Die ökologischen Eigenschaften von Gebäuden werden durch unterschiedliche Parameter bestimmt und im Wesentlichen in zwei Richtungen beeinflusst: durch ihren Rohstoffverbrauch und durch die Emissionen (aus Herstellung und Nutzung von Produkten/Bauelementen).
Um eine Systemstabilität zu erreichen, gehen daher heute die gesellschaftliche Bestrebungen dahin, Rohstoffe zu bevorzugen, die die Natur in möglichst kurzer Zeit reproduzieren kann. Weiter versucht man solche Emissionen zu vermeiden, die schwer abzubauen sind (wie z.B. FCKW).
Rohstoffe, die einen langen Reproduktionszyklus erfordern, wie Öl oder Kohle, werden als nicht erneuerbare Ressourcen eingestuft. Die Entnahme dieser Rohstoffe kann über die Menge Primärenergie vergleichbar erfasst werden. In unseren Baustoffen ist die aufgewandte Energie für die vorgelagerten Prozesse gebunden. Diese Energiemenge ist einem Baustoff nicht anzusehen und wird daher „Graue Energie“ genannt.
Graue Energie ist ein Begriff, der im Detail unterschiedlich benutzt wird1. Grundsätzlich umfasst der Begriff die Menge an nicht erneuerbarer Primärenergie, die zur Erstellung eines Produktes aufgewandt wird.
Die Menge Grauer Energie bezieht sich auf die Lebensphasen eines Produktes: Herstellung, Instandsetzungs- oder Nutzungsphase und das Lebenszyklusende oder auch End of Life genannt. Eine ganzheitliche Betrachtung umfasst alle Phasen. Die Methode zur Quantifizierung ökologischer Eigenschaften nennt sich Ökobilanz (nach DIN ISO 14040 und DIN 14044).
Das Ergebnis einer Ökobilanz weist Indikatoren für den Grad an Umweltbeeinflussung aus. Graue Energie ist einer der am häufigsten eingesetzten Faktoren. Stellt man Betriebsenergie und Graue Energie gegenüber, wirkt sich die Konstruktion wesentlich auf die Verteilung dieser beiden Faktoren aus. In einer vereinfachten Darstellung lässt sich ausdrücken, dass die in der Substanz gebundene Energie eines massiven Gebäudes etwa dem Betrieb von 30 Jahren mit EnEV 2007 Standard entspricht.
Grundsätzlich gilt, je mehr Graue Energie in einem Produkt gebunden ist, desto höher ist die Umweltbeeinflussung oder der „ökologische Rucksack“.
Graue Energie in Bauprodukten
Die im Material gebundene Energiemenge entsteht durch die Prozesse, die zur Herstellung eines Produkts notwendig sind. Der Rohstoffabbau, sowie der Transport zur Aufbereitungsstätte und vor allem die Verarbeitung selbst, sind prägende Parameter. Mit hohem Aufwand für Aufbereitung entsteht ein großer Bedarf an Energie. Je weniger energieintensive Verarbeitungsschritte (und je kürzer die Transportdistanzen sind), desto weniger Energie wird verbraucht.
Mit steigender Anzahl der Arbeitsschritte nimmt auch die verbrauchte Energiemenge zu. Ein typischer energieintensiver Schritt ist das Bereithalten von hohen Temperaturen. Hier müssen Brennstoffe eingesetzt werden, die durch den Verbrauch von meist nicht erneuerbaren Rohstoffen und die Abgabe von Emissionen eine hohe Belastung für die Umwelt darstellen. Anhand dieser Faktoren kann jedem Baustoff ein Wert an Grauer Energie zugeordnet werden (Bild 1).
Öffentliche Quelle für diese ökologischen Informationen ist die vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung verbreitete Ökobau.dat oder ähnliche Formate, ebenfalls erhältlich auf https://www.nachhaltigesbauen.de/.
Eine weitere Möglichkeit bietet das Institut für Bau und Umwelt (ibu), welches die Umwelt-Produktdeklarationen (= Environmental Product Declarationen = EPD) frei zugänglich anbietet auf https://ibu-epd.com/.
Diese EPDs weisen neben den herkömmlichen Produkteigenschaften die quantifizierten ökologischen Eigenschaften aus.
