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SIGAB-Richtlinie 004

Absturzsicherung mit Glas in der Schweiz, das ist zu beachten

Der nachfolgende Beitrag soll dafür sensibilisieren, dass sowohl bei der Planung, als auch bei der Ausführung und Kontrolle von Ganzglasgeländern die normativen Vorgaben der Schweiz beachtet werden müssen. Heute sind Bauverglasungen in der Schweiz nach dem Merkblatt SIA 2057 «Glasbau» nachzuweisen. Dabei sind die Tragfähigkeit, die Gebrauchstauglichkeit (Durchbiegung / Schwingungen), das sichere Bruchverhalten und das Verhalten im Bruchfall nachzuweisen. Die Nachweise spielen in der Praxis insbesondere für Bauteile, die für Personen zugänglich sind, eine sicherheitstechnisch wichtige Rolle.

Die Systematik des Merkblatts SIA 2057 «Glasbau»: Das normativ gültige Merkblatt bezieht sich auf Normen wie SIA 260 «Grundlagen der Projektierung von Tragwerken» und SIA 261 «Einwirkungen auf Tragwerke» und behandelt neben den allgemeinen Aspekten der Tragwerksanalyse und der Bemessung in den einzelnen Kapiteln die verschiedenen Anwendungen und Lagerungsarten. Diese Kapitel sind je nach geplanter Ausführung zu berücksichtigen.

So gelten zum Beispiel im Falle von vertikalen Außenverglasungen neben den allgemeinen Teilen sowohl das Kapitel über Vertikalverglasungen (Ziffer 5.2), das Kapitel über Isolierverglasungen (Ziffer 5.4) als auch gegebenenfalls das Kapitel über absturzsichernde Verglasungen (Ziffer 5.5), wenn gemäß Norm SIA 358 «Geländer und Brüstungen» eine Abschrankungsfunktion mit der Verglasung zu erfüllen ist.

Im Folgenden soll der Fokus auf absturzsichernde Verglasungen gelegt werden. Die Bestimmungen gliedern die Anwendungen im Kapitel 5.5 «Absturzsichernde Verglasung» in 3 Gruppen, mit folgenden Untergruppen:

Gruppe 1

  • Raumhohe Verglasungen mit 2- bis 4-seitiger linearer Lagerung oder mit Punkthaltern
  • Ganzglasgeländer 1-seitig unten linear gelagert, mit oder ohne Kantenschutz
  • Gruppe 2

  • Ganzglasgeländer 1-seitig unten linear gelagert, mit durchgehendem, statisch tragendem Handlauf, in verschiedenen Ausführungsvarianten
  • Gruppe 3

  • Absturzsichernde Glasfüllungen in Geländern, in verschiedenen Lagerungsarten
  • Absturzsichernde Verglasungen unterhalb eines in erforderlicher Höhe angeordneten, lastabtragenden Querriegels
  • Absturzsichernde, raumhohe Verglasungen, in einem Rahmen linear gelagert, mit vorgesetztem, statisch tragendem Handlauf
  • Die SIGAB-Richtline für Glasgeländer

    Die SIGAB hat mit der Richtlinie 004 «Geländer aus Glas - Dimensionierung von Glasdicken» (SR-004, 2024) ein Werk herausgegeben, aus dem die Glasdicken und Glaskombinationen für einen Großteil der Glasgeländer, sowohl für Holmlasten von 0,8 kN/lfm für Wohn- und Büroflächen als auch für Holmlasten von 1,6 kN/lfm bei Versammlungsflächen (ohne Menschengedränge), abgelesen werden können.

    Die Windlasten wurden entsprechend der Systematik dieser Richtlinie in Abhängigkeit von Grundstaudruck und Gebäudehöhe in Gruppen gegliedert und decken einen Bereich von 0.4 kN/m2 (Innenanwendung) bis 2.2 kN/m2 (Grundstaudruck von 1.3 kN/m2 auf dem Dach eines 5-geschossigen Gebäudes) ab.

    Die Planung nach den Rahmenbedingungen der SR-004 ermöglicht es, den entsprechenden statischen Nachweis für die Ausführung zu erbringen. Es wurden Verbund-Sicherheitsgläser (VSG) aus 2 x Floatglas und aus 2 x teilvorgespanntem Glas (TVG), sowohl mit Polyvinylbutyral (PVB) als auch mit schubsteifen Zwischenlagen (Ionomer) dargestellt. Folgende Lagerungsarten wurden darin berücksichtigt:

  • 4-seitig linear gelagert, raumhoch und als Geländerfüllung
  • 3-seitig linear gelagert
  • 2-seitig linear vertikal gelagert, mit und ohne lastabtragendem Holm
  • 2-seitig linear horizontal gelagert, mit lastabtragendem Holm
  • 1-seitig linear gelagert, “Ganzglasgeländer”
  • 4-fach punktuell gelagert, mit Klemmen und mit Punkthaltern
  • Die neuen Grundlagen führen zu Veränderungen in der Praxis

