_ Durch den Einsatz dünner Flachgläser wird eine maximale Lichttransmission und somit eine größtmögliche Effizienz der Module und Kollektoren bei gleichzeitig geringem Gewicht erreicht. Je dünner das Glas, desto höher ist die für den thermischen Vorspannprozess benötigte Energie, die besonders beim Kühlvorgang des Glases mit Luft aufgewendet werden muss.
Der Einsatz von thermisch vorgespanntem Dünnglas (Dicke < 3 mm) bedarf dabei spezieller Vorspanntechnik. Wenn die Eigenspannung so hoch sein soll, dass das für Sicherheitsglas (ESG) erforderliche Bruchbild erreicht wird, ist ein sehr hoher Energieeinsatz erforderlich.
Aus diesem Grund sollen im Rahmen des Forschungsprojekts Tempergy Glass (engl. von tempering = thermisch vorspannen und energy = Energie) die Energieeffizienz des Vorspannprozesses gesteigert, die Methoden zur Qualitätssicherung des Dünnglases und ein neuartiger PV-Modul-Prototyp entwickelt werden.
Das Forschungsvorhaben „Tempergy Glass“ ist ein finnisch-deutsches Projekt, das Anfang Oktober 2013 gestartet wurde und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sowie der finnischen Agentur für Innovation Tekes gefördert wird.
Projektleiter des Forschungsvorhabens ist das Institut für Statik und Konstruktion (ISM+D) der Technischen Universität Darmstadt von Prof. Dr.-Ing. Jens Schneider. Weitere Partner sind die Universität Tampere (Finnland), die Glaston Finland Oy sowie die SolarWorld Industries Sachsen.
Die Ziele des Projekts
Bei kristallinen PV-Modulen wird zwischen zwei verschiedenen Modulaufbauten unterschieden:
Den größten Marktanteil haben bisher Glas-Folie-Module (Bild 01) mit einer Glasscheibendicke von 4 bis 6 mm. In diesen Glasscheiben können mit herkömmlichen Vorspannöfen noch relativ gut hohe Eigenspannungen (ESG-Qualität) erzeugt werden. Nachteilig ist hingegen, dass bei einer Biegebeanspruchung Spannungen in die Solarzellen eingebracht werden, die dort Mikrorisse hervorrufen können. Zudem ist die Abdeckfolie auf der Rückseite des Moduls Alterungseffekten ausgesetzt, wodurch Feuchtigkeit hindurch diffundieren und zu einer Verminderung der Leistungsfähigkeit der Solarzellen führen kann.
Der andere, ein weniger verbreiteter Typ ist das Glas-Glas-Modul (Bild 02) mit einer bisherigen Glasscheibendicke von 2 bis 3 mm. Hier wird sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite Glas eingebaut. Aufgrund des symmetrischen Querschnitts liegen die Solarzellen in der neutralen Faser und werden bei Biegebeanspruchungen keinen Spannungen ausgesetzt. Da die Glasscheiben der Glas-Glas-Module dünner als die der Glas-Folie-Module sind, weisen sie eine höhere Lichttransmission auf. Der Nachteil dieser Module sind jedoch die höheren Kosten.
Die Hauptziele des Forschungsprojekts sind die Erhöhung der Energieeffizienz durch Optimierung und Weiterentwicklung der Produktionsanlagen: Das gilt für der Herstellung von Dünnglas und den thermischen Vorspannprozess sowie für die Entwicklung von Methoden zur Qualitätssicherung der mechanischen und geometrischen Eigenschaften des Dünnglases. Weiter soll der Prototyp eines PV-Moduls entwickelt werden, der eine lange Lebensdauer besitzt sowie eine große Widerstandsfähigkeit gegen äußere Einflüsse.
Erste Ergebnisse
Die Widerstandsfähigkeit des Glases wird maßgeblich von dessen Biegefestigkeit bestimmt, bei der die DIN EN 1288 [1] zwischen der Kantenfestigkeit und der Oberflächenfestigkeit unterscheidet. Die Oberflächenfestigkeit wird im Doppelring-Biegeversuch ermittelt, dessen Vorteil in der Erzeugung einer konstanten Spannungsverteilung innerhalb des Lastrings liegt.