Bild 1 zeigt die Graue Energie für unterschiedliche Materialien unterteilt in die fünf Produktgruppen: mineralische Baustoffe (grau), Holzprodukte (grün), Metalle (schwarz), Kunststoffe (rot) und Dämmstoffe (gelb). Diese Auswertung bezieht sich auf ein Kilogramm Material. Mineralische Baustoffe binden die geringste Menge an Grauer Energie (0,2 bis 6 MJ/kg mit Ausnahme von Glas) gefolgt von Holzwerkstoffen (1 bis 20 MJ/kg). Metalle (15 bis 150 MJ/kg) und Kunststoffe (20 bis 140 MJ/kg) weisen die höchsten Werte aus.
Auch Glas verbraucht viel Energie bei seiner Erzeugung. Dämmstoffe unterteilen sich in mineralisch- und kunststoffbasierte Produkte. Mineralisch basierte binden tendenziell weniger Graue Energie als Kunststoff basierte.
Energieverbrauch am Beispiel von Aluminium
Betrachtet man Baustoffe genauer, wird die Zusammensetzung der Grauen Energie deutlich. Beispiel: Die Aluminiumproduktion etwa erfordert einen hohen Einsatz von Energieträgern für die Umwandlung von Bauxit zu Tonerde. Das Aussondern des reinen Aluminiums erfolgt über einen elektrischen Prozess, bei dem die eigentliche Schmelztemperatur des Metalls von 2050°C unter Zugabe von Kryolith auf 950°C herabgesetzt wird.
Dadurch kann sich das reine Aluminium im unteren Bereich des Beckens sammeln und herausbefördert werden. Die Elektrolyse erfordert hohe Mengen elektrischer Energie, die dann im Produkt gebunden sind. Da Strom im Gegensatz zum direkten Einsatz von Primärenergieträgern genutzt werden muss, beeinflussen die Umwandlungsverluste von Primärrohstoff bis zum Produkt Strom die Bilanz erheblich. Aluminium bindet etwa 150 MJ Energie für die Herstellung von 1 kg Metall. Dies gilt für die Erstellung aus primären Rohstoffen.
Werden jedoch (Recycling-)Bauteile, die bereits verbaut wurden und ihre Nutzungsphase beendet haben (Bild 2), in den Produktionsprozess mit eingebunden reduziert sich der Energieaufwand massiv: Es entfallen die Tonerdegewinnung sowie die Schmelzflusselektrolyse, da das rückgeführte Produkt bereits aus reinem Aluminium besteht. Bei der Planung eines Aluminiumbauteils sollte daher die Rückbaufähigkeit beachtet werden, um eine möglichst hohe Rückführungsquote zu erreichen. Auf diese Weise können primäre Ressourcen geschützt und die Erzeugung von Emissionen reduziert werden.
Dichte, schwere Rohstoffe binden mehr Energie
Glas gehört zu der Gruppe der mineralischen Baustoffe und stellt in dieser den Maximalwert für Graue Energie. Hier werden etwa 18 MJ pro Kilogramm gebunden. Die dauerhafte Bereitstellung hoher Temperaturen zur Glasschmelze erfordert den Einsatz von großen Ressourcenmengen (Bild 3).
Ein ökologischer Vergleich verknüpft die Masse eines Bauprodukts mit der Menge an Grauer Energie. Dementsprechend binden schwere (Gebäude-)Konstruktionen größere Mengen an Grauer Energie. Bei Materialien wie Glas, mit einer Rohdichte von 2200 bis 2400 kg/m3, wirkt sich die Glasdicke erheblich aus.
Während bei 10 mm Glas etwa 430 MJ/m2 gebunden werden, veranderthalbfacht sich der Wert proportional mit dem Einsatz einer weiteren Glasschicht (645 MJ/m2). Zum Vergleich: Eine 36 cm starke Porenbetonwand bindet 720 MJ/m2, eine massive Ziegelwand in der Stärke etwa 920 MJ/m2 und ein Holzständerwerk mit hinterlüfteter Fassade etwa 700 MJ/m2. Mit zunehmender Glasfläche steigt der Einfluss des Mehreinsatzes und sollte dem Beitrag zur Senkung der Betriebsenergie gegenübergestellt werden.
Konsequenzen für die Planung
Die Graue Energie eines Baustoffs gibt Auskunft über dessen ökologische Eigenschaften. Mit der Ökobilanz ist eine Quantifizierung der ökologischen Eigenschaften möglich. Die Gegenüberstellung von Materialen stellt eine erste Annäherung dar, kann aber keine Grundlage für die konkrete Planungsentscheidung sein. Kein Werkstoff ist von sich aus nachhaltig. Erst der funktionale Einsatz im Gebäudekontext beeinflusst den Grad an Nachhaltigkeit.
