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Im Interview mit Dr. Ottmar Döring

“Das Problem betrifft vor allem kleinere Betriebe“

Glaswelt – Der Anteil der Betriebe hierzulande, die ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen können, hat sich laut einer aktuellen Studie verdoppelt – muss man diesen Trend hinnehmen?

Dr. Ottmar Döring – Natürlich nicht. Und das tut das Handwerk auch nicht. Das Handwerk trommelt laut wie nie für seine Berufe und Karrieremöglichkeiten. Und es setzt sich massiv für eine sogenannte höhere Berufsbildung ein, um die Ausbildung attraktiver zu machen. Zum Beispiel durch ein „BerufsAbitur“, das jetzt als Pilotprojekt in mehreren Bundesländern an den Start geht und eine Berufsausbildung mit dem Erwerben des Abiturs verbindet. Dabei darf man nicht vergessen: Die Ausbildungszahlen insgesamt sind im Handwerk ja gegen den Trend stabil. Aber natürlich macht das das Problem der unbesetzten Ausbildungsstellen nicht geringer, das vor allem kleine Betriebe betrifft. Da ist die Politik in der Pflicht, die die berufliche Bildung endlich in einem vergleichbaren Maße wie die akademische Bildung fördern muss. Aber da sind auch die Betriebe selbst in der Pflicht. Etwa, indem sie jungen Menschen eine Chance geben, die sie vor ein paar Jahren vielleicht noch abgewiesen hätten. Zumal es ja bereits eine Vielzahl von Unterstützungsmöglichkeiten gibt, sei es das neue Förderinstrument der Assistierten Ausbildung oder auch Programme für die Integration von Geflüchteten, wie etwa die Sprachförderung für Zugewanderte an Berufsschulen.

Glaswelt – Warum sind Ausbildungsberufe im Handwerk vergleichsweise unattraktiv geworden?

Dr. Döring – Sie waren und sind nicht unattraktiv. Sie haben mit Vorurteilen zu kämpfen, die längst nicht mehr zeitgemäß sind. Im Handwerk kann man schnell Verantwortung übernehmen, man kann etwas Konkretes produzieren und gestalten und man muss sich nicht frühzeitig auf eine bestimmte Karriereperspektive festlegen, sondern bleibt durch die vielen unterschiedlichen Weiterbildungsmöglichkeiten flexibel. Das ist genau das, was die sogenannte Generation Y vom Arbeitsleben erwartet. Zumal die handwerklichen Berufe ja nicht von gestern sind. Nahezu jeder Handwerksberuf ist von der Digitalisierung betroffen und wandelt sich. Gleichzeitig arbeiten wir als ZWH mit zahlreichen Fachverbänden an der Digitalisierung des Lehrens und Lernens, um Aus- und Weiterbildung an die Lern- und Lebensgewohnheiten der jungen Generation anzupassen.

Glaswelt – Liegt das Nachwuchsproblem auch an den mangelnden Karrierechancen?

Dr. Döring – Auch hier stimmt wieder die Wahrnehmung nicht mit den tatsächlichen Möglichkeiten überein. Eine duale Ausbildung ist keine Sackgasse. Sie bietet eine Vielzahl von Aufstiegsperspektiven. Klar ist aber auch: Wer im Handwerk Karriere machen will, muss sich weiterbilden. Die Bildungszentren des Handwerks stellen dafür ein vielfältiges Angebot zur Verfügung, das weit über den Meisterbrief hinausgeht. Nehmen sie nur als Beispiel die kaufmännischen Aufstiegsfortbildungen. Da können ambitionierte Handwerker – und nicht nur die aus den kaufmännischen Berufen – sich nach der Ausbildung Schritt für Schritt bis zum Betriebswirt qualifizieren, der sich auf dem gleichen Niveau wie der Master befindet.

Glaswelt – Die ZWH versteht sich als Bildungsdienstleister für das gesamte Handwerk. Was tut die ZWH konkret für Fensterbauer, Glaser, Rollladen- und Sonnenschutzbetriebe und Schreinereien?

Dr. Döring – Ganz konkret stellen wir die Rahmenlehrpläne zur Meisterprüfung für die Rollladen- und Jalousiebauer sowie Glaser zur Verfügung und aktualisieren sie regelmäßig gemeinsam mit den entsprechenden Fachverbänden. Für den Tischlerberuf können die Betriebe über uns die Qualifizierungsbausteine für die Berufsvorbereitung und die Einstiegsqualifizierung beziehen. Darüber hinaus haben wir erst kürzlich die Lehrgangsunterlagen für den Gebäudeenergieberater (HWK) aktualisiert und sind kurz vor der Fertigstellung des Lehrgangs „Fachkraft für die Sanierung von Feuchte- und Schimmelschäden (HWK)“, der vor allem für Tischler interessant sein dürfte. Aufgenommen haben wir die Entwicklung eines Lehrgangs, durch den Betriebsinhaber lernen, die Prozesse im eigenen Unternehmen auf Digitalisierungsmöglichkeiten zu überprüfen. Der oft gehörte Vorwand, die Digitalisierung biete nur großen Betrieben Chancen, ist nämlich schlicht und einfach falsch. Vor allem besonders kleine Handwerksbetriebe können von Software-Lösungen profitieren, denn gerade für sie sind Büro-, Verwaltungs- und Planungsarbeiten echte Zeitfresser.—

Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.

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