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Im Interview mit Till Reine

Die Zukunftsvisionen sind umgesetzt worden

Glaswelt – Herr Reine, Velux macht sich stark für mehr Tageslicht. Warum?

Till Reine – Velux war es seit jeher wichtig, Licht ins Leben der Menschen unter dem Dach zu bringen und deren Leben damit angenehmer und gesunder zu gestalten. Tageslicht ist grundlegend für die Synchronisierung unserer inneren Uhr und damit für unsere Gesundheit. Wenn man noch etwas weiter denkt, sind die Menschen dadurch auch leistungsfähiger, weil etwa die Konzentrationsfähigkeit in hellen Räumen steigt.

Denn auch wenn es uns auf den ersten Blick nicht an Licht mangelt, so macht es doch einen erheblichen Unterschied, mit welcher Art von Licht wir uns umgeben. Alles Gründe, aus denen wir uns beispielsweise auch in der Initiative Tageslicht engagieren. Ziel ist, die vielfältigen Vorteile von Tageslichtnutzung und -lenkung für Mensch und Gebäude offensiver zu kommunizieren. Denn Tageslicht ist elementar für den Menschen, aber die Tageslichtqualität in vielen Gebäuden nicht ausreichend.

Die Zielgruppe ist weit gefasst, da sich nicht nur Brancheninteressierte angesprochen fühlen sollen. Die Internetpräsenz www.initiative-tageslicht.de bietet dazu eine zentrale Plattform mit wichtigen Daten und Fakten rund um das Thema Tageslicht. Denn eins ist und bleibt glasklar: Wir halten uns heutzutage fast ausschließlich in Räumen auf. Tageslichtversorgung ist elementar für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Das muss in der Planung, Beratung und in der Baupolitik mehr berücksichtigt werden.

Glaswelt – Bei mehr und größeren Fensteröffnungen kann das Plus an Licht dann aber auch störend bzw. blendend sein oder für zu viel Hitzeeintrag im Haus sorgen. Kommen wir also bei Ihrem Ansatz an einer Lichtsteuerung mit einem entsprechenden Sonnenschutz nicht vorbei?

Reine – Eine flexible Steuerung von Lichteinfall und Wärmeeintrag ist sicher der beste Weg. Bei anderen Komponenten wie der Heizung ist das schon seit langer Zeit Standard. Ohne Steuerung durch ein Thermostat würden die Räume schließlich auch überheizt werden.

Im Idealfall reagieren die Fenster zur Herstellung eines angenehmen Raumklimas bei bestmöglicher Energieeffizienz automatisch auf ihre Umwelt. Vor etwa fünf Jahren habe ich in einem Interview mit der GLASWELT mal beschrieben, wie ich mir das Fenster der Zukunft vorstellen würde. Damals sagte ich, dass es Räume nicht nur mit viel Tageslicht und frischer Luft versorgen muss, sondern dynamisch und intelligent sein sollte. Denn Dämmung von Fenstern würde im Winter so ausgelegt sein, dass sie eine gute Balance zwischen Nutzung solarer Wärmeeinträge und Vermeidung von Wärmeverlusten findet. Bei fehlender Sonneneinstrahlung könnte zum Beispiel nachts intelligenter Sonnenschutz für zusätzliche Dämmung sorgen.

Im Sommer wiederum würde intelligent gesteuerter Sonnenschutz effektiv die Überhitzung von Wohnräumen vermeiden. Automation mit Sensoren würde Bewohnern helfen, sich nicht ständig um die richtige Bedienung ihrer Fenster kümmern zu müssen.

Das Großartige ist, dass es heute, 5 Jahre später, keine Zukunftsvision mehr ist, sondern in der Praxis ganz einfach umgesetzt werden kann. Mit Velux Active haben wir ein Smarthome-System für unsere Dachfenster entwickelt, das diese inklusive des Hitzeschutzes automatisch auf Basis von Sensordaten zu Temperatur, Luftfeuchtigkeit und CO2-Gehalt in der Luft steuert.

Die Kosten für solche Systeme inkl. Sonnenschutz sind im Verhältnis zu denen, die andernfalls etwa im Sommer für das Herunterkühlen von Häusern mit Klimaanlagen entstehen würden, gering – und solche Lösungen sind nachhaltiger.

Glaswelt – In der von Velux beauftragten YouGov-Umfrage kam auch heraus, dass den Befragten größtenteils nicht bewusst ist, dass meist die Luft in den Innenräumen deutlich stärker mit Schadstoffen belastet ist als die Außenluft. Macht es mit diesem Hintergrundwissen überhaupt noch Sinn, den Bewohnern die Lüftungsaufgabe selbst zu überlassen, oder sollte man nicht viel eher auf Lüftungssysteme setzen, die automatisch erkennen, wann die Luft im Innenraum ausgetauscht werden muss?

Reine – Optimalerweise würden Lüftungssysteme automatisch auf Basis von Messwerten zu Luftfeuchtigkeit und Schadstoffbelastung bedarfsgerecht die Raumluft austauschen. Das kann wie im eben schon genannten Beispiel über smarte Systeme, die Fenster automatisch öffnen und schließen, oder auch über bestimmte mechanische Lüftungsanlagen erreicht werden.

Aber auch bei einfacheren Lösungen ohne Sensoren sollte nicht konstant ein fester Luftwechsel in allen Räumen erzeugt werden. Das wäre nicht energieeffizient und kann sogar zu Bauschäden führen. Schlafräume brauchen z. B. mehr, Gästezimmer brauchen meist viel weniger Luftwechsel. Hier brauchen Planer die Freiheit, bedarfsgerechte Lösungen im Dialog mit dem Bauherrn zu finden. Richtig fände ich es, wenn ein als Minimum ausreichender Grundluftwechsel nutzerunabhängig sichergestellt wird, damit Feuchte- und Schimmelschutz jederzeit gewährleistet sind. Und zwar unabhängig davon, ob durch mechanische oder freie, natürliche Lüftungssysteme.

Wie die Praxis zeigt, ist in vielen Wohnungen keines dieser Systeme im Einsatz. Deshalb würde ich es begrüßen, wenn zumindest in jedem Bauvorhaben ein Lüftungskonzept erstellt und mit dem Bauherrn abgesprochen wird.

Glaswelt – Sie haben mit den LichtAktiv Haus-Experimenten gezeigt, dass das Zusammenspiel von Tageslichttechnik, Sonnenschutzelementen und großen Glasflächen funktionieren kann. Sind diese Konzepthäuser aber auch für den Normalbürger finanziell realisierbar?

Reine – Ja, sind sie. Denn der besonders kostspielige Teil der Technik im LichtAktiv Haus war auf das umfangreiche Monitoring zurückzuführen, das im Rahmen des Experiments realisiert wurde. Alle Fenster und Dachfenster, der Sonnenschutz und dessen Steuerung waren Standardprodukte. Das war auch ein Ziel unseres Experiments: Wir wollten zeigen, dass das Wohnen im Jahr 2020 schon 8–10 Jahre früher mit den zu diesem Zeitpunkt für jeden verfügbaren Bauelementen möglich ist. Nicht nur möglich, sondern so, dass Energieeffizienz und Wohlfühlen der Bewohner Hand in Hand gehen und das Ganze trotzdem bezahlbar bleibt. Das positive Feedback unserer Testfamilie, die zwei Jahre in diesem Haus wohnte und es auf Herz und Nieren testete, zeigt, dass uns das gelungen ist. Sogar so gut, dass diese ganz normale Familie sich dazu entschloss, das Haus von uns zu kaufen. —

Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.

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