GW – Herr Schäfer, wo sehen Sie Chancen und Herausforderungen für die Glasverarbeiter?
Steffen Schäfer – Wesentliche Treiber für die Flachglasbranche sind die Nachhaltigkeit und die Digitalisierung, insbesondere die Implementierung von KI in der Maschinentechnologie. Hier gilt es, den Anschluss nicht zu verlieren, da einige andere Branchen bereits weiter fortgeschritten sind.
Bei den Normen sind die überarbeiteten Teile 3 bis 5 der DIN 18008 hervorzuheben, die im Januar veröffentlicht wurden und in Kürze in die Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV T) aufgenommen werden. So wurden z. B. in Teil 3 ein neuer Anhang eingeführt zu Ganzglasanlagen. In Teil 4 wurde die Einteilung der Kategorien überarbeitet, neu strukturiert und präzisiert, das ist wichtig zu wissen.
GW – Wie ist der Stand beim Vogelschutzglas?
Schäfer – Zentral gilt das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsverbot des § 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Es gibt derzeit bundesweit keine verbindliche Norm oder rechtlich festgelegte Schwellenwerte, die definieren, wann ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko durch Vogelschlag vorliegt. Daher erfolgt die Bewertung im Einzelfall.
Ein konkretes Beispiel für eine gesetzliche Regelung ist das Hessische Naturschutzgesetz, das im Juni 2023 in Kraft trat. Dieses enthält Vorschriften zum Artenschutz bei baulichen Anlagen und zur Vermeidung von Vogelschlag an Glasflächen. Es ist zu erwarten, dass in Hessen künftig verstärkt Vogelschutzgläser mit nachgewiesener Wirksamkeit gefordert werden. Unser Arbeitskreis Vogelschutz hat soeben ein neues BF-Merkblatt erstellt, das praxisnahe Tipps und verständliche Erläuterungen zu diesem Thema anbietet. Dies finden Sie auf der BF-Webseite unter Downloads.
GW – Was leistet der BF für seine Mitglieder?
Schäfer – Als Bundesverband vertreten wir die Interessen der Flachglashersteller und -verarbeiter in Deutschland und setzen uns auch auf europäischer Ebene für die Branche ein. Unser Fokus liegt auf drei zentralen Bereichen: Normung und Technik, politische Interessenvertretung sowie Öffentlichkeitsarbeit und Marketing.
Wir arbeiten eng mit anderen Verbänden, Hochschulen und Instituten zusammen und vertreten unsere Mitglieder in nationalen und internationalen Normungsausschüssen. Und wir informieren konstant über Neuheiten und Technologien.
GW – Geben Sie bitte einige Details zu den BF-Arbeitskreisen, die die Verarbeiter unterstützen.
Schäfer – Die BF-Arbeitskreise sind im Bereich Normung und Technik angesiedelt und bieten eine wichtige Plattform für den Austausch über neue Entwicklungen, die Einführung neuer Normen und Richtlinien sowie die Förderung gemeinsamer Forschungsprojekte und Studien.
Arbeitskreise zu Themen wie „Klima und Nachhaltigkeit“, „Sicherheitsglas und Glasbemessung“ oder „AK Vogelschutz“ definieren technische Standards zur Sicherung der Produktqualität und erarbeiten Merkblätter, Fact-Sheets sowie verbändeübergreifende Positionspapiere. Auch Hersteller von Nischen-Produkten finden sich bei uns wieder, etwa im AK „Systeme im Scheibenzwischenraum“. Hier wurde gerade ein Fact Sheet fertiggestellt.
Grundsätzliche Ziele sind u. a. unsere Mitglieder, deren Kunden sowie Architekten und Planer in ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen und komplexe Themen mit den BF-Merkblättern verständlich zu machen. Veranstaltungen wie unser jährlicher Glaskongress fördern den fachlichen Austausch und schaffen wertvolle Synergien innerhalb der Branche. Unser weitreichendes Netzwerk bietet Mitgliedern Zugang zu entscheidenden Kontakten in der Flachglasindustrie.
GW – Wie bereitet der BF seine Mitglieder auf die kommenden Anforderungen vor?
Schäfer – Um zukünftige Herausforderungen in der Glasbranche zu bewältigen, gilt es, Problemstellungen frühzeitig zu erkennen und diese in unseren Arbeitskreisen gezielt zu analysieren. Erfahrungsgemäß ist eine offene und kontinuierliche Kommunikation dabei der entscheidende Erfolgsfaktor. Die größten technischen Herausforderungen sind u. a. die Nachhaltigkeit, inklusive Weiterentwicklung ressourcenschonender Produktionsprozesse und Erhöhung der Recyclingquoten, die Digitalisierung, inklusive Integration von KI und Automatisierung in Produktions- prozessen, ebenso die neue Bauproduktenverordnung sowie der Eurocode Glas mit Anpassungen an neue normative Vorgaben auf EU-Ebene.
Der Verband begleitet diese Themen aktiv durch seine Arbeitskreise, Fachveranstaltungen und die enge Zusammenarbeit mit Normungsgremien sowie politischen Entscheidungsträgern. Ziel ist es, frühzeitig Lösungen zu erarbeiten und praxisnahe Hilfe für die Mitglieder bereitzustellen.
GW – Was wünschen Sie der Glasbranche?
Schäfer – Ich wünsche der Glasbranche einen starken Zusammenhalt, um die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam zu meistern. Das gelingt, wenn die jahrzehntelange Erfahrung (Stabililtät) der erfahrenen Mitarbeiter mit den frischen Ideen und neuen Ansätzen der jungen Mitarbeiter (frischem Wind) verknüpft wird. Zudem sollten Unternehmen jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit geben, sich in der Normungs- und Verbandsarbeit zu engagieren.
Das Interview führte Matthias Rehberger