GLASWELT: Herr Dr. Wruk, was unterscheidet Schalldämmgläser von anderen Gläsern?
Dr. Norbert Wruk: Als Schalldämmgläser bezeichnet man im Allgemeinen solche Glasaufbauten, die eine im Vergleich zu Standardverglasungen erhöhte Schalldämmung aufweisen. Vorrangiges Produktmerkmal ist eine verbesserte Dämpfung von Schallwellen über den gesamten hörbaren Frequenzbereich. Schalldämmung wird in der Regel mithilfe des bewerteten Schalldämm-Maßes Rw in Dezibel (dB) angegeben. Diese Messgröße setzt die Schallleistung, die durch die Verglasung hindurchtritt, in Relation zur auftreffenden Schallleistung und gewichtet sie im Hinblick auf die Empfindlichkeit des menschlichen Ohrs. Diese ist für tiefe Frequenzen relativ niedrig, steigt dann an und fällt für sehr hohe Frequenzen wieder ab.
GLASWELT: Was muss ein Schalldämmglas heute in Sachen Optik und Statik leisten?
Dr. Wruk: Die Kunden erwarten, dass sich Schalldämmgläser optisch nicht von Standardisolier- oder Verbundgläsern unterscheiden. Die Statik, oder besser gesagt der Widerstand gegen Wind- oder Klimalasten, ist eigentlich kein großes Problem. Ein probates Mittel, die Schalldämmung zu verbessern, ist eine Erhöhung der Glasdicke und damit der Masse. Dadurch wird automatisch die Fähigkeit, Lasten aufzunehmen, erhöht. Die Kehrseite sind höhere Gewichte und Dicken der Verglasungen, welche der Rahmen fassen muss.
GLASWELT: Welche Gläser stehen bei der Nachfrage im Vordergrund?
Dr. Wruk: Es gibt Bauvorschriften, die eine bestimmte Schallschutzklasse vorschreiben – z.B. je nachdem, wie weit ein Gebäude von einer Straße entfernt ist und welche Verkehrsdichte dort herrscht. Aufgrund der Bauvorschriften ist die Nachfrage nach Produkten der Schallschutzklasse 4, also eine Schalldämmung von mindestens 40 dB, am Bau am größten.
GLASWELT: Mit welchen Partnern arbeiten Sie beim Schallschutz zusammen?
Dr. Wruk: Wir arbeiten mit den Herstellern von schalldämmenden Zwischenschichten zusammen. Hier hat es eine Entwicklung weg vom Schalldämm-Gießharz hin zu modifizierten PVB-Folien gegeben. Diese bieten eine Verbesserung der Schalldämmung sowohl des Verbundglases als auch des mit diesem Verbundglas hergestellten Isolierglases. Die Herausforderung für die Folienhersteller liegt darin, einerseits die Schalldämmung zu verbessern und andererseits die guten Eigenschaften der PVB-Folie, vor allem hinsichtlich der Sicherheitseigenschaften und der Verarbeitung, beizubehalten. Zudem arbeiten wir mit akkreditierten Prüfinstituten zusammen, die unsere Messergebnisse nochmals überprüfen. Sollten die Ergebnisse nicht übereinstimmen, ist es sinnvoll, die Ursachen dafür gemeinsam zu ergründen. Drittens gibt es die Mitgliedsfirmen des Flachglas MarkenKreises. Diese konfrontieren uns immer wieder mit neuen Marktanforderungen, vor allem was die Kombination von Schalldämmung mit weiteren Funktionen, z.B. Wärmedämmung oder Sicherheit, angeht. Das erfordert auch, ständig neue Lösungen zu entwickeln.
GLASWELT: Wie schätzen Sie den künftigen Markt für solche Glasprodukte ein?
Dr. Wruk: Die Nachfrage nach Schalldämmgläsern wird eher zu- als abnehmen. Auch wenn Schalldämmung nicht den Stellenwert hat wie Maßnahmen zur Energieeinsparung, so ist doch ein eindeutiger Trend zu einer verbesserten Schalldämmung zu beobachten. Zunehmen werden sicher auch Anwendungen, in denen eine gezielte Erhöhung der Schalldämmung in einem bestimmten Frequenzbereich gefordert wird, um die Schallemissionen durch bestimmte Lärmquellen, wie Straßen-, Schienen- und zunehmend auch Luftverkehr, gezielt zu dämpfen.
GLASWELT: Welche Chance sehen Sie dabei?
Dr. Wruk: Unsere Chance besteht darin, dass wir kurzfristig individuelle Lösungen realisieren können, die unsere aktuelle Produktpalette allein nicht abdecken kann. Der Verbraucher ist meist weniger an der Schalldämmung einer Verglasung als vielmehr der des Fensters interessiert. Es kommt vor, dass Verglasungen, die für sich allein genommen die gleiche Schalldämmung aufweisen, im Rahmen ein ganz unterschiedliches Verhalten zeigen. Daher ist es ein Vorteil, dass wir in unserem Schallprüfstand auch ganze Fenster einbauen und prüfen können. So sind wir in der Lage, eine Komplettlösung vorzuschlagen. —
Das schalltechnische Labor
Neben der Entwicklung von Schalldämmgläsern wird im schalltechnischen Labor der Pilkington Deutschland AG Forschungsarbeit zum Funktionsmechanismus, zur Temperaturabhängigkeit der Schalldämmung sowie zu neuen Konstruktionen und Materialien betrieben für Gebäude- und Fahrzeuggläser. Die Mitarbeiter des Labors sind an der Normenarbeit beteiligt.