Ein Vierschneiden-Biegeversuch wiederum ist für die Bestimmung der Festigkeit der Glasoberfläche ungeeignet, da hierbei immer die Glaskanten unter Zug stehen und die Festigkeit dort in der Regel geringer ist. Durch eine vierseitige Lagerung des Glases in einem Rahmen entstehen bei der gewählten Konstruktionsweise des PV-Moduls an den Glaskanten jedoch nur geringe Zugspannungen aus äußerer Belastung.
Wird die Dicke der Scheibe jedoch reduziert, so bildet sich ein zunehmend nicht-linearer Spannungsverlauf (Bild 03). Ursache hierfür sind die im Verhältnis zur Dicke der Glasscheibe sehr großen Verformungen. Diese rufen einen Spannungszustand hervor, der durch die Membrantragwirkung maßgeblich beeinflusst wird.
Die Scheibe bricht im Versuch meist unter dem Lastring, da in diesem kleinen Bereich bei Dünnglas die maximalen Hauptzugspannungen entstehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dort eine große Anzahl an festigkeitsbestimmenden Oberflächendefekten vorhanden ist, ist eher gering, d. h. die Biegefestigkeit wird in der Regel mit diesem Versuch überschätzt. Innerhalb des Projekts wurde eine Modifikation des Versuchsaufbaus entwickelt.
Dabei ersetzt ein Silikonstempel den herkömmlichen Lastring, sodass auf der zu prüfenden Dünnglasplatte eine flächige Belastung entsteht, die zu einem konstanten Spannungsverlauf in Plattenmitte führt und somit die Biegefestigkeit bestimmt werden kann.
Um die erforderliche Geometrie und die Shore-A Härte des Silikonstempels zu bestimmen, wurden Simulationen an Finite-Element-Modellen durchgeführt.
Weitere Angaben zum modifizierten Doppelring-Biegeversuch können dem Beitrag „Strength testing of thin glasses“ [2] aus dem Tagungsband der Konferenz Engineered Transparancy entnommen werden. Diese findet parallel zur glasstec 2016 statt (Details siehe Infokasten).
Erster Prototyp zur glasstec fertig
Aktuell wird zusammen mit dem Projektpartner Glaston ein PV-Modul-Prototyp gebaut, bei dem ein 2 mm Deckglas bei dem Ofenhersteller mittels Luftkissentechnologie gleichmäßig auf ein hohes Niveau mit ESG-Qualität vorgespannt wird. Dieser Prototyp wird auf der glasstec vom 20. bis 23. September 2016 zu sehen sein.
Bezüglich dem Einsatz in Photovoltaik-Fassaden können die Forscher derzeit noch keine Aussage treffen. Bislang wurden keine Versuche, sondern nur Simulationen durchgeführt. Die Solarmodule sind für den Einsatz auf dem Dach bzw. in Solarfeldern gedacht. Die Fassadenintegration könnte nach Abschluss des Projekts geprüft werden.—
Literatur
[1] DIN EN 1288 Teil 1 - Teil 5: Bestimmung der Biegefestigkeit von Glas, 2000
[2] L. Blaumeiser, „Strength testing of thin glasses,“ in Engineered Transparency Conference 2016
engineered transparency – Jetzt noch anmelden
Die Konferenz „engineered transparency“ findet vom 20. – 21.09.2016 in Düsseldorf parallel zur glasstec 2016 statt. Die Schwerpunktthemen sind „Glas, Fassade und Energie“. In über 70 Vorträgen referieren internationale Planer und Forscher zu jüngsten Entwicklungen im Fassaden- und konstruktiven Glasbau.
Die Konferenz findet unter der Federführung der TU Dresden und der TU Darmstadt statt.
Programm und Anmeldung findet man unter