Die Forschung zum Vogelschlag befindet sich noch in der Frühphase, und nur wenige Universitäten in Europa widmen sich diesem Thema, so die Verhaltensbiologin Dominique Waddoup, die sich seit Jahren intensiv damit und entwickelt eigene Lösungen zum Vogelschutz beschäftigt. Im nachfolgenden Gespräch mit der GW zeigt sie den aktuellen Forschungsstand auf und erklärt, wie sich Testmöglichkeiten weiterentwickeln lassen und wie realistischere Testszenarien aussehen könnten.
Exklusiv-Interview mit Dominique Waddoup über Vogelschutzglas
GW: Wie lässt sich feststellen, ob ein Glas-Produkt den Vogelschlag reduziert, und wie realistisch sind die bekannten Flugtunnel-Test?
Dominique Waddoup: Mit dieser Fragestellung habe ich mich die letzten Jahre sehr intensiv auseinandergesetzt und festgestellt, dass es dafür noch keine allgemein gültige wissenschaftliche Methode gibt und die Thematik ist äußerst komplex. Man könnte damit mehrere Fachbücher füllen. Deshalb kann ich hier nur einen sehr groben Überblick geben: Im Grunde müsste man die Effektivität von Produkten zur Verhinderung von Vogel-Fenster-Kollisionen im Freiland untersuchen, indem man Glasflächen erst eine Zeit ohne, dann mit Vogelschlagschutz ausstattet und die Zahl der Vogelanflüge misst. (…) Deswegen gibt es im deutschsprachigen Raum eine vereinfachte Methode, die in der Glasbranche sehr bekannt ist: den Flugtunnel-Test, der in einem dunklen Flugtunnel durchgeführt wird, mit zwei Scheiben am Ende. In diesem Versuchssetup flüchtet ein Vogel aus dem Inneren eines dunklen Raumes in Richtung einer hellen Öffnung, wo es zwei Wahlmöglichkeiten gibt. Eine Scheibe ist aus Vogelschutzglas, eine Scheibe ohne Vogelschutzfunktion. Die Tiere werden vor dem Aufprall von einem dünnen Netz abgefangen, wobei festgehalten wird, für welche Scheiben-Variante sich der Vogel entschieden hat. Aus der Summe der Anflüge wird dann die Wirksamkeit der Scheibe festgelegt.
GW: Wie aussagekräftig ist solch ein Test?
Waddoup: Das Problem dabei ist, man weiß nicht wie die Vogelschutz-Produkte dann später im Freiland unter realen Lichtbedingungen abschneiden. Bisher gibt es keine Studien, welche die Ergebnisse von solchen künstlichen Versuchsbedingungen mit Ergebnissen im Freiland vergleichen. Es fehlt eine Kalibration. Ich sehe hier enormes Potential für eine internationale Zusammenarbeit zwischen WissenschaftlerInnen und Stakeholdern aus der Wirtschaft, um eine Testmethode zu entwickeln, die eine Aussagekraft für reale Bedingungen ermöglicht. (…)
Unsere Vogelschutzfolie liefert z.B. in einem dunklen Flugtunnel keine guten Ergebnisse. Dieses Ergebnis steht aber im Gegensatz zu mittlerweile 3 wissenschaftlichen Studien, welche die Wirksamkeit von BirdShades unter natürlichen Lichtbedingungen belegen.
GW: Welche weiteren Tests gibt es?
Waddoup: Zusätzlich gibt es noch weitere Methoden um festzustellen, ob Produkte Vogelschlag senken. So gibt es einen modernen Flugtunnel in den USA, welcher unter Tageslichtbedingungen testet. Allerdings ist auch hier die Überleitung dieser Ergebnisse zu den realen Ergebnissen im Freiland ein Thema. Eine weitere Methode ist der Einsatz von Dataloggern direkt auf Glasflächen und ich denke, dass dies eine der zukunftsweisenden Methoden sein wird.
GW: Wie sind Sie bei Ihrer eigenen Produktentwicklung von Vogelschutzglas vorgegangen?
Waddoup: Wir starteten mit eigenen Verhaltensexperimenten, die wir in Zusammenarbeit mit der Universität Graz entwickelten. In einem weiteren Schritt wurden vielversprechende Prototypen in einem offenen Flugtunnel mit Tageslicht bei dem renommierten Verhaltensbiologen Prof. Dr. John Swaddle in den USA durchgeführt. Als nächster Schritt kam die Überleitung von Laborbedingungen ins Freiland, wo wir zeitintensive Freiland Monitoringstudien durchführten.
GW: Wie funktionieren diese Studien bzw Tests?
Waddoup: Diese Studien werden nach dem BACI-Konzept durchgeführt (Before/After & Control/Impact). Das Monitoring findet eine bestimmte Zeitspanne vor der Montage des Vogelschutzprodukts statt und dann für eine bestimmte Zeitspanne danach. Zusätzlich wird in der Zeit nach der Montage auch eine unbehandelte Kontrollfläche beobachtet, um so Rückschlüsse auf generelle Situationen im Freiland zu erhalten (z. B. es könnten gerade sehr viele oder sehr wenig Vögel in der Umgebung sein). Aktuell wirken wir mit unseren Produkten (www.birdshades.com/de) bei einer Studie mit Dataloggern mit, sowie bei weiteren Freiland Monitoringstudien weltweit.
GW: Was ist notwendig, um Vogelschutz-Produkte vergleichbar zu machen?
Waddoup: Ideal wäre eine Kombination aus modernem Flugtunnelsetups und professionellen Monitoring Studien. Monitoring Studien liefern sehr gute Daten, um die Vogelschlag Situation vor- und nach der Montage festzustellen. Zudem können auch moderne Flugtunnelversuche hilfreiche Erkenntnisse liefern. So konnten wir im Flugtunnel feststellen, dass weder sichtbare Lösungen noch unsere UV-Vogelschutzfolie an der Scheibeninnenseite wirksam sind. (…)
GW: Woran arbeitet Ihr Unternehmen gerade?
Waddoup: Wir entwickeln unsere transparente Vogelschutzfolie weiter, indem wir sie um zusätzliche Funktionen wie z. B. Sonnenschutz ergänzen. Parallel dazu arbeiten wir mit Universitäten zusammen, um durch Forschungsprojekte eine evidenzbasierte Produktentwicklung weiterhin sicherzustellen.
Das vollständige Interview lesen Sie in der GLASWELT Ausgabe 10/2024. Sie sind noch kein GLASWELT Abonnent? Dann klicken Sie hier
Das Gespräch führte Matthias Rehberger