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Rechtliche Hintergründe der CE-Kennzeichnung

Ohne CE-Zeichen geht es nicht!

Glaswelt: Mit dem Ende der Koexistenzphase am 1. Februar 2009 müssen alle in den Verkehr gebrachten Fenster ein CE-Zeichen aufweisen. Haben diejenigen Fensterhersteller, die sich jetzt erst darum kümmern, den Anschluss verpasst?

Niemöller: Nicht unbedingt! Bevor Hersteller ihre Fenster mit dem CE-Zeichen kennzeichnen dürfen, müssen sie nach dem sogenannten Konformitätsverfahren erklären, dass ihre Fenster der Produktnorm für Fenster und Außentüren (DIN EN 14351-1) entsprechen. Voraussetzung hierfür ist eine werkseigene Produktionskontrolle (WPK) und zumindest eine Erstprüfung (sogenanntes Initial Type Testing – ITT) der mandatierten Eigenschaften. Hierunter sind diejenigen Eigenschaften zu verstehen, für die das CE-Zeichen Angaben enthalten muss. Welche Eigenschaften mandatiert sind, ergibt sich aus der Produktnorm, dort aus dem Anhang ZA. Die Einführung einer WPK dürfte für die überwiegende Zahl der Hersteller unproblematisch sein, da die meisten Unternehmen in Deutschland ohnehin über ein Qualitätssicherungssystem/Qualitätsmanagement verfügen, in das die Vorgaben der Produktnorm zur WPK integriert werden können. Problematischer ist die Erstprüfung, soweit sie durch eine anerkannte Prüfstelle – wie beispielsweise das ift Rosenheim – durchgeführt werden muss. Hier sind nicht zwangsläufig physische Berechnungen erforderlich: Im Rahmen der Erstprüfung können auch Berechnungen durchgeführt und es kann mitunter auf tabellierte Referenzwerte zurückgegriffen werden. Wer noch keine Erstprüfung durchgeführt hat und aus Zeit- und/oder Kostengründen keine Prüfstelle mehr beauftragen kann, wird sich an Systemhäuser wenden müssen. Mittlerweile haben mehrere Systemgeber Erstprüfungen für eine Vielzahl von Fenstern/Systemen durchführen lassen und stellen die Ergebnisse dieser Prüfungen Herstellern (ihren Kunden) im Rahmen des sogenannten Cascading-ITT zur Verfügung. Voraussetzung ist hier eine Vereinbarung zwischen Hersteller und Systemgeber. Auf der Grundlage einer solchen Vereinbarung können Hersteller auch jetzt noch „kurzfristig“ die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße CE-Kennzeichnung schaffen.

Glaswelt: Viele Fensterbauer haben schon das Ü-Zeichen ignoriert. Was passiert, wenn man den Kopf in den Sand steckt, nichts unternimmt bzw. Fenster ohne ein CE-Zeichen verkauft? Welche Strafen können drohen?

Niemöller: Die Konsequenzen fehlerhafter Kennzeichnung können vielfältig sein. Bei der Beantwortung der Frage, welche Konsequenzen eine fehlerhafte Kennzeichnung nach sich ziehen kann, ist nach den Rechtsgebieten zu unterscheiden, in denen die Kennzeichnungspflicht Relevanz besitzt. Die Kennzeichnungspflicht entstammt dem Bauproduktenrecht (CE-Zeichen) sowie dem Bauordnungsrecht (Ü-Zeichen, CE-Zeichen) und ist somit zunächst dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Das öffentliche Recht ist der Teil der Rechtsordnung, der das Verhältnis zwischen Trägern öffentlicher Gewalt – in der Regel Behörden – und Privatrechtssubjekten (Personen oder Unternehmen) regelt. Die typische Handlungsform des öffentlichen Rechts ist der Verwaltungsakt. Im Bereich fehlerhafter Kennzeichnung können die zuständigen Behörden Verwaltungsakte insbesondere in Form von Untersagungsverfügungen erlassen. Darüber hinaus kann ein fehlerhaftes CE-Kennzeichen entwertet bzw. beseitigt werden. Verstöße gegen die Kennzeichnungsvorschriften können weiterhin Ordnungswidrigkeiten darstellen, die mit Bußgeldern belegt sind. Neben dem Ordnungswidrigkeitenrecht kann auch das Strafrecht im eigentlichen Sinne zum Zuge gelangen. Strafrechtliche Konsequenzen kommen beispielsweise in Betracht, wenn einem Vertragspartner „vorgespiegelt“ wird, dass das CE-Zeichen berechtigterweise genutzt wird, obwohl vom Hersteller gegen die Systembeschreibung verstoßen wurde. Im Bereich des Zivilrechts – also im Verhältnis zwischen Käufer/Verkäufer oder Auftragnehmer/Auftraggeber – wird sich die Frage stellen, ob eine fehlende/fehlerhafte Kennzeichnung die Annahme eines vertragsrelevanten Mangels begründet. Liegt ein Mangel vor – dies ist in jedem Einzelfall zu prüfen – hat der Verkäufer/Auftragnehmer mit entsprechenden Mängelansprüchen des Käufers/Auftraggebers zu rechnen. Verstöße gegen Kennzeichnungspflichten können schließlich wettbewerbsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Aus juristischer Sicht ist jedem Unternehmer zu empfehlen, sich mit den Anforderungen der DIN EN 14351-1 auseinanderzusetzen und sie zu erfüllen.

