Reicht Alt gegen Neu, reicht die Investition in neue Anlagen alleine aus? Oder braucht es mehr als nur neue Anlagentechnik, um seine Fertigung effizient zu machen? Wie die Erfahrung zeigt, bringt ein moderner Maschinenpool viele Vorteile, ist aber von alleine noch kein Allheilmittel, wenn es um die Effizienz der eigenen Produktion geht.
Zur Kostendeckung hoher Maschinenstundensätze von Fertigungsanlagen ist eine hohe Produktivität gefordert. Die effiziente Nutzung der vorhandenen Kapazitäten ist daher zwingend erforderlich, aber in vielen Glas verarbeitenden Betrieben nicht gegeben. Gerade bei vernetzten Anlagen lassen sich große Optimierungspotenziale erschließen. So gilt es, genau zu analysieren, wo die Schwachpunkte in der Produktionskette liegen.
Die Effizienz und der Ausstoß einzelner Anlagen oder der gesamten Fertigungslinie wird vom Verarbeiter häufig falsch eingeschätzt. Das liegt oft daran, dass in der Anlagenbeschreibung und bei (Messe-)Vorführungen von idealen Voraussetzungen ausgegangen wird. Dies entspricht in der Regel aber kaum dem Produktmix, der dann beim jeweiligen Verarbeiter wirklich umgesetzt wird, wodurch auch andere Ergebnisse als vielleicht ursprünglich geplant, zu verzeichnen sind.
Ohne genaue Vorgaben geht es nicht
Bereits im Vorfeld von geplanten Anlageninvestitionen gilt es, genauestens zu überlegen und zu prüfen, was auf der Anlage gefertigt werden soll. Zudem ist es unerlässlich, sich ein klares Bild von den technischen Kapazitäten und Möglichkeiten der Anlagen im eigenen Betrieb zu machen. Dies muss die Umfeldeinflüsse und potenziellen Störgrößen im Produktionsablauf (Störart, -dauer und deren Wirkung) beinhalten. Denn nur so kann man die (neue) Produktion optimal ausrichten und hinsichtlich der Effizienz anpassen.
Dafür hat der Autor eine spezielle und bereits vielfach erprobte Vorgehensweise entwickelt, die hier an einem Beispielprojekt zur „Effizienzsteigerung an Isolierglaslinien“ dargestellt werden soll.
Die Effizienzanalyse ist ein Muss
Der technische Zyklus von Isolierglasanlagen beträgt rund 25 Sekunden. Damit sind theoretisch über 140 Einheiten pro Stunde möglich.
Dass diese Werte in der Praxis selten erreicht werden, liegt zum einen an der Art und Größe der zu bearbeitenden Gläser (z.B.: 3-fach-Isoliergläser benötigen zwei Arbeitszyklen; die Gasfüllpresse hat bei „Schaufenstern“ einen deutlich längeren Füllzyklus) zum anderen an der oft fehlenden oder nicht abgestimmten sogenannten „Mensch-Maschine-Umfeld“-Organisation.
Am folgenden Beispiel soll diese Aussage verdeutlicht werden: Im Rahmen eines „Effizienzsteigerungs-Projekts“, das ein Glasverarbeiter mit dem Beratungsunternehmen des Autors vereinbart, werden nun mittels Maschinenschreiber, der mit einem eigenen Sensor mit der Fertigungslinie verbunden ist, folgende Werte ermittelt und auf einem Messstreifen täglich in komplexer Form dargestellt:
- Einschaltdauer der Anlage
- Anzahl der produzierten Einheiten während der Einschaltdauer
- durchschnittliche Produktionsdauer einer Einheit (Zyklus)
- Zyklus-Überschreitungen während der Einschaltzeit (Art, Dauer, Häufigkeit)
Zwei Wochen lang wurden diese Daten erhoben und anhand der aufgetretenen „Störgründe“, d.h. der aufgetretenen Unregelmäßigkeiten im Produktionsprozess, ergab sich ein umfassendes Bild der innerbetrieblichen Organisation des „Mensch-Maschine-Umfelds“.
Dadurch wurde die Tragweite aller auftretenden Störungen im Produktionsablauf abschätzbar und berechenbar. Und so konnten die entsprechenden Maßnahmen zur Reduzierung/Beseitigung der Störungen erarbeitet werden. Maßnahmen, die diesen Störgrößen (wie in der Tabelle gezeigt) entgegenwirken, reduzieren die Ausfallzeiten und erhöhen zwangsläufig die Produktivität und dadurch die produzierte Menge. Mit der Realisierung der vorgeschlagenen Maßnahmen waren im genannten Beispiel Kapazitätssteigerungen von 23 % möglich.
Störzeiten und Gegenmaßnahmen
Die Tabelle zeigt beispielhaft auf, welche Störzeiten in der Produktion anfallen können.
Mit den folgenden Maßnahmen kann man zu den in der Tabelle aufgeführten Störzeiten Abhilfe schaffen und die Zeitfresser eindämmen:
- zu 01: Glaspuffer vor der ISO-Linie einrichten; Reihenfolge und Bereitstellung durch den Linienführer; Umstellung auf automatischen Glaseinzug an der Linie
- zu 02: gleiche Produktionsreihenfolge für alle Bereiche (Rahmenbieger, ISO-Linie, Versand); schichtversetzte Vorproduktion der Sprossenrahmen
- zu 03: Leergestellpool einrichten; Gestellwechsel-Organisation durch Versand-Mitarbeiter; Reduzierung Arbeitsinhalte der Abnehmer
Wie die Erfahrung zeigt, sind in den meisten Unternehmen Produktivitätssteigerungen von 20 % bis 30 % möglich. Bei konsequentem, straffen Vorgehen kann innerhalb von rund drei Monaten dieser Produktivitätssprung realisiert werden.
Ausblick
Ein solches Effizienzsteigerungsprogramm ist nicht nur auf Isolierglaslinien anwendbar, es lässt sich auch einsetzen bei komplexen Zuschnitt- und anderen verketteten Anlagen. Da die Vernetzung der Maschinen in der Produktion stetig zunimmt, gilt es, das „schwächste Glied“ herauszufinden und zu optimieren. Denn nur so kann die gesamte Fertigung effizient gefahren werden und ihre Kapazitäten voll ausnutzen.
Wie man es schafft, dass alle Teile der Produktion optimal zusammenarbeiten lesen Sie im dritten Teil der GLASWELT-Serie im nächsten Heft.—
Der Autor
Dipl.-Ing. Wolfgang Reichmuth ist Berater für Glasverarbeiter. Sein Schwerpunkt liegt bei der Optimierung der Betriebsorganisation.
Tel. (02 21) 46 75 02 60