Die Mahn- und Gedenkstätte Ahlem erinnert an die Juden aus der Region Hannover, die zwischen 1941 und 1944 deportiert wurden sowie an die Gestapo-Häftlinge, die dort seit 1943 inhaftiert waren. Grundlage für die Umbau- und Erweiterungsplanung ist das Ergebnis eines Architekten- und Gestaltungswettbewerbs, der die Bereiche Ausstellungsgestaltung und Sanierung bzw. Ausbau des denkmalgeschützten Direktorenhauses behandelt.
Seit dem Winter 2012/13 wird auf der Basis des Siegerentwurfs von Ahrens Grabenhorst, Architekten Hannover, an der Planung gearbeitet. Mit regionaler und bundesdeutscher Förderung wird das Projekt realisiert und erhält durch die Beteiligung des Klimaschutzfonds proKlima zusätzlich einen energetischen Schwerpunkt.
Bei proKlima handelt es sich um einen 1998 gegründeten Klimaschutzfonds, der durch die Städte Hannover, Hemmingen, Laatzen, Langenhagen, Ronnenberg und Seelze sowie die Stadtwerke Hannover AG (enercity) finanziert wird. Mit einem jährlichen Fondsvolumen von 4,4 Mio. Euro werden nach festgelegten Kriterien Maßnahmen zur CO2-Effizienz, zur absoluten CO2-Reduzierung, mit Multiplikatorwirkung und hohem Innovationsgrad gefördert.
Bei der Sanierung der Gedenkstätte Ahlem steht der Schutz des Denkmals im Vordergrund. Mit dem Umfang der geplanten Maßnahmen werden in einem ganzheitlichen Planungsteam zudem auch die energetischen Fragestellungen diskutiert sowie Lösungen für einen zeitgemäßen sommerlichen und winterlichen Wärmeschutz erarbeitet.
Die Förderbedingungen von proKlima sehen die Verwendung von Passivhauskomponenten vor, die im Rahmen der Planungen bauphysikalisch und technisch bewertet werden. Für das zukünftige neue Eingangsgebäude mit einer Nutzfläche von ca. 400 m2, das neben dem Direktorenhaus errichtet wird, ist dieser Passivhaus-Standard ohnehin gesetzt. Bei der Modernisierung des Altbaus liegt der Sanierungsfokus auf der Innendämmung und dem Austausch der transparenten Bauteile. Nach energetischer Betrachtung und wirtschaftlicher Bewertung kommen Fenster mit 3-Scheibenverglasung zum Einsatz, deren Glas einen U-Wert von 0,8 W/m2K gemäß Förderbedingungen nicht überschreiten darf.
Keine Förderung ohne 3-fach-ISO
Gefördert wird die Sanierung der Gedenkstätte durch proKlima, wenn Passivhauskomponenten verwendet werden. In Verbindung mit der geplanten Sprosseneinteilung mit sechs Einzelscheiben (mit entsprechend hohen Randverbundanteilen) und der schmalen Rahmenbreite, die sich am historischen Vorbild orientieren, fällt der energetische Vorteil zu einer Variante mit Zweischeibenverglasung moderat aus (UW = 1,34 zu 1,12 W/m2K).
Die Entscheidung ist unbedingt in Abhängigkeit von den Investitionskosten zu fällen, insbesondere dann, wenn zusätzliche Anforderungen, wie z.B. Teilungen oder eine Vielzahl an Öffnungsflügeln, den Preis erhöhen. Im gesamtwirtschaftlichen Rahmen und unter energetischen Aspekten wäre auch eine 2-fach-Verglasung argumentierbar gewesen (bei vielen Renovierungen stellt sich mit 3-fach-ISO kein ökonomischer Vorteil ein).
Im vorliegenden Beispiel wurden jedoch aufgrund des Denkmalschutzes die Fensterrahmen aus Holz und die bestmögliche Glasqualität gefordert. Für einen optimierten g-Wert waren dabei farbneutale Weißgläser nötig.
Bei der ganzheitlichen Bilanzierung nach Energieeinsparverordnung, die alle Wärmeverlustflächen wie das Dach, die Außenwände und die Bodenplatte berücksichtigt, ergibt sich durch den Einsatz einer 3-fach-Isolierverglasung eine Einsparung von ca. 6,5%. Mit Bezug auf die erwartete Nutzungszeit von über 30 Jahren fiel die Entscheidung zugunsten der höherwertigeren Verglasung.
Regelmäßige Bauüberwachung
Durch den Einbau einer Innendämmung können die Wärmeverluste über die Außenwand deutlich reduziert werden. 10 cm Calciumsilikat verbessern den Durchgangskoeffizienten von ca. 1,2 bis 1,5 W/m2K auf EnEV konforme 0,35. Damit werden bauphysikalische Probleme durch den Austausch der Fenster vermieden.
Im Laibungsbereich wird ebenfalls eine Dämmebene ergänzt, die konstruktiv auf 3 cm begrenzt ist. Der Nachweis, der zur Vermeidung von Bauschäden erforderlichen Oberflächentemperaturen auf den Innenseite der Außenwand erfolgt durch Wärmebrückenberechnungsprogramme. 12,6 °C als Grenztemperatur werden nicht unterschritten. In Verbindung mit winddichten Anschlüssen lässt sich in Summe die energetische Qualität der Gebäudehülle entscheidend verbessern.
Die sorgfältige Umsetzung der planerischen Vorgaben wird durch das Qualitätssicherungsbüro energydesign braunschweig regelmäßig überwacht und dokumentiert. Eine Forderung, die im Förderbescheid von proKlima verankert ist.
Die Sicherung der Qualität schließt die Begutachtung des Einbaus der Gebäudetechnik mit ein. Die lufthygienischen Qualitäten im sanierten Altbau werden durch eine kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung gewährleistet. In Abhängigkeit von der Besucherzahl und der Auslastung lassen sich die Luftwechsel regulieren und sorgen für einen regelmäßigen, nutzungsspezifischen Austausch.
Mit den neuen Fenstern, der kontrollierten Lüftung mit Wärmerückgewinnung und der Dachdämmung werden die geforderten passivhaustauglichen Komponenten umgesetzt und das Gebäude beispielhaft saniert. Um dem gewünschten Nutzerkomfort zu entsprechen, ist eine Fensterlüftung jederzeit möglich. Die Abstimmung der jeweiligen Qualitäten sowie die konzeptionelle Auslegung der Lüftungsanlage erfolgt auf der Basis von Wärmebedarfsberechnungen und einer Bewertung nach Passivhausprojektierungspaket (PHPP).
Aus den Ergebnissen der Fachplanung werden die Vorgaben für die Ausschreibung der Fenster abgeleitet. Energydesign braunschweig wird im Rahmen einer Qualitätssicherung die Einhaltung der gesetzten Vorgaben in Planung und Realisierung überprüfen. —
Der Autor
Architekt Thomas Wilken ist der stellvertretende Lei-ter des Instituts für Gebäude- und Solartechnik der TU Braunschweig.