Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Planung von ESG-Öfen

Sprung in eine andere Liga

Die Anschaffung einer ESG-Anlage ist für ein Unternehmen meist der Schritt in eine andere Liga der Glasverarbeitung: vom reinen Monolieferanten hin in Richtung Komplettanbieter. Die häufigsten Gründe (ohne Wertung der Reihenfolge) für die Anschaffung eines eigenen ESG-Ofens sind eine höhere Flexibilität und die Unabhängigkeit des Verarbeiters von Vorlieferanten, wobei sich gleichzeitig die Lieferzeiten verkürzen. Weitere Argumente: die Qualität liegt in eigener Hand sowie die Möglichkeit, neue Absatzfelder zu erschließen.

Der Kauf einer neuen ESG-Anlage sollte vom Verarbeiter sehr sorgfältig geplant und durchdacht werden: Denn mit dem Kauf eines ESG-Ofens alleine ist es meist nicht getan. Neben dem Vorspannofen werden auch in vielen Fällen weitere Bearbeitungsmaschinen an der Peripherie notwendig. Und häufig kommt dazu auch eine Erweiterung der Produktionshalle.

Bei der Projektierung und der Budgetplanung sollte der Verarbeiter die folgenden Punkte unbedingt mit einbeziehen:

  • Festlegung der Anlagengröße (siehe unten)
  • Kann die vorhandene Peripherie (Zuschnitt; Kantenbearbeitung; Bohren etc.) die neue Anlage ausreichend mit Glas vorsorgen?
  • Kosten für evtl. Erweiterung der Peripherie
  • Kosten für Handling beim Be- und Entladen
  • Platzbedarf, reichen die bestehenden Räumlichkeiten aus, muss neu gebaut werden?
  • Kosten für die Stromversorgung (Leitungskosten; Transformatoren usw.)
  • Schallschutz (innen, sowie zu den Nachbarn)
  • Soft- und Hardware zur Auftragsabwicklung und Auftragsoptimierung.

Planung Schritt für Schritt

Der erste Planungsschritt ist die Festlegung der Größe der ESG-Anlage. Hiervon hängen alle weiteren Schritte ab. Welche Anlagengröße gewählt wird, sollten die Verantwortlichen sehr sorgfältig prüfen. Hier muss die Firma ihre Ziele (neu) definieren: Will man künftig in neue Marktsegmente vordringen oder bewegt man sich auch weiterhin auf dem bisherigen Terrain.

Bei den ersten Überlegungen ist vielen Verarbeitern nicht klar, dass sich mit der Anschaffung eines Vorspannofens der Glasdurchlauf in der Produktion deutlich erhöht, wenn sich die Anschaffung zeitnah armortisieren soll.

Das wiederum hat Konsequenzen auf Akquise und Vertrieb. Für die Festlegung der Anlagengröße ist die Beantwortung der folgenden Fragen für den Verarbeiter notwendig: Wie groß ist die maximale benötigte Scheibengröße? Was ist die bisher am meisten verarbeitete Scheibengröße? (Festlegung der sogenannten Durchschnittsgröße der Gläser)? Welche Scheibenabmessungen können wir derzeit bearbeiten? Welche Marktsegmente wollen wir in Zukunft bedienen und welche Glasgrößen werden hierfür benötigt.

Sind diese Fragen geklärt, ergeben sich daraus alle weiteren Schritte, woraus sich wiederum die notwendigen Investitionskosten ableiten.

Bei kleinen und mittleren Betrieben ist vor allem die Bearbeitungskapazität zu prüfen und eine evtl. notwendige Erweiterung der Produktionshalle ist in der Budgetplanung für die Anschaffung einer ESG-Anlage zu berücksichtigen.