    Bei der Erarbeitung der Richtlinie hat sich gezeigt, dass im Vergleich zur früheren Praxis teilweise größere Unterschiede bei den Glasdicken auftreten. Die Bemessung erfolgte bisher z. B. anhand der Tabellen in der SIGAB-Dokumentation “Sicherheit mit Glas - Geländer aus Glas” (2017). Gerade bei den Ganzglasgeländern haben die neuen Grundlagen Veränderungen zur Folge. Dies liegt auch daran, dass gemäß Merkblatt SIA 2057, projektspezifische Lastfallkombinationen aus Holm- und Windlasten zu berücksichtigen sind.

    Zudem muss der Nachweis der Gebrauchstauglichkeit (Durchbiegung) eines Ganzglasgeländers nicht nur für das Glas, sondern für das Gesamtsystem geführt werden. Diese erschwerenden, wenn auch nachvollziehbaren Vorgaben führen dazu, dass VSG heute tendenziell dicker ausgeführt werden muss als früher.

    Natürlich gelten diese Aussagen nicht pauschal; zu sehr hängen die Ergebnisse von der Art der Lagerung, der Profilstabilität, den Lastannahmen sowie den vorgesehenen Einzelscheiben und Folientypen ab. Für Anwendungen, wie z. B. bei Ganzglasgeländer, können daher auch die ­Systemlieferanten Auskunft geben.

    Das Merkblatt SIA 2057 wird auch nach dem Inkrafttreten des Eurocodes 10 mit einer Übergangsfrist weitere Jahre gültig bleiben.

    Aus heutiger Sicht kann von einer Gültigkeit bis mindestens im Jahr 2031 ausgegangen werden.

    Unbedingt beachten: Planende und Ausführende müssen sich mit den spezifischen Anforderungen auseinandersetzen, die sich aus dem Merkblatt SIA 2057 und den einschlägigen Normen ergeben. Dies betrifft neben der richtigen Dimensionierung der Glasdicken, auch das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten.

    Zudem sollten alle Beteiligten, von Planung bis Bauherrschaft, über die neuesten Entwicklungen und Bestimmungen informiert sein. Die SIGAB bietet auch Schulungen zur Anwendung der SIGAB-Richtlinie 004 „Geländer aus Glas – Dimensionierung von Glasdicken“ (2024) an. 

    Autor: Daniel Zurkirchen, SIGAB

    Ästhetisch ansprechende Glasgeländer-Ausführungen auf den Terrassen eines Mehrfamilienhauses

    Foto: SIGAB

    Ästhetisch ansprechende Glasgeländer-Ausführungen auf den Terrassen eines Mehrfamilienhauses
    Absturzsichernde Brandschutzverglasungen EI60 in ­einer Schulhaus-Turnhalle

    Foto: SIGAB

    Absturzsichernde Brandschutzverglasungen EI60 in ­einer Schulhaus-Turnhalle
    Französische Balkone zur Absturzsicherung bei ­öffenbaren Fenstern

    Foto: SIGAB

    Französische Balkone zur Absturzsicherung bei ­öffenbaren Fenstern
    Hier ein Ganzglasgeländer mit Kantenschutz

    Foto: SIGAB

    Hier ein Ganzglasgeländer mit Kantenschutz

    Über die SIGAB

    Die Technische Fachstelle SIGAB, mit Sitz in Schlieren, ist die neutrale Anlaufstelle rund um das Thema Glas am Bau in der Schweiz und steht allen Anspruchsgruppen zur Verfügung. Neben Gutachten, Expertisen, Richtlinien u. a. engagiert sich die SIGAB auch mit Schulungen und Beratungen und vertritt die Branche in Normkommissionen, bei Verbänden u. a.

    Ziel der SIGAB ist es, Fachwissen zu vermitteln, den Austausch zu fördern sowie Chancen und Vorteile des Bauens mit Glas bekanntzumachen.

    Weiter agieren die Fachleute als Sachverständige für die Flachglas- und Baubranche. Die SIGAB besteht seit 1980 und ist seit 2023 an den Schweizerischen Flachglasverband (SFV-ASVP) angegliedert.

    In der Schweiz gelten oft andere Bestimmungen als in Deutschland und im EU-Ausland. Wollen Betriebe in der Schweiz Glasarbeiten umsetzen, sollten sie sich mit den dortigen Bestimmungen vertraut machen. Die Technische Fachstelle SIGAB ist der kompetente Ansprechpartner, wenn um Fragen zu Regelwerken rund um Glas geht.

    Matthias Rehberger

    Matthias Rehberger

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