Bei der neuen U-Bahn-Station nach dem Entwurf des Architekturbüros Haid + Partner bilden drei Baukörper die Eingänge zum Bahnhof. Dabei entstand in Zusammenarbeit mit Glas Trösch eine in Deutschland bisher einzigartige Konstruktion aus Glas und Beton. Über das Glasdach und die Öffnungen in den Betonscheiben wird bei Tag viel Licht in den U-Bahn-Zugang gebracht. Dabei folgt die organische Form der Betonscheiben der Abgangsrichtung der Treppen. bzw. dem vertikalen Verlauf des Aufzugs. Die gezielte Lichtführung nimmt so dem Übergang die Härte und dem Fahrgast das Gefühl, ein „dunkles Loch“ zu betreten. Zudem gestaltet geschickt eingesetztes Kunstlicht den Lichtwechsel fließend von oben nach unten.
Für das Glasdach im Bereich der Treppenabgänge und des Aufzugs wurden Sanco Lamex VSG in besonderer Konstruktionsweise eingesetzt. Die Glasschwerter als Träger der Glasdachscheiben weisen einen ständig wechselnden Neigungswinkel auf, der sich nach dem Lauf der Betonscheiben richtet.
Aufgrund intensiver Entwicklungsarbeiten durch den Bereich Konstruktiver Glasbau von Glas Trösch gelang die Realisierung filigraner Glasschwerter mit einem Seitenverhältnis von 15:1. Bisher waren für vergleichbare Konstruktionen nur ein Seitenverhältnis von 10:1 zu realisieren.
Bedingt durch den Neigungswinkel, sein Eigengewicht und die einwirkenden Lasten aus der Dachfläche, tendiert das einzelne Glasschwert dazu auszuweichen. Um dieser Bewegung entgegenzuwirken und den vollständigen Lastabtrag zu gewährleisten, wurden die bewährten Swisswall-Systeme weiterentwickelt: Die oberen sowie die unteren Punkthalter im Glasschwert sind Teil einer Abspannkonstruktion aus Edelstahlzugstangen. Vom Boden aus aufgespannt, begrenzt sie die Kippwirkung der Glasschwerter und stabilisiert sie in ihrer Ausrichtung. Für eine millimetergenaue Anpassung wurden die Swisswall-Punkthalter mit einem verstellbaren Gewinde versehen. Dachflächenlasten werden nur über die oberen im Schwert sitzenden Punkthalter abgetragen.
Die vollständige Konstruktion aus Dach und Glasschwert mit allen Beschlägen erforderte einer Zustimmung im Einzelfall (ZiE). Die zugehörigen Versuche wurden im Labor der Stahl- und Leichtmetallbau GmbH an der Hochschule München durchgeführt. Eine abschließende gutachterliche Bewertung aller Prüfungen erfolgte durch Prof. Dr.-Ing. Ömer Bucak.
Bei den Tests wurden vier Anforderungen gestellt: Die Betretbarkeit der Dachverglasung zu Reinigungszwecken, die Resttragfähigkeit der Glaselemente, die Tragfähigkeit der Verbindung zwischen Punkthalter und Glasschwert und schließlich das Tragverhalten des Glasschwertes selbst.
Erfüllt werden mussten die strengen Vorgaben der technischen Aufsichtsbehörde LGA in Nürnberg. So wurde für die bedingte Betretbarkeit ein Lastfall von 2,0 kN je Punkthalter angesetzt. Die dämpfende Wirkung der Unterkonstruktion musste für den versuchstechnischen Nachweis mit berücksichtigt werden. Nach ausführlicher rechnerischer Beweiserbringung einigte man sich darauf, die Versuche auf der Baustelle unter realen Bedingungen durchzuführen. Eigens dafür wurde ein Muster der Dach-, inklusive der Auflagerkonstruktion im Maßstab 1:1 angefertigt.
Nachgewiesen werden musste auch die Resttragfähigkeit für die gesamte Dachkonstruktion (Glasschwerter und Dachverglasung). Die Schwerter sind aus vierscheibigem, die Dachverglasung aus zweischeibigem Lamex-VSG. Es galt sicherzustellen, dass im Falle eines Bruches aller Einzelscheiben das Dach über einen bestimmten Zeitraum hinweg unter Lasteinwirkung nicht versagt und sich keine Bruchstücke aus der Verglasung lösen. Mit einer Resttragfähigkeit von mindestens 72 Stunden bei einer eingesetzten Flächenlast von bis zu 76 kg/m2 konnten die Bauteile alle Anforderungen erfüllen.
