Viele Bauherren und Planer erachten die Verwendung von Sonnenschutzmaßnahmen an Nord- oder Ostfassaden nach wie vor als nicht notwendig. Doch die Anforderungen an die Gebäudeplanung sind gestiegen. Auch bei Fassadenausrichtungen mit vermeintlich schwachem Wärmeeintrag müssen angemessen temperierte Innenraumbedingungen geschaffen werden. Neben einem effizienten Wärmeschutz im Winter ist im Sommer ein optimal auf jede Fassadenausrichtung angepasster Sonnenschutz erforderlich.
Folgende Maßnahmen sind dafür geeignet: Räume können durch innen-, außen- oder im Scheibenzwischenraum liegende Verschattungen, durch entsprechende Fenstersysteme mit Sonnenschutz, mittels aktiver oder passiver Kühlung oder mit Sonnenschutzgläsern vor Überhitzung geschützt werden. Die speziellen Gläser sind nicht nur wirksam, hell und durchsichtig, sondern auch eine preiswerte Alternative. Mit einer ausgeprägten Sonnenschutzverglasung lassen sich Innentemperaturen dauerhaft senken und Überschreitungen der thermischen Behaglichkeitsgrenze von 26 Grad im Raum um 60 Prozent reduzieren. Oder mit einfachen Worten: wenn es bei der Verwendung von Standard-Isolierglas an zehn Tagen zu Temperaturen oberhalb 26 Grad kommt, so ist es mit einem effizienten Sonnenschutzglas nur an vier Tagen zu heiß in der Wohnung bzw. im Büro.
Sonnenschutz an unterschiedlichen Fassadenausrichtungen ist wichtig
Ein gängiger Irrtum ist: Sonnenschutz ist nur in südlicher Ausrichtung erforderlich. Richtig ist: Sonnenschutz ist an allen Fassaden sinnvoll, auch an Nordfassaden aufgrund der diffusen Sonneneinstrahlung. Am Beispiel eines typischen Büroraumes konnte folgendes ermittelt werden: Die kritischste Ausrichtung ist nicht der Süden, sondern wegen der tiefstehenden Sonne der Westen. Hier ist der Sonneneintrag aufgrund dauerhafter direkter Strahlungstransmission am höchsten. Bei Südfassaden schneidet eine ausgeprägte Sonnenschutzverglasung mit innenliegendem Sonnenschutz vergleichbar so gut ab wie eine Wärmedämmverglasung mit Außenschutz. In der Westausrichtung ist Wärmedämmglas mit Außenschutz bei direkter Sonneneinstrahlung am effektivsten. Bei rein diffuser Strahlung (vormittags oder bei bewölktem Himmel) ergeben sich Vorteile für eine Kombination aus einer hocheffizienten Sonnenschutzverglasung wie Cool Lite SKN 154 mit innenliegendem Sonnenschutz.
Auch nach Osten ausgerichtete Glasflächen ohne Sonnenschutz führen zu Überhitzung im Sommer, da am Morgen zu viel Energie in den Raum tritt. Die vormittags eingetragene Wärme bestimmt die Temperaturentwicklung im gesamten weiteren Tagesverlauf. Die Werte einer ausgeprägten Sonnenschutzverglasung mit innenliegendem Sonnenschutz sind hier zum Teil besser als die einer Wärmedämmverglasung mit Außenschutz. In der Ost-, Süd- und Westausrichtung werden mit einer Sonnenschutzverglasung mit Zusatzsonnenschutz im Innenraum Temperaturen erzielt, die denen eines Wärmeschutzglases mit Außenschutz (immer unter der Voraussetzung der adäquaten Nutzung) entsprechen oder darunter liegen.
Diffuse Strahlung im Norden
Hohe Strahlungsintensitäten werden bei nördlicher Ausrichtung von Fassaden selten erreicht, weshalb zusätzliche Sonnenschutzvorrichtungen kaum installiert werden. Dennoch heizt sich der Raum durch diffuse (indirekte) Strahlung auf. Dieser Sachverhalt wird häufig vernachlässigt, obwohl sicher jeder schon einmal damit konfrontiert wurde, der trotz bewölkten Himmels in ein überhitztes Auto gestiegen ist. Dass diffuse Strahlung einen hohen Einfluss hat, zeigen thermische Simulationsberechnungen. Ein nach Norden orientiertes Büro mit konventioneller Verglasung schneidet schlechter ab als ein nach Süden orientierter Raum mit gleicher Verglasung und Außensonnenschutz. Hier lassen sich deutliche Vorteile durch Sonnenschutzgläser erzielen, die eine permanente Minderung der diffusen Sonneneinstrahlung bewirken. Schon ein leichtes Sonnenschutzglas ohne zusätzliche Sonnenschutzvorrichtungen minimiert die Erwärmung. Eine ausgeprägte Sonnenschutzverglasung mit innenliegendem Schutz reduziert Temperaturen oberhalb von 26 Grad um mehr als 30 Prozent.
Nichtwohngebäude sollten in erster Linie eine produktive Arbeitsumgebung für die Mitarbeiter bieten, wobei der thermischen Behaglichkeit eine hohe Bedeutung zukommt. Der Kostengewinn bei einer Sonnenschutzinstallation ist zahlenmäßig schwer zu fassen, bessere thermische Behaglichkeit und in deren Folge höhere Produktivität rechtfertigen aber die Mehrkosten.
Mehr Komfort im Wohnbau
Insbesondere im Wohnbau, so die tägliche Baupraxis, wird Sonnenschutz noch eher als nebensächlich betrachtet. Es geht – bei Renovation oder Neubau – nicht nur um CO2-Reduzierung, auch der Wohnkomfort ist zu berücksichtigen. Dieser wird u.a. durch die aktuelle DIN 4108-2 (sommerlicher Wärmeschutz bei nicht klimatisierten Gebäuden) geregelt. Hinzu kommen Gerichtsurteile aus den letzten Jahren, wonach die Innentemperatur eines Raums im Sommer je nach Region und Außentemperaturen maximal 27 Grad nur in Ausnahmefällen überschreiten darf. Verschiedene Gerichte haben in letzter Zeit Urteile gesprochen, die eine Mietminderung oder sogar Kündigung bei einer langandauernden Überschreitung von hohen Temperaturen rechtfertigen. So hat der Sonnenschutz und der damit verbesserte Wohnkomfort direkten Einfluss auf den Wert und die Vermietbarkeit einer Immobilie.
Glasverarbeiter sollten bereits in der Planungsphase beraten
Den optimalen Sonnenschutz gibt es nicht. Jedes Gebäude bedarf aufgrund der unterschiedlichen Ausrichtungen, der Lüftung, Speichermassen, Fensterflächenanteile und Wärmeeinträge einer genauen Planung im Vorfeld. Wenn alle Bauherren beim Kauf oder Bau einer Immobilie Wert auf Energieeinsparung und thermische Behaglichkeit legen, wird dies auch zunehmend in Planerkreisen berücksichtigt. Wenn Verarbeiter bereits in der Planungsphase die relevanten Gebäudedaten und Ausrichtungen erfragen, sind sie in der Lage individuelle Sonnenschutzlösungen anzubieten und Planer ebenso wie Bauherren auch von Sonnenschutzgläsern (in allen Fassadenausrichtungen) zu überzeugen.—
Simulierte Temperaturen im Testbüro (Westausrichtung)
Die Autorin:
Evamaria Nickel ist Produktmanagerin Nichtwohnbau bei Saint-Gobain Glass Deutschland.