Mit der Einbeziehung der Gebäudesubstanz als ökologisches Potenzial erfahren bereits bekannte Planungsaspekte neue Relevanz. Bereits in der Planungsphase sollte nur so viel Material eingesetzt werden, wie es unter technisch funktionalen sowie architektonisch gestalterischen Aspekten Sinn macht. Die Veränderung besteht hier im stärkeren Hinterfragen und klarer Argumentation für einen Mehraufwand an eingesetzten Materialien und Arbeitsleistung.
Zusätzlich definiert die Berücksichtigung der Grauen Energie konstruktive Anforderungen, die erst am Lebenszyklusende ihre Wirkung zeigen. In der Planungsphase wird nicht nur über die Menge der Produkte entschieden, sondern auch wie verschiedene Materialien aneinander gefügt werden. Diese Fügung definiert die Menge an rückführbaren Material und damit beeinflusst es das Volumen an primären Rohstoffen, die für den folgenden Produktkreislauf aufgewendet werden müssen.
In der Planungsphase sollte die Art der Fügung so gewählt werden, dass Materialen für spätere Produktkreisläufe nutzbar sind und auf diese Weise ihr Potenzial optimal ausschöpfen und zur Reduzierung des Umwelteinflusses durch die Bauindustrie beitragen.
Ausblick
Um die Lebenszyklen von Bauteilen zu optimieren, sollten Bauelemente leicht zu recyclen sein, um sie so einfach wieder dem Rohstoffkreislauf zuführen zu können. Dazu zählt am Beispiel Fassade u.a. die einfache und schnelle Demontierbarkeit der einzelnen Fenster-/Fassadenelemente.
Bauelemente mit weniger Einzelbauteilen erfordern einen verringerten Montageaufwand in der Fertigung und tragen so dazu bei, den Gehalt an gebundener Grauer Energie zu senken.
Weiter wird dies durch vereinfachte Herstellungs- und Veredlungsschritte unterstützt. Diese senken neben dem verringerten Energieaufwand wiederum die Herstellungskosten aufgrund der Prozessoptimierung durch den geringeren Herstellungsaufwand. Zudem kann die Reduzierung der aufgewendeten Energie als Verkaufsargument für Hersteller dienen, um sich im Wettbewerb mit den ökologischen Qualitäten ihrer Bauelemente zu positionieren.
Unser großes gesellschaftliches Ziel muss es sein, den Verbrauch von Primärrohstoffen und Energie verstärkt zu minimieren. Dazu können Bauelemente und ihre Herstellung einen wichtigen Beitrag beisteuern. —
Referenzen
Classen, M. and H.-J. Althaus (2004). Graue Energie von Bauprodukten aus Aluminium unter Berücksichtigung der wertkorrigierten Substitution. Dubendorf, Eidgenössische Materialprufungs- und Forschungsanstalt EMPA.
Kasser, U. and M. Pöll (2003). Graue Energie von Baustoffen. St. Gallen, Econum GmbH.
1 (vgl. KEA nach VDI Richtlinie 4600 und Econum (Kasser and Pöll 2003), diskutiert z. B. in Classen and Althaus 2004
Referenzen Classen, M. and H.-J. Althaus (2004). Graue Energie von Bauprodukten aus Aluminium unter Berücksichtigung der wertkorrigierten Substitution. Dübendorf, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA. Kasser, U. and M. Pöll (2003). Graue Energie von Baustoffen. St. Gallen, Econum GmbH.
Das bedeutet Graue Energie
„Graue Energie“ benennt die Menge an Energie, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines (Bau-)Produkts benötigt wird. Dabei werden alle Vorprodukte bis hin zur Rohstoffgewinnung berücksichtigt und der Energieeinsatz aller angewandten Produktionsprozesse addiert.
Wenn zur Herstellung eines Produkts Maschinen oder Infrastruktur-Einrichtungen notwendig sind, wird üblicherweise auch der Energiebedarf für deren Herstellung und Instandhaltung anteilig in die Graue Energie des Endprodukts eingerechnet.
Für die Herstellung – z.B. von Bauelementen – wird die Einsparung an Grauer Energie in der Produktion künftig ein immer wichtigerer Faktor bei der Optimierung der Fertigungsabläufe.