So ist es etwa zwingend notwendig, dass alle Gläser, die vorgespannt werden sollen, gesäumte Kanten haben müssen. Hintergrund: Bei unbearbeiteten Kanten kann das Glas im Ofen zerplatzen, was häufig einen Ofenausfall von 2 bis 3 Tagen für die Reinigung zur Folge haben kann. Zudem können bei solch einem Glasbruch auch die Keramikrollen im Ofen beschädigt werden, was wiederum weitere Kosten nach sich zieht.

Produktionsraten einer ESG-Anlage

Im Bauglassegment ist die durchschnittliche Glasdicke je nach Produktverteilung zwischen 6 und 10 mm anzusiedeln. Eine normale ESG-Anlage (Strahlungsofen mit Konvektionsunterstützung) hat in etwa folgende theoretische Ausbringung pro 8-Stunden-Schicht.

Beispiel: Geht man von einer Ofengröße aus, deren nutzbare Ladefläche rund 2500 x 5000 mm beträgt, ergibt das eine Ladefläche von 12,5 m2. Eine realistische Einschätzung für die Ladeflächennutzung liegt bei etwa 50 Prozent (durchschnittlicher Wert für Bauglas).

Bei einer Referenzdicke von 6 mm Floatglas ergibt dies eine Zykluszeit des Vorspannofens von etwa 250 Sekunden. Das bedeutet dann 14 Ladungen pro Stunde. Was wiederum eine Produktionsrate von 87 m2 pro Stunde ergibt.

In einer 8-Stunden-Schicht (7 Stunden netto Arbeitszeit) sind dies ca. 610 m2/Schicht oder 9,2 t Glas oder ca. 31 Tafeln Bandmaß pro Schicht.

Zusätzlicher Verarbeitungsaufwand

Jede dieser 31 Tafeln aus unserem Beispiel muss zugeschnitten und ausgebrochen werden. Zudem muss jede einzelne Scheibe zumindest gesäumte Kanten besitzen. Dies entspricht in unserer Rechnung bei 31 Tafeln bei einer Fläche von 610 m2 das Vierfache an zu bearbeitenden Kanten, also 2440 m (Kanten/m2) pro Tag.

Ausbringung im normalen Produktionsmodus: In der Praxis sind die genannten Raten, wie sie im Diagramm (rechts oben) dargestellt werden, geringer, da in der Regel pro Schicht verschiedene (Glas-)Dicken gefahren werden. Die Anlage kann somit nicht dauernd genutzt werden, da der Ofen bei Dickenwechsel leer gefahren, aufgeheizt oder abgekühlt werden muss, was wiederum Wartezeiten erfordert.

Die normale Menge bei Mischproduktion beträgt je nach Produktmix ca. 200 bis 400 m2 pro Schicht. Dies ist folglich geringer als bei der Herstellung gleichdicker Glasscheiben. Dazu kommt jetzt noch als Arbeitsschritt vor dem Vorspannen das Schleifen und das Besäumen der Glaskanten. Ein Rechenbeispiel zur Kantenbearbeitung pro Ofenschicht zeigt der Infokasten (oben).

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass ein ESG-Ofen eine doppelseitige Schleifmaschine komplett auslastet. Hat der Betrieb aber nur zwei Einkanter zur Verfügung, so müssen diese Anlagen bereits mehr als eine Schicht arbeiten, nur um die Gläser für den Ofen zu schleifen. Zusätzlich werden bei einer normalen ESG-Produktion viele Scheiben gebohrt oder gefräst (Türen, punktgehaltene Fassadenscheiben usw.). Ohne ausreichende Bohrkapazität lassen sich diese Aufträge dann nicht zeitnah abwickeln. Darüber hinaus müssen alle Scheiben vor dem Vorspannen auch noch einmal gewaschen werden.

Man sieht, dass dem Thema „Peripherie“ eine große Bedeutung bei der Kostenplanung für eine Betriebserweiterung in Richtung ESG zukommt.

Reicht der Platz?

Eine falsche Einschätzung beim Platzbedarf kann erhebliche Zusatzkosten nach sich ziehen.

