Weg vom Fenster-Einerlei, hin zu individuellen, bedarfsgerechten Sortimenten und Technologien – darin sieht der global agierende Beschlagproduzent Roto eine lohnende Gegenwarts- und Zukunftsstrategie für Verarbeiter und Fachhändler. Eine für einen Bauelementezulieferer – und sei er noch so bedeutend – zweifellos ungewöhnliche Offensive, die sich sogar bis in den Sektor der Endverbraucherkommunikation vorwagt. Bleibt die entscheidende Frage, auf welche Resonanz das alles in der Praxis stößt. Die GLASWELT-Redaktion suchte Antworten – und fand sie bei Wertbau im thüringischen Langenwetzendorf.
Natürlich begann das Gespräch bei dem größten ostdeutschen Fensterbauer, dessen Vollsortimenter-Status sich auf Türen, Rollläden, Fassaden- und Sonnenschutzsysteme sowie Wintergärten erstreckt, mit dem beherrschenden Thema dieser Tage. Also: Wie steht es um die realen Auswirkungen der für permanente Negativ-Schlagzeilen sorgenden Finanz- und Wirtschaftskrise?
Carsten Taig reagiert ganz gelassen. Nein, von dramatischen Einbrüchen merkt das 1990 gegründete Unternehmen nach Aussage des Juniorchefs bisher nichts. Das Geschäft sei zu Jahresbeginn zwar etwas ruhiger angelaufen, aber mit der allgemeinen Krise habe das weniger zu tun. Eher schon mit dem relativ strengen Winter.
Neue Rollenverteilung
Auch der Bauelementehandel ist nach seinen Eindrücken infolge vieler Anfragen gut beschäftigt. Das gelte für Deutschland und Österreich im Übrigen gleichermaßen. Bei diesem Hinweis kann sich Taig ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. Die Tatsache, dass die in den letzten Jahren so häufig als Sorgenkinder beschriebenen Länder im deutschsprachigen Raum inzwischen als stabilisierende Regionen und beinahe als „Fels in der Brandung“ gelten, erfüllt ihn offenkundig mit einiger Genugtuung.
Die von der Bundesregierung beschlossenen Konjunkturpakete bewertet Taig aus Sicht der Bauwirtschaft im Prinzip positiv. Sie gehöre sicher zu den Nutznießern der milliardenschweren Unterstützungsprogramme. Möglich sei jedoch, dass es bis 2010 dauere, bevor die Infrastruktur-Investitionen am Markt wirklich greifen. Aber auf staatliche Hilfen sollten bzw. dürften sich Unternehmen ohnehin nicht verlassen. Für die eigene Entwicklung sei man eben in erster Linie selbst verantwortlich.
„Wir sind gut aufgestellt.“
Daran habe sich die Wertbau-Gruppe schon immer gehalten. Konkrete Beweise dafür seien hohe Investitionen, wie gerade jetzt in eine neue 7600 m2 große und Anfang März 2009 offiziell eingeweihte Produktions- und Logistikhalle. Dazu kommen die strikte Qualitätsorientierung, aktives Marketing sowie eine professionelle Unterstützung der inzwischen rund 900 Partnerhändler in Deutschland, Österreich, Spanien und Belgien. 2008 erzielte die Gruppe laut Taig gegenüber Vorjahr ein Umsatzplus von rund 5 Prozent auf 30 Mio. Euro. Für 2009 strebe sie ein „kräftigeres Wachstum“ an. Mit derzeit rund 220 Mitarbeitern und einer Produktionskapazität von 1500 bis 2000 Fenstereinheiten pro Tag sowie einem bei „Hard- und Software gleichermaßen konsequenten Innovationskurs“ sei man genau das, was gerne „gut aufgestellt“ genannt werde.
Individualität statt Konformität
Nur im großen Strom mitzuschwimmen, reiche aber nicht. Als ein „problematisches Mono-Thema“ bezeichnet Taig in diesem Zusammenhang die gegenwärtige Branchenlinie, Fenster bei den Verbrauchern im Wesentlichen unter Energiesparaspekten zu profilieren. Das greife viel zu kurz, habe mit umfassender Nachhaltigkeit im Übrigen wenig zu tun und schaffe – da von vielen übernommen – am Ende wieder nicht die unverzichtbare Unterscheidbarkeit. Dazu müsse man den Kompetenzbogen schon breiter spannen. Deshalb seien Verarbeiter und Händler auch im eigenen betriebswirtschaftlichen Interesse gut beraten, Bauherren und Renovierer von der Attraktivität des wohnraumspezifischen Angebotes zu überzeugen. Das heißt: „Für jeden Raum und jede Anforderung die passende Lösung.“ Und das könne mehr Wohnkomfort, höherer Nutzwert, größere Sicherheit, weniger Energieverbrauch, zeitgemäßes Design oder intelligente Funktion sein. Ergo: Individualität schlägt Konformität.
