Glaswelt – Herr Schmid, Sie stehen seit gut fünf Monaten als Geschäftsführer Albat+Wirsam vor. Was ist Ihr Eindruck von der Branche?
Dr. Uwe Schmid – Ich bin vor allem fasziniert von der Begeisterung für Glas, die ich bei unseren Kunden immer wieder erlebe. Ich denke, diese Begeisterung ist die treibende Kraft hinter den vielfältigen Innovationen am Markt – damit meine ich nicht nur Produkte, sondern auch lösungsorientierte Konzepte und Service. Hier ist die Branche auf vielfältige Weise kreativ.
Begeisterung allein reicht jedoch nicht aus. Man muss auch wissen, wie man sie in marktfähige Leistungen transformiert. Mein Eindruck ist, dass die Glasbranche und vor allem viele Mittelständler mit innovativen Lösungen daran arbeiten, sich durch eine enorme Produktvielfalt zu differenzieren und gleichzeitig sehr kurze Lieferfristen von nur wenigen Tagen zu bewerkstelligen.
Glaswelt – Wie schätzen Sie die Entwicklungen am Glas- und am Fenstermarkt ein, wird 2012 ein gutes Jahr?
Schmid – Aktuell sind die Auftragsbücher vieler Kunden noch sehr gut gefüllt. Da rund 70 Prozent der globalen Flachglasproduktion in die Architektur gehen, sind die weiteren Aussichten sehr stark vom Baugewerbe abhängig. Hier sorgen vor allem die vielen energetischen Sanierungen dafür, dass es nach aktuellem Stand im Jahre 2012 noch zu einem geringen Wachstum kommen wird. Mittelfristig wird sich die Glas- und Fensterbranche jedoch nicht von einer generellen Konjunkturabkühlung aufgrund der aktuellen Schulden- und Finanzkrise entkoppeln können. Gerade jetzt sollten daher alle Sparpotenziale ausgeschöpft und Kosten gesenkt werden.
Glaswelt – Wo sehen Sie für Glasverarbeiter und Fensterbauer noch Potenziale, ihre Produktion zu optimieren?
Schmid – Optimierungspotenzial gibt an vielen Stellen, und oft führen bereits einfache Maßnahmen zu beeindruckenden Verbesserungen. Aber dazu gehört die Bereitschaft, alle Prozesse auf den Prüfstand zu schicken und mitunter völlig umzudenken. Was vor fünf Jahren eine hervorragende Lösung war, bremst mich als Verarbeiter womöglich heute gefährlich aus.
Die Kernbereiche der Produktion lassen sich fast überall durch höhere Automation verbessern, aber diese muss in eine intelligente Gesamtorganisation eingebettet sein. Insofern sehen wir uns weniger als Anbieter einzelner Softwareprodukte, sondern als Partner für umfassende Lösungen.
Glaswelt – Wie sollte ein optimal vernetzter Fertigungsbetrieb aussehen?
Schmid – Die Prozesse sind von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich. Die Anforderungen eines Glasbearbeiters mit großer Fertigungstiefe und viel Individualfertigung sind völlig andere als die eines Isolierglasherstellers, der ständig Großaufträge 24 Stunden nach Auftragseingang ausliefern muss. Aber alle brauchen ein hoch effizientes „IT-Rückgrat“, das sämtliche Firmenbereiche von der Auftragsbearbeitung über die Fertigung bis hin zur Versandlogistik zuverlässig verbindet und steuert. Das gilt auch, wenn der Produktmix noch so bunt ist und die Maschinen von vielen verschiedenen Lieferanten stammen. In einem modernen Betrieb sind daher nicht nur die Unternehmensbereiche, sondern auch die Maschinen über das digitale Rückgrat in Echtzeit miteinander vernetzt. Der Informationsfluss ist bi-direktional, das heißt, er geht in beide Richtungen, sodass auch bei einer Ausnahme (Produktionsfehler) im hinteren Teil der Produktion eine sofortige Umplanung/Einsteuerung in den Produktionsstufen weiter vorne erfolgt. Zudem wird die gesamte Produktion durch ein Monitoring-System überwacht, sodass die Mitarbeiter bei Bedarf eingreifen können.