Das folgende Beispiel untersucht eine Standardaufstellung für eine ESG-Anlage: Meist werden die Anlagen an einer Wand aufgestellt und der zugehörige Gebläseraum außen angebaut. Der Grund dafür ist, dass der Platz zwischen Wand, Gebläseraum, Schaltschränken und Ofen „verlorener Platz ist, der kaum genutzt werden kann. Je nach Größe ist eine ESG-Anlage zwischen 12 und 35 m lang und bis zu 8 m breit (ohne Gebläseraum). Vor und hinter der Anlage muss zudem genügend Platz eingeplant werden, um die Anlage gut und schnell beladen zu können. Als Faustregel kann man noch einmal die maximale Glaslänge vor und hinter der Anlage vorsehen.

Neben dem Ofen muss auch Platz sein für die Glasgestelle sowie Raum, um die Gläser auch seitlich zu laden. Große Scheiben werden vom Gestell über die Laderollen seitlich am Ladetisch auf die Ladefläche (versenkbare Kugelrollen) gekippt. Von der Ladeseite der Anlage muss man schnell und ungehindert zur Entladeseite gelangen können, deshalb ist hier ein freier Platz von ca. 2 m Breite vorzusehen.

Dies ist auch deshalb wichtig, weil der Anlagenbediener bei einem Glasbruch im Vorspannkühler schnell zur Kühlstation gelangen muss, um diese noch vor Ausfahren der nächsten Ladung aus dem Ofen von den Glasscherben zu reinigen. Ab einer Anlagengröße von 2000 x 3600 mm empfiehlt es sich, eine Leichtüberkranung über Lade- und Entladetisch vorzusehen, um den Ofen zu beschicken. Der Vorteil einer Leichtüberkranung ist, dass bei dicken Gläsern (12 mm und mehr) die Anlage damit von nur einer Person anstelle von zweien bedient werden kann. Die Zykluszeit erlaubt es, dass eine Person die Scheiben auflegt, in den Ofen einfährt und nach hinten geht und die Scheiben abnimmt.

Der Energiebedarf einer ESG-Anlage bewegt sich je nach Größe zwischen 800 und 2500 kW. Meist liegt bereits ein Hochspannungskabel und ein Transformator vor, jedoch muss bei Anschaffung eines ESG-Ofens geprüft werden, ob die vorhandene Hochspannungsleitung ausreichend ist, um die erforderliche Leistung zu transportieren.

Die vorhandene Trafoleistung bei Betrieben ohne ESG-Anlage liegt etwa bei 150 bis 400 kW. Das bedeutet, dass auf jeden Fall ein zusätzlicher Trafo angeschafft werden muss.

Es empfiehlt sich, die Stromversorgung des ESG-Ofens auf einen eigenen Transformator zu legen. Bei einem theoretisch möglichen Gleichzeitigkeitsfaktor von 1 muss der Transformator die gesamte installierte Leistung bereitstellen können, obwohl im normalen Betrieb nur zwischen 50 und 70 % der installierten Leistung notwendig sind. Bei einer Anschlussleistung der Anlage von 900 kW sollte der Trafo 1000 kW (oder 2 x 500 kW) haben, der Stromverbrauch im normalen Betrieb wird sich jedoch auf 400 bis 600 kW einpendeln, je nach Produktpalette.

Den Schallschutz nicht vergessen

Der nötige Schallschutz wird bei der Planung leider oft sträflich vernachlässigt. Das kann im Nachhinein beträchtliche Kosten verursachen. Wenn z.B. die Nachbarn des Verarbeiters gegen den Betrieb des ESG-Ofens aus schalltechnischen Gründen vorgehen. Nach der EU-Lärmschutzrichtlinie sollte innerhalb der Produktion ein Schalldruckpegel von 80 dB (A) eingehalten werden. Die Vorspanngebläse und somit auch der Vorspannkühler erzeugen aber Schallpegel von über 120 dB(A). Das entspricht in etwa dem Lärm eines startenden Passagierflugzeuges. Dieser Pegel tritt nur auf, bei maximaler Gebläseleistung, also beim Vorspannen von 4 mm Glas. Doch der Schallschutz muss dafür ausgelegt sein, um die Betriebserlaubnis zu erhalten. Kann man sich in der Produktionsstätte noch mit zusätzlichen Hilfsmitteln wie Gehörschutz usw. behelfen, ist dies nach außen hin nicht möglich.