Gelobte und gelebte Initiative
„Es macht einfach mehr Sinn und zudem mehr Spaß, Trends zu setzen, anstatt ihnen hinterher zu laufen“, bringt Taig die Devise auf den Punkt. Insofern erhebe Roto zu Recht einen „Pionieranspruch“ auf dem seit 2006 aktiv besetzten Feld wohnraumspezifischer Fenster. Bei Wertbau habe man damit „offene Türen eingerannt“. Als für Sensibilisierung und Mobilisierung „sehr hilfreich“ stuft er ferner die Basisarbeit ein, die der Industriepartner gerade in punkto Marketing, Marktforschung und Kommunikation geleistet habe und noch leiste. Speziell das bundesweite Engagement verdiene Anerkennung und stelle vor Ort eine nützliche Grundlage für gezielte lokale und regionale Aktivitäten dar.
Das von Firmengründer Rainer Taig und Sohn Carsten geführte Familienunternehmen konnte deshalb bei der eigenen Vermarktungsstrategie etwa auf vorhandene Fotos und Argumentationsbausteine zurückgreifen.
Und was heißt das genau? Wertbau forciere das (neue) Kompetenzthema getreu des Hausslogans „Ihr Wunschfenster“ mit folgenden Instrumenten: separater Endverbraucherprospekt, Einbindung in die regelmäßigen „Partner-Stammtische“, spezielle Produktpräsentationen, Ausstattung der Händler-Ausstellungen („Diese Problemlösungen müssen wir live zeigen“) sowie Integration in die exklusive Händler-Software „Wertbau online“.
In Planung sei es, den Internetauftritt zu verbessern, „wichtige Endverbraucher-PR“ zu systematisieren und in die Architektenansprache zu intensivieren.
Erfolge werden langsam messbar
Taig und Meinhard Poppe, der für Wertbau zuständige Key Account Manager von Roto, sind sich einig: „Wir brauchen einen langen Atem, damit aus diesem Trend auch ein Markt wird.“ Penetrieren, penetrieren und noch einmal penetrieren laute die Maxime. Das gelte nicht zuletzt bei der Zielgruppe „Handel“, deren Aufgeschlossenheit für die mit wohnraumspezifischen Fenstern verbundenen Differenzierungschancen aber tendenziell wachse.
Überhaupt seien die Erfolge der „individuellen Fenstertechnik“ langsam definitiv messbar. So stieg die Verwendung spezieller Sicherheits-, Komfort- und Designbeschläge von Roto in der Wertbau-Produktion 2008 spürbar, betont Taig. Aktuell beziffert der Juniorchef den Fertigungsanteil konventioneller Massenfenster auf rund 85 Prozent, während die Quote individueller Lösungen bei etwa 15 Prozent liege. Letztere soll in den nächsten drei Jahren verdoppelt werden.
„Die Differenzierung funktioniert“, freuen sich die beiden seit 1992 kooperierenden Fenster- und Türspezialisten. Fazit: Mehr Klasse ist im Aufwind. Was fraglos nicht nur im konkreten Fall in die Rubrik „Fortschritt“ gehört.—
Was sind wohnraumspezifische Fenster?
Hierbei handelt es sich um Fenster- und Türlösungen mit den entsprechenden Beschlägen, die individuell auf die jeweilige Funktion/Aufgabe im Haus abgestimmt sind. Die Grafik zeigt einige Beispiele.
Einbruchschutz im EG durch Kreiszungen, abschließbare Griffe sowie elektromechanische Lösungen.
Komfort im Wohnzimmer durch verdeckt liegende Beschläge wie „NT Designo“.
Mehr Sicherheit im Kinderzimmer durch die „Kippen vor Drehen“-Technologie. Bei abgeschlossenem Griff lässt sich das Fenster nur kippen.
Automatischer Luftaustausch im Bad durch „E-Tec Drive“.
Bedarfsgerechtes Lüften im Schlafzimmer durch Fenster mit Lüfterschere.
Komfortfenster sorgen im Arbeitszimmer für einfache Bedienung.
Schiebefenster in der Küche sparen Platz und gewährleisten einen schnellen Luftaustausch.