Um die Tragfähigkeit der Verbindung von Punkthalter und Glasschwert zu ermitteln, wurden Horizontal- und Vertikalkräfte gleichzeitig in die Probekörper eingeleitet und mit intakten Schwertern sowie mit angeschlagenen äußeren Schutzscheiben getestet. Alle Probekörper nahmen bei konstanter Horizontalkraft von 1,0 kN die Vertikallasten bis 12,0 kN ohne Schädigung der inneren Kernscheiben auf. Die Prüfer bescheinigten eine Ausnutzung der Anschlusskonstruktion Punkthalter-Glasschwert von maximal 26 Prozent und einen Sicherheitsfaktor von mindestens 3,9. Um das Tragverhalten der Schwerter festzustellen, wurden diese nach Schädigung aller Einzelscheiben vorverformt und im Biegeversuch bis zum Bruch belastet. In diesem Zustand erreichten sie eine Ausnutzung der Tragfähigkeit von maximal 44 Prozent und einen Sicherheitsfaktor von mindestens 2,3.
Bei der Lagerung der Dachkonstruktion im Massivbau wurde Wert darauf gelegt, die Auflager nicht auf den Beton aufzuschrauben, sondern sie unsichtbar in der Wand einzulassen. Gabellager umfassen die Glasschwerter an drei Seiten. Die Taschen hinter den Auflagern wurden so tief ausgeführt, dass die Schwerter durch seitliches Versetzen in die bereits stehenden Betonscheiben eingeführt werden konnten.
Eine nachträgliche Befestigung erfolgte über vorab eingebrachte Klemmleisten. Da der Beton einem anderen Ausdehnungsverhalten als das Glas unterliegt, ist die Lagerung nur auf einer Seite als Festlager ausgeführt. Auf der gegenüberliegenden Seite nehmen Loslager die Bewegungen auf und dienen als Ausgleich. Eine Einwirkung zusätzlicher seitlicher Kräfte auf die Dachglaskonstruktion galt es unbedingt zu vermeiden.
Weitere konstruktive Elemente wie die Führungsschienen für das Rolltor sind ebenfalls in den Betonscheiben versteckt. Zudem vermeiden auf der gesamten Länge eingebrachte Wasserabläufe aus Edelstahlrohren, dass entstehendes Kondenswasser in den Auflagernischen zur Delamination der VSG-Einheit und zu Verschmutzungen der Wände führt.
Sicherheitstechnische Vorgaben erforderten auch eine Verglasung der elliptischen Öffnungen in den Betonscheiben. Hier wurde eine geklebte Lösung gewählt, um eine möglichst unsichtbare Verbindung herzustellen. Da sich Glas jedoch nicht direkt auf Beton aufbringen lässt, wurden in der Vorfertigung zusätzlich Edelstahlleisten in die Ellipsen eingegossen. Das Verkleben selbst erfolgte direkt auf der Baustelle unter Fremdüberwachung der LGA Nürnberg. In jedes Betonelement ist zudem eine Glasscheibe eingesetzt, die über der für das Verfahren zulässigen Höhe von 4 m liegt. Auch für diese Sonderlösung erwirkten die Planer eine ZiE.
Trotz des hohen Planungsaufwandes konnte der vorgegebene Kostenrahmen der Behörden für den Bau von U-Bahnhöfen eingehalten werden. —
Bautafel
- Bauherr: Stadt Nürnberg, U-Bahn-Bauamt
- Architektur: Haid + Partner, Nürnberg
- Statik: Ingenieurbüro Goetz + Neun, Nürnberg
- Metallbau: Löhner Metallbau e.K., Naila
- Betonbau: Firmengruppe Max Bögl, Neumarkt
- Konstruktiver Glasbau: Glas Trösch, Nördlingen
- Baukosten, raumbildender Ausbau: ca. 3 Mio. Euro
Spannendes zur fensterbau 2012
In Nürnberg präsentieren Sanco und Glas Trösch u.a. Systeme für den konstruktiven Glasbau und ein neues 3-fach-ISO mit warmer Kante namens Sanco Superselekt 60/27 T für Wärme- und Sonnenschutz (Selektivität höher als 2,2). Und mit Sanco Silverstar Free Vision T wird ein Isolierglas gezeigt, das Außenbeschlag unterbinde und mit Silverstar Sun Night Vision ein Glas für die klare Durchsicht nach außen.
Für den Glasbau wird das Glas-Punkthaltesystem Swissanchor zu sehen sein, bei dem die Befestigungspunkte im Glas verankert sind (links im Bild). Die Fassadenaußenseite bleibt so geschlossen. Weiter wird mit Swissrailing two sided ein Geländersystem für französische Balkone mit absturzsichernder Verglasung (inklusive Befestigung) vorgestellt.
Halle 7A, Stand 403