Glaswelt – Lässt sich das auch mit dem bereits bestehenden Maschinenpark umsetzen?
Schmid – Ja, sicher. Bei den meisten Projekten arbeiten wir mit bereits vorhandener Maschinentechnik. Natürlich gibt es Grenzen: Mit einer zehn Jahre alten ISO-Linie können Sie nicht so direkt kommunizieren, wie ich es gerade beschrieben habe. Aber auf allen Märkten vernetzen und optimieren wir erfolgreich sämtliche Produktionsumgebungen.
Glaswelt – Was kann aktuelle Software leisten, um die Arbeit für den Mann an der Maschine zu vereinfachen?
Schmid – Automatisieren, informieren, Fehler verhindern. Nur einige Beispiele: Das automatische Scheibenhandling, etwa im Zuschnitt, ist ohne durchgängige Softwaresteuerung nicht möglich. CNC-Maschinen werden online mit Maschinendaten gefüttert und müssen nicht mehr vom Maschinenführer aufwendig manuell programmiert werden. Unsere Software zeigt an allen Arbeitsplätzen die nötigen Fertigungsinformationen an, ob Abstellplatz oder Scheibenaufbau- und Ausrichtung, und führt jede Scheibe zuverlässig von einem Fertigungsschritt zum nächsten. Es gehen weniger Scheiben verloren, und es wandern weniger falsch produzierte Scheiben in den Scherbencontainer – für den Verarbeiter ist es einfacher, Fehler zu vermeiden. Die Auslieferung wird zuverlässiger und die Kundenzufriedenheit nimmt signifikant zu.
Die Fragen stellte GLASWELT-Chefredakteur Matthias Rehberger. —
Neue Produkte von A+W
„Dragonfly“ – die nächste ERP-Generation
Ein wichtiger Beitrag zur Transparenz sämtlicher Geschäftsprozesse sind ergonomische grafische Benutzeroberflächen, die auch von weniger erfahrenen Anwendern sicher beherrschbar sind. Durch die Nutzung neuer Entwicklungstechnologien ergibt sich hier ein hohes Optimierungspotenzial bei gleichzeitiger Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit im Hinblick auf künftige Betriebssysteme. Albat+Wirsam entwickelt gegenwärtig eine ERP-Lösung für mittelständische Glasveredler, die im Frühjahr 2012 zur Pilotierung vorgesehen ist. Das unter dem Projektnamen „Dragonfly“ vorgestellte Produkt werde laut A+W durch viele Verbesserungen im Detail deutlich bedienerfreundlicher. Dazu zählen u.a. eine neue grafische Benutzeroberfläche sowie verbesserte Gruppier-, Sortier- und Report-Funktionen.
Neue Kapazitäts-Planungs-Software
Mittelständische Unternehmen, die kein PPS-System einsetzen, können von einer ergonomischen Kapazitäts-Planung vielfach profitieren. Dies betrifft nicht nur das Produktions-Timing, sondern auch den gesamten Bereich der Kostenrechnung und die Transparenz laufender und geplanter Produktionsprozesse. Hier setzt die neue Kapazitäts-Planung für Einsteiger an, die dem Anwender der A+W-Software Business Solutions ein schlankes, vielseitiges Tool an die Hand gibt. Dieses kann vom Anwender selbst auf einfache Weise konfiguriert und den individuellen Anforderungen in der Firma angepasst werden.
Barcode-Lösung für Einsteiger
Mit der neuen, voll integrierten Barcodelösung in Verbindung mit hochmodernen Microsoft Windows CE Scannern können jetzt Buchungen unmittelbar und kabellos durchgeführt werden. Dabei werden alle Scans direkt in die Datenbank eingetragen und der Anwender erhält ein sofortiges Feedback, ob die Datenerfassung erfolgreich war. Durch diese Einstiegslösung in die Scantechnologie werden die Prozessdaten transparenter, etwa im Wareneingang oder im Versand. Die eingesetzten Scanner seien extrem robuste Industriecomputer, die direkt ins W-LAN eingebunden werden und daher weder Kabel noch Auslesestationen benötigten.