Je nach Ausweisung des Standortes (Gewerbegebiet; Mischgebiet oder Wohngebiet) gibt es festgelegte Schallpegel, die an der Grundstücksgrenze eingehalten werden müssen. Bei Überschreiten derselben drohen empfindliche Strafen, bis hin zur Abschaltung der Anlage.

Da die ESG-Anlage Außenluft ansaugt (bis zu 40 oder 50 m³ pro Sekunde), müssen auch die entsprechenden Öffnungen nach außen vorhanden sein. Und durch diese dringt dann auch Schall nach außen. Die Öffnungen müssen also entsprechend gedämmt werden, um die Schallpegel an der Grundstücksgrenze unterhalb des maximal zulässigen Wertes zu halten. Je näher die Anlage bzw. der Gebläseraum zum nächsten Nachbarn steht, desto aufwendiger sind die Schallschutzmaßnahmen. Hier kann eine intelligente Wahl des Aufstellungsorts helfen, viel Geld einzusparen und Ärger zu vermeiden.

Ausblick

Im Vorfeld der Anschaffung einer ESG-Anlage gilt es für den Verarbeiter, eine ganze Reihe von Anforderungen zu berücksichtigen, die weit über die reine Anschaffung des ESG-Ofens hinausgeht. Hierbei entstehen – auf den ersten Blick nicht ersichtliche – Kosten, die sich stark ausweiten können, wenn etwas nicht bedacht wurde. Es lohnt auf alle Fälle, im Vorfeld der Planung einen Fachberater hinzuzuziehen. —

Halle 12, Stand D51

Rechenbeispiel Kantenbearbeitung pro Ofenschicht

Kantenbearbeitung in Mischproduktion: Nimmt man an, dass bei den 31 Glastafeln der Anteil

an gesäumter Kante zu geschliffener Kante 40 zu 60 % beträgt, müssen bei diesem Produktmix ca. 166 x 4 = 664 m Kante gesäumt und 249 x 4 = 996 m Kante geschliffen werden.

Die 664 m gesäumten Kanten lassen sich problemlos mit zwei Kreuzbändern pro Schicht säumen.

Bleiben noch 996 m Kanten, die geschliffen werden müssen. Bei einem durchschnittlichen Vorschub beim Schleifen von ca. 2 m/min auf einer vertikalen Kantenschleifmaschine bedeutet das eine reine Schleifzeit von 8,3 Stunden.

Bei einer doppelseitigen Schleifmaschine sind es immerhin noch 4,15 Stunden reine Schleifzeit. Dies berücksichtigt nicht Zeiten für Handling, Einstellen (Verfahren beim Doppelseiter), Abnehmen usw.

Der Autor

Hermann Frey war über 12 Jahre als Niederlassungsleiter der Tamglass GmbH in Deutschland sowie drei Jahre als Verkaufsleiter bei der Bystronic Maschinen AG, Bützberg, tätig. Seit 2007 ist er selbstständiger Berater in der Glasindustrie.

Hermann Frey ist auch Deutschland-Vertreter des ESG-Anlagenherstellers Landglass, China, und des chinesischen VSG-Anlagenherstellers Handong (http://www.szhdglass.com).

freyhermann@t-online.de

https://www.landglass.com/

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ Glaswelt E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
+ Fokus GW: Sonderhefte (PDF)
+ Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten
uvm.

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen

Tags