Noch vor einigen Jahren wurde die Nanotechnologie lediglich als Wissenschaft angesehen. Das Ziel der Forscher bestand darin, vollständig neue und revolutionäre Lösungen für die unterschiedlichsten Problemstellungen zu finden. Mit den ersten im Labormaßstab funktionierenden Ansätzen kam man jedoch oft nicht zum entscheidenden Durchbruch.
Auf die Kombination kommt es an
Man erkannte häufig nicht, dass es bei der Entwicklung eines Produktes weitere Schlüsselfragen zu klären gilt: Ein Effekt allein kann nicht auf jedes Substrat übertragen werden. Was auf Glas funktioniert, muss auf Kunststoff, Metall oder Stein nicht zwangsläufig zum gleichen Ergebnis führen. Die Anforderungen von Industrie und Konsumenten gehen weit über einen anfänglichen Effekt hinaus. Welche Medien stehen mit dem Produkt in Kontakt, welche Haltbarkeiten sind erreichbar und welche Umweltrichtlinien und Gesetze sind zu berücksichtigen? Kann ein Produkt einfach vom Konsumenten verarbeitet werden oder an der entscheidenden Stelle in den Prozess des Industriekunden eingebunden werden, ohne einen zu großen Einfluss auf den gesamten Produktionsprozess zu haben? Nanogate hat sich diesen Fragen von Beginn an gestellt und versteht unter der Nanogate-Technologie eine Kombination von Werkstoffwissenschaften, Chemie und Prozesstechnik (Bild 1).
Produkte und Anwendungen
In den letzten Jahren konnten Beschichtungsmaterialien für unterschiedliche Anwendungen entwickelt und auf den Markt gebracht werden. Universelle „Wundermittel“ können jedoch auch mit der neuen Technologie nicht hergestellt werden. Immer wieder erwarten Interessenten von der Nanotechnologie die Lösung all ihrer bisher unlösbaren Probleme. Noch heute müssen wir gelegentlich darauf hinweisen, dass physikalische und chemische Gesetzmäßigkeiten nicht außer Kraft zu setzen sind. Neben der technischen Machbarkeit ist daher eine klare Problemdefinition Grundvoraussetzung für eine neue Produktentwicklung. Bis heute konnten so unter anderem Beschichtungen für Glas, Metall, Kunststoffe, Textilien, Holz und Stein entwickelt werden. Die Funktionen der Beschichtung sind auf eine konkrete Anwendung optimiert. Auch für Glas gibt es nicht nur ein Produkt, sondern eine ganze Reihe unterschiedlicher Systeme, die sich zum Beispiel in ihrer Funktion oder hinsichtlich ihrer Verarbeitung unterscheiden.
Easy-to-clean-Beschichtungen für klares Glas
Für klares Glas sind seit einigen Jahren verschiedene Systeme am Markt erhältlich, deren Ziel eine weniger stark verschmutzende, leichter zu reinigende oder vor dauerhafter Schädigung geschützte Oberfläche ist. Die wichtigsten Technologien sind in Bild 2 dargestellt.
All diese Materialien können in zwei Gruppen eingeteilt werden: hydrophobe, Wasser abweisende Beschichtungen (Bild 2 A – C) und hydrophile Beschichtungen, auf denen Wasser einen Film ausbildet (Bild 2 D). Eine der ersten hydrophoben Beschichtungen waren Beschichtungen auf Polymer- bzw. Silikonbasis (Bild 2 A). Die Wirkung der Schicht besteht darin, dass man einen mehr oder weniger öligen Film auf dem Glas erzeugt, auf dem Wasser und wässriger Schmutz weniger gut haftet. Die Beschichtungen sind jedoch nicht oder nur schwach mit dem Glas verbunden und weisen daher trotz häufig sehr guter Anfangseffekte nur eine geringe Haltbarkeit auf. Zudem entsteht durch die Beschichtung eine glatte und sich zum Teil sogar leicht ölig anfühlende Oberfläche. Dies kann bei der Verarbeitung solcher Systeme Nachteile haben: Duschkabinen aus ESG müssen oft mit Klemmprofilen versehen werden, die auf dem so beschichteten Glas nicht immer optimal haften. Auch der Transport kann erschwert werden, da die Scheiben leicht aus den Händen oder von Vakuumsaugern gleiten können.
Neuere Beschichtungssysteme sind nicht nur Wasser abweisend, sondern auch Öl abweisend (Bild 2 B). Zu diesen Systemen können auch die für klares Glas entwickelten Produkte der Nanogate AG gezählt werden. Die Beschichtungen sind chemisch fest mit dem Glas verbunden und daher deutlich haltbarer. Die Schicht lässt sich in gewisser Weise mit einem Rasen vergleichen (Bild 3): die Wasser abweisenden Funktionen sind wie Grashalme dicht und senkrecht zur Oberfläche angeordnet. Jede Wasser abweisende Funktion ist sowohl fest mit dem Glas verbunden als auch über ein Netzwerk mit anderen Wasser abweisenden Funktionen. Aus dieser Anordnung resultiert die hohe Stabilität der Beschichtung bei gleichzeitig sehr geringen Schichtdicken.
Die Vorteile: Man benötigt nur sehr geringe Materialmengen, die Beschichtungen sind nicht sichtbar und verändern das Griffgefühl der Oberfläche kaum. Handlingprobleme und Haftungsprobleme von Klemmprofilen treten nicht auf.
