der Eingangsbefragung der Bergischen Universität Wuppertal, sei eine gute Basis für den Nationalen Asbestdialog gelegt worden, so das BMAS.

Das Ziel des Asbestdialoges besteht darin, Lösungen für den künftigen Umgang mit Asbest zu erarbeiten. Drei Kriterien dabei:

  • Fachgerechte Lösungen für alle (auch kleine) Gewerke im Bereich Arbeitsschutz.
  • Eine für alle Beteiligten angemessene Aufgaben- und Kostenverteilung.
  • Vermeidung neuer Asbestbelastungen im Wirtschaftskreislauf.

Bei der letzten Dialogveranstaltung hatten die Vertreter des BMAS und des BMUB die Ergebnisse der ersten beiden Treffen und der damit einhergehenden Befragungen in einem vorläufigen Maßnahmenpaket zusammengefasst. Dieser Entwurf wurde vorgestellt und von den anwesenden Dialogpartnerinnen und -partnern diskutiert und ergänzt.

Die Umsetzung und Konkretisierung bleibt Aufgabe der damit befassten und bewährten Gremien. Diese sollen die Ergebnisse des Dialogprozesses als Grundlage für die weiteren Arbeiten nutzen und dabei gegebenenfalls noch nicht berücksichtigte Interessengruppen einbeziehen.

Mehr Informationen dazu:

www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsschutz/Gesundheit-am-Arbeitsplatz/Nationaler-Asbestdialog/nationaler-asbestdialog.html