Glaswelt – Warum entstehen aktuell in New York so viele neue Hochhaustürme?
Christoph Timm – Momentan haben wir hier einen sehr aktiven Wohnungsmarkt, der diese Entwicklung vorantreibt. Demgegenüber werden im Moment kaum Bürotürme erstellt. So entstehen sehr viele Wohntürme, wie der MoMa Tower oder der 220 Central Park South Tower, das höchste Wohngebäude in New York. Hier findet man auch die teuersten Wohnungen der Stadt mit Quadratmeterpreisen bis 60 000 Dollar. Wirklich! Dabei geht es um Investitionen, um Geld in Gebäuden zu parken. Die Wohnung wird zum Sammlerobjekt und ist reines Invest.
Glaswelt – Bei Wohnbauten denken wir in Deutschland in der Regel an Lochfassaden, ist das hier anders?
Timm – Ja, bei den angesprochenen Wohntürmen werden Fassaden wie für den Objektbau erstellt. Speziell in Manhattan sind das vielfach individuelle Fassaden mit ganz eigenen Details. Bei solchen Türmen arbeiten wir eng mit Fassadenspezialisten wie Gartner und Permasteelisa und anderen bekannten Herstellern zusammen. Mit diesen Firmen entwickeln wir auch oft gemeinsam die Fassadendetails. So enstehen immer wieder neue Variationen bei den Details.
Glaswelt – Wo sehen Sie aktuell Fassadentrends?
Timm – Momentan gibt es einen Trend hin zu unbeschichteten Materialien, also weg von einer Farbigkeit, die aufgebracht wird. Wir sprechen hier von „ehrlichen“ Materialien. Zudem sehen wir in Fassaden einen zunehmenden Mix von transparenten und opaken Fassadengläsern. Solche Kombinationen werden immer häufiger von den Architekten gefordert. Und weiter richtet sich der Fokus auf gebogene Scheiben, das ist ein nach wie vor starker Trend.
Glaswelt – Wie sieht es mit der geforderten Glasqualität für solche Fassaden aus?
Timm – Fassadengläser mit einer guten Performance, wie sie in Deutschland heute Standard sind, gibt es hier nur bei vereinzelten Projekten. Das steckt in den USA noch in den Kinderschuhen. Doch wir sehen auch hier Licht am Horizont (lacht). So wird der neue MoMA Tower aktuell mit 3-fach-Isoliergläsern ausgestattet.
Glaswelt – Wie entwickeln sich die Glasformate?
Timm – Es werden heute immer mehr Gebäude mit übergroßen Formaten ausgestattet, gerade bei den Eingangs- und Sockelbereichen von (hohen) Bauwerken. Hier werden durchaus Gläser bis zu Größen von 15 oder 18 m Länge gewünscht. Diese großformatigen Scheiben kommen insbesondere bei markanten Referenzgebäuden zum Einsatz. Bei der Fertigung solcher Gläser liegt Europa weit vorne, insbesondere Deutschland, aber auch China liefert solche Scheiben in hoher Qualität. Wenn wir solche Übergrößen einbauen möchten, stehen wir in engem Kontakt unter anderem mit Interpane, die hier in New York eine Reihe von Türmen ausgestattet haben.
Glaswelt – Wo liegen die größten Unterschiede beim Bauen zwischen den USA und Europa?
Timm – In den USA fehlt vielfach das Handwerk, das auf einer fundierten, soliden Ausbildung gründet. Wir haben hier zwar auch gute Handwerker, aber nicht in der Breite wie in Europa. Gerade das duale System in Deutschland ist eine sehr gute Basis für eine hohe Qualität. Das sollte weiter gefördert werden.
Glaswelt – Was schätzen Sie an den Anbietern aus Deutschland?
Timm – Wir schätzen den umfassenden Service sowie auch die Bereitschaft der deutschen Unternehmen, neue Herausforderungen anzugehen, sowie das daraus folgende Engineering in der Umsetzung. Anbieter, die solche Anforderungen als Herausforderung sehen, um die bestmögliche Lösung zu finden und umzusetzen, findet man vor allem in Europa.
Die Unternehmen in den USA sehen zuallererst einmal die möglichen Risiken, wenn man neue Wege gehen will, und sind deshalb nicht so stark motiviert. Deshalb arbeiten wir gerne mit Europäern.—
Das Gespräch führte Matthias Rehberger
Zur Person
Christoph Timm ist Associate Director im berühmten New Yorker Architekturbüro Skidmore, Owings & Merrill (SOM). Er war maßgeblich bei der Planung und Gestaltung der Verglasungen des Sockelbereiches von Tower 1 des New World Trade Centers in Manhattan beteiligt.