Eine weitere Technologie, die zu den hydrophoben Beschichtungen gezählt werden kann, sind die superhydrophoben Beschichtungen (Bild 2 C). Im Gegensatz zu den Beschichtungstypen 2 A und 2 B ist hier eine zusätzliche Strukturierung der Oberfläche notwendig, bevor die hydrophobe Beschichtung aufgebracht wird. Solche Schichten sind aufgrund verschiedener Nachteile bisher noch wenig verbreitet.
Auf hydrophilen Beschichtungen (Bild 2 D) bildet Wasser keine Tropfen sondern einen Film aus. Im Fall der rein hydrophilen Beschichtung basiert dieser Effekt auf einer porösen, anorganischen Beschichtung, in die sich Wasser einlagert. Verschmutzt die Oberfläche, so soll der Wasserfilm als Trennschicht wirken, so dass der Schmutz leichter durch weiteres Wasser weggewaschen werden kann. Photokatalytische Schichten enthalten zusätzlich Titandioxid, welches bei Bestrahlung mit UV-Licht aus Wasser und Sauerstoff aggressive Radikale erzeugt, die imstande sind organischen Schmutz zu zerstören.
Varianten der Applikationsverfahren
Der technische Ablauf zur Applikation einer superhydrophoben Lotusbeschichtung (Bild 2 C), einer permanent hydrophilen oder einer photokatalytischen Beschichtung (Bild 2 D) ist relativ komplex und kann in der Regel nur von Spezialbetrieben geleistet werden.
Die hydrophoben und oleophoben Beschichtungen 2 A und 2 B lassen sich hingegen auch mit einfachsten Mitteln auftragen. Sie ermöglichen es jedem Glasverarbeiter nicht nur veredelte Gläser anzubieten, sondern diese auch selbst herzustellen. Hierfür stehen in Abhängigkeit von Größe und Menge der zu beschichtenden Glassubstrate jeweils die passenden Applikationsverfahren zur Verfügung, um das Glas entsprechend der von der Glasindustrie geforderten Qualitätsansprüche zu veredeln (Bild 4).
Poliersysteme bieten den Vorteil einer geringen Lösemittelemission und lassen sich mit bereits geringen Investitionskosten sowie auch für kleine Mengen einsetzen. Die Oberflächen können durch Auftrag mit einem Tuch von Hand oder halbautomatisch bearbeitet werden. Weiterhin kann man den Prozess durch einen optimierten Arbeitstisch oder durch Kombination des Beschichtungsvorgangs mit einer vorhandenen Glaswaschanlage verbessern.
Sprühsysteme können sowohl manuell mit einer Lackierpistole, als auch mit einer vollautomatischen Sprühanlage verarbeitet werden. Sie wurden entwickelt, um auch größere Mengen an Glas effizient beschichten zu können. Bei der manuellen Verarbeitung muss aufgrund der Aerosolbildung im Gegensatz zu den Poliersystemen eine Atemschutzmaske getragen werden. Damit auch für andere Mitarbeiter keine gesundheitlichen Risiken entstehen und damit Gläser, die in der angrenzenden Umgebung gelagert werden nicht ungewollt beschichtet werden, ist eine einfache Sprühnebelabsaugung empfehlenswert. Die Investitionskosten für automatische Beschichtungsanlagen richten sich, in Abhängigkeit der zu beschichtenden Teile, nach der Auslegung der Anlage, die vom einfachen Beschichtungsmodul für gerades Glas, bis zur kompletten Fertigungsstraße reichen kann. Verfügbar sind Systeme für eine projektorientierte sowie für eine automatisierte Serienproduktion.
Auch wurden Systeme für Endanwender und Servicekräfte entwickelt, um eine ortsunabhängige Applikation zu ermöglichen.
Einsatz von Nanobeschichtungen
Der Einsatz von Wasser abweisenden Glasbeschichtungen ist in verschiedenen Bereichen vielfach zum Standard geworden. Bei Glasduschkabinen wegen der leichter zu reinigenden Oberfläche und dem Schutz des Glases vor Kalkeinlagerungen, bei Automobilverglasungen zur Sichtverbesserung. Im Marineglasbereich soll die Beschichtung vor dem korrosiven Salzwasserklima schützen. Weitere Anwendungen sind möglich, erfüllen aber häufig nicht die Erwartungen der Kunden. So führt eine Wasser abweisende Beschichtung auf einem Wintergarten auch zu einer verzögerten Trocknung und einer erhöhten Beschlagsneigung, häufig aber nicht zur vom Kunden gewünschten Verlängerung der Reinigungszyklen. Ebenso verhält es sich mit Solarmodulen, wo zwar eine leichtere Reinigung erreicht werden kann, jedoch keine Erhöhung des Wirkungsgrades zugesagt werden kann.
wird fortgesetzt
Info
Nanotechnologie
Der Begriff Nanotechnologie, leitet sich vom griechischen Wort „nãnos“ für „Zwerg“ ab und ist ein Oberbegriff für unterschiedlichste Technologien, die sich mit Materialien im Größenbereich bis zu 100 Nanometer befassen. Ein Nanometer ist ein millionstel Millimeter. In der Nanotechnologie geht es um das Arbeiten mit Materie im molekularen Maßstab. Nanostrukturen und -teilchen weisen besondere chemische und physikalische Eigenschaften auf. Die Nanotechnologie macht sich solche Eigenschaften gezielt zunutze, um neue Anwendungsmöglichkeiten zu entwickeln. Sie gilt als eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts.
Autor
Dr. Michael Overs ist Produktmanager im Geschäftsbereich Glas und Keramik der Nanogate AG.