Glaswelt: Sie haben schon einige Unternehmen begleitet, die die CE-Kennzeichnung eingeführt haben. Welche gröbsten und häufigsten Verfahrensfehler auf dem Weg zum CE sind Ihnen dabei aufgefallen?

Niemöller: Nach meinen Erfahrungen resultieren häufig „Fehler“ aus einem Missverständnis der Bedeutung des CE-Zeichens: Die CE-Kennzeichnung muss/darf grundsätzlich nach der Durchführung eines Konformitätsnachweisverfahrens angebracht werden. Mit der Anbringung des Zeichens wird die Herstellung eines Produktes unter Einhaltung bestimmter Normen bescheinigt. Das CE-Zeichen ist somit ein Konformitätszeichen, nicht jedoch ein Qualitätszeichen. Hintergrund der CE-Kennzeichnung ist die Sicherung des freien Warenverkehrs; die Produkte sollen auf dem europäischen Markt vergleichbar sein. Das CE-Zeichen wird daher häufig auch als „Reisepass“ bezeichnet. Um die erforderliche Vergleichbarkeit der entsprechenden Bauprodukte sicherzustellen, enthalten die Bauproduktenrichtlinie bzw. die harmonisierten Normen konkrete Vorgaben, welche Angaben das CE-Kennzeichen enthalten muss, an welcher Stelle es anzubringen ist und wie es im einzelnen auszusehen hat. Diese Vorgaben werden häufig missachtet, insbesondere, wenn Hersteller den Hinweis auf die CE-Kennzeichnung mit werbenden Aussagen verbinden und sich in diesem Zusammenhang dazu verleiten lassen, von den konkreten Vorgaben zur CE-Kennzeichnung abzuweichen. Möchte ein Hersteller nicht CE-kennzeichnungspflichtige Angaben/freiwillige Qualitätsangaben verwenden, ist dies zwar grundsätzlich möglich; Voraussetzung ist allerdings, dass die Sichtbarkeit und Lesbarkeit der CE-Kennzeichnung dadurch nicht beeinträchtigt wird. Insbesondere darf es durch „derartige Angaben und/oder Kennzeichnung bei Dritten nicht zu Unklarheiten hinsichtlich der Bedeutung und Form der CE-Kennzeichnung kommen“ (vgl. Anhang ZA.3 der EN 14351-1). Erhebliche Unsicherheit besteht auch bei der – gerne und häufig – verwendeten Kennzeichnung einer Eigenschaft mit npd (no performance determined = keine Leistung festgestellt). Diese „npd-Option“ darf nur dann verwendet werden, wenn das nationale Bauordnungsrecht keine Anforderungen an die entsprechende Eigenschaft stellt.

Glaswelt: Glauben Sie, dass Sie durch die Einführung des CE-Zeichens bei Fenstern und Haustüren in Zukunft mehr Fälle bearbeiten werden, die dieses Thema betreffen?

Niemöller: Zu der Frage, welcher Weg zum CE-Kennzeichen führt, bestand und besteht erheblicher Beratungsbedarf; hieran wird sich wohl auch bis zum Ablauf der Koexistenzphase der DIN EN 14351-1 am 31.01.2009 und darüber hinaus nichts ändern. Nach meiner Einschätzung wollen die meisten Hersteller die CE-Kennzeichnung in ihre üblichen Produktionsabläufe integriert sehen, wenn das nicht bereits geschehen ist. Die Fragen, die sich den Herstellern dabei stellen, betreffen vorrangig Verfahrensabläufe. Um Herstellern einerseits die fachtechnischen Belange und andererseits die juristischen Komponenten bei der Anwendung der DIN EN 14351-1 näherzubringen, wollen wir zeitnah und in Abstimmung mit dem ift Rosenheim einen Kommentar zur Produktnorm DIN EN 14351-1 erarbeiten, der möglichst im Oktober 2008 erscheinen soll. Mit dieser Auslegungshilfe hoffen wir, einen Beitrag leisten zu können, um „Fehler“ zu vermeiden. Soweit künftig Fälle bekannt werden, in denen beispielsweise ein Wettbewerber/Kunde eine fehlerhafte Kennzeichnung durch einen Hersteller beanstandet, werden sich dann erstmalig die Gerichte mit der DIN EN 14351-1 auseinandersetzen müssen. Das werden wir aus juristischer Sicht aufmerksam verfolgen, zumal die Diskussion bisher nur theoretisch geführt werden konnte. „Präzedenzfälle“ gibt es bis heute noch nicht.—

Zur Person

Prof. Christian Niemöller, ist Rechtsanwalt und Mitinhaber der Kanzlei SMNG in Frankfurt. Der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht ist unter anderem als ständiger Berater des Verbands der Fenster- und Fassadenhersteller e.V. , Frankfurt, tätig.

http://www.smng.de

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