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Interview mit Dr. Bernd-Holger Zippe

“Die Chinesen darf man nicht unterschätzen!“

Glaswelt – Welche Glasprodukte sehen Sie bei uns aktuell auf dem Vormarsch?

Dr. Bernd-Holger Zippe – Generell sind Gläser für Gebäudehülle und Interieur gefragt, die mit optimierten oder neuen Funktionalitäten mehr leisten. Neben Wärme-, Sonnen- und Schallschutz und Sicherheit gewinnen zunehmend Beleuchtung im Glas und Designaspekte an Bedeutung. Weitere Wachstumsmärkte sehe ich bei Dünngläsern (< 3 mm) in unterschiedlichen Veredlungsstufen für Isolierglas sowie bei technischen Dünngläsern für Displays, Smartphones, Beleuchtung und in planen und gebogenen Anwendungen.

Glaswelt – Können Sie unseren Lesern zur glasstec schon einige Empfehlungen aussprechen, was diese unbedingt ansehen sollen?

Dr. Zippe – Wer sich für Maschinen interessiert, sollte die Hersteller in den Hallen 11 bis 17 besuchen. Mehr als die Hälfte der gesamten Ausstellungsfläche steht als Demonstrationsfläche für Maschinen, Geräte und Komponenten zur Verfügung. Es gibt viele Live-Vorführungen – die sind besser als jeder Prospekt oder jedes Video. Spannend ist die Sonderschau „glass technology live (gtl)”. Dort kann man wirklich in die Zukunft schauen und sehen, was Glas alles noch leisten kann. In der gtl organisiert der VDMA am 22. Oktober ein Symposium über Produktionstechnik für die Herstellung und Veredlung von Glas mit einem Schwerpunkt Qualitäts- und Prozesskontrolle. Wir laden alle Besucher herzlich ein, dort vorbeizuschauen.

Glaswelt – Was macht die Hersteller aus Deutschland wettbewerbsfähig?

Dr. Zippe – Unsere Unternehmen sind innovationsstark. Ich denke hier an neue Glasanwendungen, beispielsweise im Bereich Dünnglas und bei Mehrfachisoliergläsern mit Dünnglas-Aufbauten.

Auf der Maschinenseite gewinnt für die Anbieter das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung. Unter dem Label „Blue Competence“ zeigen wir auf der glasstec zukunftsorientierte Lösungen für alle Ebenen der Wertschöpfungskette. Im Fokus der hiesigen Maschinenbauer steht die Energie- und Ressourceneffizienz für die Fertigungsbetriebe, sprich Glasverarbeiter. Hier spielen die Lebenszykluskosten, die Kosteneffizienz und eine Steigerung der Ausbeute eine wichtige Rolle. Hier sehe ich die hiesigen Glasmaschinenbauer überwiegend gesund aufgestellt.

Natürlich dürfen wir uns deshalb nicht zurücklehnen. Die Italiener waren, sind und werden auch weiterhin harte Wettbewerber bleiben, denn auch dort findet man viele innovative, flexible und kreative Firmen. Nichtsdestotrotz wird unser Hauptwettbewerber in der Zukunft aber China sein. Die chinesischen Firmen wachsen schnell, weil sie bei sich in ihrem eigenen Land eines riesigen Markts bedienen können.

Glaswelt – Können Sie das näher erläutern, welche Gefahr sehen Sie durch die asiatischen Wettbewerber, insbesondere durch China?

Dr. Zippe – China macht Druck. Auch deutsche Firmen fertigen in China oder kaufen dort ein, um einfach noch billiger zu sein. Ich sage bewusst billiger, nicht preiswerter, da die Qualität dort noch lang nicht die gleiche ist wie in Deutschland. Aber ein gewisser Wettbewerbsdruck ist da. Das sehen wir gerade auch in den Schwellenländern, wo sich unsere Unternehmen mit den chinesischen Wettbewerbern auseinandersetzen müssen. Ganz deutlich wird das am Beispiel von Indonesien, wo heute ein großer Teil der Zulieferung für die Glasindustrie inzwischen aus China kommt und nicht mehr nur aus Europa oder den USA, wie noch vor einigen Jahren.

Wenn chinesische Firmen dann ins Ausland gehen, spielt sich das immer nach einem festen Schema ab. Zuerst werden die umliegenden, meist weniger entwickelten Märkte bedient. Erst wenn sie dort Fuß gefasst und sich mit der internationalen Branche vertraut gemacht haben, expandieren die Chinesen in Länder wie Belgien, Spanien oder auch nach Deutschland. Sie kommen sozusagen von hinten herum in die Branchen herein. Die Chinesen darf man nicht unterschätzen.

Glaswelt – Was können die deutschen Hersteller tun, um den Chinesen Paroli zu bieten?

Dr. Zippe – Die Antwort ist relativ einfach. Sie gehen auch nach China. Einer meiner Wettbewerber hat sich gerade an einem chinesischen Mitbewerber beteiligt. Auch wir haben ein Unternehmen in China eröffnet, um uns dort besser zu positionieren und weiterhin dort verkaufen zu können. Der Druck aus China ist in vielen Bereichen spürbar, bei den Hightech-Anlagen und in Kerneuropa aber noch nicht so stark. Wir müssen uns jedoch darauf vorbereiten, dass auch das kommen wird.

Glaswelt – Was wünschen Sie der Branche?

Dr. Zippe – In vielen Glasherstellungs- und Veredelungsprozessen muss die Wertschöpfung deutlich verbessert werden, damit F&E nachhaltig betrieben werden kann und damit Investitionen in neue Technologien finanzierbar sind.—

Die Fragen stellte Matthias Rehberger.

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