Glaswelt – Welches ist für Sie als Architekt die wichtigste Funktion des Fensters?
Michael Diederich – Die Transparenz und der maximale Transport des natürlichen Lichts in den Innenraum. Gleichzeitig geht es darum, Ausblicke zu schaffen und von innen das Außen erlebbar zu machen. Das Fenster ist ein wunderbares Bauelement, es ist das trennende, schützende Element zwischen Innen- und Außenraum, und gleichzeitig das Verbindende, da es sich öffnen lässt. Das macht es als Bauteil so einzigartig. Dabei ist das Fenster ein Teil eines Ganzen, sprich der Gebäudehülle, und muss als solches zu erkennen sein.
Glaswelt – Ist das Fenster für Sie eher ein Bau- oder ein Gestaltungselement?
Diederich – Es ist beides. Man kann mit Fenstern sehr gut gestalten, hat aber eine klar definierte Funktion zu erfüllen: das Bauwerk abzuschließen, es dicht zu machen vor der Witterung und vor ungebetenen Gästen zu schützen. Auf der Außenseite wünscht man sich beständige Materialien. Holz-Alu-Fenster sind hier für unser Verständnis ein sehr guter Weg, gleichermaßen die Funktion und die Gestaltung in einem Bauelement zu vereinen. Man muss sich als Planer dabei aber immer die Zeit nehmen, dem Handwerker seine Gestaltungsidee zu erklären und was dahintersteckt. Wenn das funktioniert, stehen nach meiner Erfahrung die Handwerker dahinter und versuchen ihr Bestes bei der Umsetzung zu geben.
Glaswelt – Und wie setzen Sie Ihre Ideen zusammen mit dem Fensterbauer um?
Diederich – Gemeinsam mit dem Handwerker prüfen und untersuchen wir sehr früh in der Entwurfsphase die Machbarkeit der gewünschten Fenster- und Türelemente. Da Fenster und Gläser immer größer werden, spielt das Gewicht eine maßgebliche Rolle. Deshalb prüfen wir die Befestigungspunkte auch im Hinblick auf Wärmebrücken. Gerade sehr große Elemente machen den Einbau schwieriger, komplexer. Durch das gemeinsame Abwägen ist gewährleistet, dass alle das gleiche Ziel verfolgen und keine Missverständnisse entstehen. Kommen spezielle Formen und Formate sowie Sondergläser hinzu, muss noch der Isolierglashersteller mit an den Tisch.
Glaswelt – Welche Rolle spielen bei der Gestaltung für Sie Material, Oberfläche und Farbe?
Diederich – Wir begreifen die Fenster als Teil der Fassade. Die Fensterfarbe dient somit der Fassadengestaltung. Das Material und die Oberfläche sind für die Gestaltung die wichtigsten Elemente in Kombination mit den Beschlägen und den Griffen. Gerade über Holz auf der Innenseite wird das Fenster zu einem Teil des Innenraums. Es hat somit mehr die Funktion eines Möbels. Dabei sind die Details relevant. Diese sollten die anderen Elemente im Innenraum harmonisch ergänzen. Es geht nicht, dass man am Fenster 08/15 Griffe hat, während die Innentür mit einem Designbeschlag versehen ist. Hierbei kann man als Planer mit verschiedenen Elementen gestalten. Nehmen Sie ein weißes PVC-Fenster, dessen Glashalteleisten innen nicht weiß, sondern aus Alu sind. Der Rahmen wirkt damit schlanker und durch das Metall bekommt es eine ganz eigene Eleganz.
Glaswelt – Was erwarten sich Ihre Bauherren von neuen Fenstern?
Diederich – Viel. Gerade, wenn es sich um hochwertige Systeme handelt. Sie wollen gut funktionierende Fenster, die leicht öffnen und schließen sowie optisch ansprechende Griffe und Bänder. Weiter wollen fast alle Bauherren Einbruchsicherheit. Dazu kommen die Behaglichkeit und Dichtigkeit, inklusive Wärmeschutz. Weiter spielt die leichte Reinigung eine Rolle. Und diese beeinflusst wiederum die Gliederung des Fensters.
Glaswelt – Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, wie sieht dann Ihr Ideal-Fenster aus?
Diederich – Mein Wunsch-Fenster soll einfach sein. Ein hoch funktionales Bauelement mit reduziertem Erscheinungsbild, d.h. mit minimiertem Rahmenanteil und leichten Gläsern.
Die heute gängigen Konstruktionen sind ausgereift, sie können sich kaum grundlegend weiterentwickeln. Wir brauchen ganz neue Ansätze und Strategien, etwa leichte 2-fach-Scheiben, in die Gel eingebettet ist, das Wärmeschutz und Sichtschutz übernehmen kann und zudem noch als Projektionsfläche oder Bildschirm dient.Ein weiterer Ansatz wären vielleicht GFK-Elemente (glasfaserverstärkter Kunststoff), wenn die Frage nach dem Recycling sowie der Befestigung großer Elemente hinreichend geklärt wäre. Vielleicht sind neue Verbundwerkstoffe, u. a. mit Glasfaser für die Konstruktion und in Kombination mit innen aufgeklickten Holzverkleidungen, weitere vielversprechende Ansätze.Mit Blick auf 2020, wenn alle Fenster im Neubau Passivhausstandard entsprechen sollen, kommt mir als Gestalter das große Grausen: Alleine, wenn ich an die Rahmenbreiten und die Gewichte denke. Hier braucht es pragmatische Lösungen, die alle Beteiligten zufrieden stellen, Bauherren und Planer sowie die Handwerker. Vor diesem Hintergrund denke ich ist die Entwicklung beim Fenster noch lange nicht abgeschlossen und es steht uns noch ein steiniger Weg bevor. —
Das Gespräch führte Matthias Rehberger, der Chefredakteur der GLASWELT.