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Im Interview mit Waldemar Dörr

“Wir sehen den Meistertitel für die Zukunft optimistisch“

Glaswelt – Seit 1. Juli ist die neue Meisterprüfungsordnung für Glaser in Kraft. Was hat sich geändert und warum wurde etwas geändert?

Waldemar Dörr – Geändert hat sich bei der neuen Meisterprüfungsverordnung insbesondere, dass im Teil 1 (Fachpraxis) ein größeres Spektrum an Auswahlmöglichkeiten für das Meisterprüfungsprojekt (Meisterstück) vorhanden ist und im Teil 2 (Fachtheorie) künftig in drei Handlungsfeldern die berufliche Handlungskompetenz abgeprüft wird. Das bedeutet, dass nicht mehr einzelne Fachgebiete abgefragt, sondern nach dem jeweiligen Handlungsfeld komplexe fallbezogene Aufgaben gestellt werden.

Da die letzte Meisterprüfungsverordnung kurz vor dem 40-jährigen Jubiläum stand, war es an der Zeit, diese Modernisierung vorzunehmen. So war es nun möglich, die aktuellen Anforderungen in die neue Meisterprüfungsverordnung zu integrieren.

Glaswelt – Wird mit der neuen Prüfungsordnung mehr Theorie abgefragt? Wurde beim Praxis-Teil der Ausbildung Abstriche gemacht?

Dörr – An der Vermittlung der grundsätzlichen theoretischen technischen Kompetenzen wird es keine wesentlichen Änderungen geben – da befinden wir uns auf einem hohen Niveau, von dem wir auf keinen Fall Abstriche zulassen. Im theoretischen Teil werden Erweiterungen insbesondere im Themenbereich der Betriebsführung und -organisation vorgenommen. Im Praxis-Teil wurden keine Abstriche gemacht. Es wird wie bisher ein Meisterstück geben, das nach der neuen Meisterprüfungsverordnung die Bezeichnung „Meisterprüfungsprojekt“ trägt. Genauso werden wie bisher Arbeitsproben erstellt, die zukünftig die Bezeichnung „Situationsaufgabe“ tragen. Erweitert wurde der Teil 1 um das Fachgespräch, welches nun eine Bewertung erfährt.

Glaswelt – Wurden mit der Novellierung der Meisterprüfungsordnung aus Ihrer Sicht die Ausbildung und der Meistertitel gestärkt? Wie stehen Sie persönlich zur Novellierung? Sind Ihre Reformvorstellungen umgesetzt worden?

Dörr – Politisch gesehen auf jeden Fall, denn der Meister ist nun in seiner Wertung auf die gleiche Stufe eines Bachelor-Studiums gestellt. Die Novellierung sehen wir als Chance für unser Handwerk. Sie bringt uns weitere Impulse, unserem Anspruch an eine qualitativ hochwertige Meisterausbildung gerecht zu bleiben und die erforderlichen Veränderungen als Weiterentwicklung zu integrieren. Da wir in Karlsruhe bereits in den beiden letzten Jahren deutlich spürbare Veränderungen und Neustrukturierungen in der Meisterqualifizierung umgesetzt haben, sehen wir die neue Meisterprüfungsordnung als weitere Ergänzung unserer gesetzten Ziele. Einzelne Merkmale haben wir bereits integriert, sodass wir der Anpassung des Unterrichts sowie der Meisterprüfung selbst relativ entspannt entgegen sehen.

Glaswelt – Wie hat sich die Zahl der Glasermeister allgemein entwickelt? Und wie haben sich die Zahlen Ihrer Absolventen im Vergleich dessen dargestellt? Haben wir noch genügend Meister im Glaserhandwerk oder stirbt diese Form der Qualifizierung aus?

Dörr – Betrachten wir hier die letzten Jahre, sehen wir eine relativ stabile Situation. Die Zahlen der Meisterschüler/-innen sind in Relation zu den in Baden-Württemberg gleichbleibenden Ausbildungszahlen auf einem Niveau, das uns motiviert in die Zukunft blicken lässt. Von der Begrifflichkeit einer aussterbenden Art sind wir derzeit weit entfernt. Natürlich würden wir uns Absolventenzahlen wünschen, wie sie in den 1990er Jahren bei uns in den Meisterkursen zu verzeichnen waren, doch das ist einfach unrealistisch.

Was wir auf jeden Fall feststellen können: Unsere Veränderungen und Neustrukturierungen in der Meisterqualifizierung hinterlassen sehr deutliche Spuren. So konnten wir im aktuellen Meisterkurs einen unerwartet deutlichen Zuwachs verzeichnen. Das bestätigt unsere gesetzte Qualität in der Ausbildung, die vollumfänglich auf alle Inhalte des Glaserhandwerks ausgerichtet ist. Das bedeutet, dass wir insbesondere in allen technischen Themenbereichen um Glas, Fenster und Fassade das erforderliche Wissen vermitteln und – für uns wichtig – auch darüber hinaus.

Diesen Anspruch entwickeln wir kontinuierlich weiter, damit die Ausbildung zum Glasermeister bzw. zur Glasermeisterin ein Qualitätsmerkmal bleibt, auf welches wir im Handwerk mit Stolz blicken können.

Um die hohe Qualität für die Zukunft aufrechtzuerhalten, fördern wir an der Meisterschule Karlsruhe das „lebenslange Lernen“, damit das erlangte Wissen nicht auf einem Stand stehen bleibt, sondern den Anforderungen entsprechend angepasst und aktualisiert werden kann.

Jeder Absolvent bzw. jede Absolventin der Meisterschule in Karlsruhe erhält automatisch die Möglichkeit, sich im Rahmen des Unterrichts an unserer Fachschule, lebenslang und ohne weitere anfallende Kosten auf den aktuellen Stand zu bringen. Das Angebot darf natürlich jeder Glasermeister bzw. jede Glasermeisterin in Anspruch nehmen, unabhängig davon, wie weit die Prüfung in Karlsruhe zurückliegt. Diese Möglichkeit wird zunehmend von den Meistern/Meisterinnen genutzt. In den beiden vergangenen Jahren haben im Beruf stehende Glasermeister/-innen ihr Wissen zu bestimmten Fachthemen im Unterricht aktualisiert, wobei das Spektrum von gerade erst den Meisterkurs absolviert bis zu 25 Jahre zurückliegend reicht.

So sehen wir den Glasermeister und insbesondere den Meistertitel für die Zukunft in aller Form optimistisch – und diesen Anspruch leben wir. —

Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.

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