Glaswelt – Herr Winters, mit der Konzernmutter Glen Raven bewegen Sie sich in Ihrem täglichen Arbeitsumfeld bei Dickson ja eigentlich weltweit im Kontext der Gebäudehülle. Sind die Unterschiede denn sehr groß zwischen den verschiedenen Ländern?
Peter Winters – Nein, überhaupt nicht, denn die Probleme sind überall die gleichen. Es geht immer um den Energieeintrag in Form von Wärme und Licht. Sicher gibt es je nach Region allein geografisch und klimatisch unterschiedliche Anforderungsprofile. Aber eines haben alle Länder weltweit gemeinsam: Die effiziente Steuerung von Tageslicht und den solaren Einträgen.
Glaswelt – Wo sehen Sie denn den Vorrang bei den technischen Lösungen? Ganz banal gefragt, was ist wichtiger, Fenster und Fassade oder der Sonnenschutz?
Winters – Auf solch eine Frage kann man keine pauschale Antwort geben – zu unterschiedlich sind da die Anforderungsprofile. Für jedes Gebäude gilt es eine individuelle, auf die Situation zugeschnittene Lösung zu finden, die letztlich auch noch in das Budget des Bauherrn passen muss. In der Regel kann man je nach Himmelsrichtung, unter Einhaltung der im jeweiligen Land bestehenden gesetzlichen oder behördlichen Anforderungen, an dem Thema Blend- oder Sonnenschutz ja gar nicht mehr vorbei. Deshalb muss aber trotzdem das Thema Fenster optimal gestaltet werden, um eine effektive Wärmedämmung des Gebäudes zu erreichen. Beim Zusammenwirken mit dem Sonnenschutz spielt deshalb das Thema Glas die größte Rolle. Nach der Welle der Sonnenschutzverglasungen ab den 80ern ist man in den letzten Jahren vielerorts zu der Erkenntis gekommen, dass die richtige Kombination aus Sonnenschutz und Glas mehr Sinn macht.
Glaswelt – Was sind denn die Treiber, dass sich solche Techniken durchsetzen?
Winters – In erster Linie sind das die Energie‑kosten, die sicherlich weltweit steigend, aber doch sehr unterschiedlich im Preisniveau sind. In vielen Ländern ist der Leidensdruck einfach nicht hoch genug, denn da wird einfach über die Klimaanlage gekühlt oder entsprechend mit Primärenergie geheizt. Hier werden sich die Themen Energieeffizienz nur langsam durchsetzen. Ein zweites Kriterium sind die Entstehungskosten für Gebäude. Investoren scheuen Investitionen in zu viel Technik und schaffen so vermeintlich günstige Bausubtanz, die den Käufer oder Mieter des Gebäudes im Laufe der Jahre böse bestraft, da der Energiebedarf dieser Gebäude meist unnötig hoch ist und auf die Jahre gesehen die Investitionskosten überflügelt. Wir wollen hier nachhaltig sein, sind es aber leider nicht. Das ist sicher aber auch ein weltpolitisches System, da viele Länder erst mal einen gewissen Gebäudebestand schaffen müssen und z. B. gegenüber Mitteleuropa um Jahrzehnte zurückliegen.
Glaswelt – Sie haben eben das Thema Tageslichttechnik erwähnt, wo ist hier der Einspareffekt zu sehen?
Winters – Für einen hohen Tageslichtanteil sprechen gleich zwei wesentliche Aspekte. Zum einnen ist das die Reduzierung von Kunstlichtanteilen, die vielerorts auch am Tag notwendig sind, um z. B. Arbeitsplätze ausreichend zu beleuchten und damit auch den Energieverbrauch eines Gebäudes erhöhen. Zum anderen, und das ist der maßgebliche Effekt, reagiert der Mensch sehr positiv auf Tageslicht. Früher haben die Menschen ca. 90 Prozent ihrer Arbeitszeit draußen verbracht, heute sind es annähernd 90 Prozent unserer Zeit, die wir in Gebäuden verbringen. Die Leistungsfähigkeit sinkt wissenschaftlich nachgewiesen mit der Reduzierung des Tageslichtes. Also was liegt näher, als das Tageslicht in die Räume zu bringen. Und zudem, Licht als Energieträger steht tagsüber in nahezu unbegrenzter Menge zur Verfügung. Man denke alleine an die Nutzung von diffusem Licht, das auch dann zur Verfügung steht, wenn die Sonne mal nicht am Himmel scheint.
Glaswelt – Spielt der Sonnenschutz im Gesamtkontext Gebäudehülle die wichtigere Rolle?
Winters – Auch wenn ich hier den Part Sonnenschutz vertrete, muss ich mit einem klaren Nein antworten. Glas, Fenster und Fassaden müssen zusammen optimal gestaltet werden. Entscheidend ist die Kombination mit dem Sonnenschutz. Denn das kann auf natürliche Weise, z. B. durch Bäume geschehen oder durch bauliche Maßnahmen, wie die Ausrichtung des Gebäudes bzw. Überhänge etc.. Auch die technischen Lösungen sind vielfältig. Vom Sonnenschutzglas bei hohen Gebäuden, den mechanischen Lösungen oder ersten Ansätzen, bei denen der Sonnenschutz ins Glas integriert wird, ist alles möglich. Heute und in naher Zukunft wird der mechanische Sonnenschutz und low-e Beschichtungen die optimale Lösung darstellen – am besten dann, wenn er automatisch gesteuert wird.—
Die Fragen stellte GLASWELT Redakteur Olaf Vögele auf der internationalen Pressekonferenz der R+T in Istanbul.