Sind Büroarbeitsräume im Winter zu kühl, dreht man einfach die Heizung auf. Werden sie jedoch im Sommer zu heiß, ohne dass eine Klimaanlage vorhanden ist, hat man ein Problem. Insbesondere bei moderner Stahl-/Glasarchitektur wird durch die solaren Wärmegewinne mehr Wärme in die Räume transportiert als Speicherkapazität vorhanden oder durch Lüftung wieder abgeführt werden kann. Dieser einfache Fall verdeutlicht die Notwendigkeit, thermisch relevante Entscheidungen früh in die Planung mit einzubeziehen.
Ziel von Gebäudesimulationen ist es, Problembereiche rechtzeitig zu erkennen und die zu erwartenden physikalischen Werte für eine bestimmte Raum- oder Gebäudesituation zu berechnen. Insbesondere bei Bauten mit viel Glasanteil, bei Objekten mit besonderen Anforderungen an das Raumklima oder die Akustik wie Galerien, Veranstaltungs-, Ausstellungs- oder Bürogebäude ist eine vorherige Simulation sinnvoll, wenn zudem weitere „Risikofaktoren“, wie leichte Bauweise oder hohe interne Wärmegewinne etc. vorliegen.
Mit Hilfe von Gebäudesimulationen haben Planer die Möglichkeit gegenzusteuern. Simulationen können nicht nur die Behaglichkeit steigern, sondern auch Betriebskosten senken, die - über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes betrachtet - deutlich höhere Kosten als dessen Errichtung verursachen. Maßgebliche Faktoren dabei sind laufende Ausgaben für Strom, Heizung und Lüftung.
Energieoptimierte Gebäude und intelligente Haustechnik bestimmen demnach ganz wesentlich die späteren Betriebskosten. Möglichkeiten und Grenzen der Bau- und Haustechnik bei der Einsparung von Gebäude-Betriebskosten auszuloten, ist ein weiteres Ziel der Gebäude-Simulationstechnik – eine Disziplin, die sich in folgende Bereiche gliedert und die hierzulande beispielsweise im Vergleich zu Skandinavien noch in den Kinderschuhen steckt.
Thermische Gebäudesimulation: Rechnergestützte dynamische Berechnung der Raum- und Bauteiltemperaturen sowie ggf. Feuchten in einem Gebäude, in Abhängigkeit von Faktoren wie Klima, Gebäudestruktur, Nutzung und Betrieb.
Energetische Gebäudesimulation: Auf der thermischen Gebäudesimulation aufbauende oder daraus abgeleitete Berechnung des Energiebedarfes zur Raumkonditionierung eines Gebäudes.
Anlagensimulation: Simulation einer technischen Anlage und ihres thermodynamischen Verhaltens mit dem Ziel, eine detaillierte Analyse der Anlagenparameter und der Betriebsführung durchführen zu können und einen Variantenvergleich zu ermöglichen.
Strömungssimulation: Mit Hilfe einer Strömungssimulation wird die räumliche Verteilung der Raumlufttemperatur, der Raumfeuchte, der Raumgeschwindigkeit und des Raumluftdrucks präzise berechnet.
Akustische Simulation: Sie ermöglicht raumakustische Untersuchungen in simulierten 3D-Geometrien zur Analyse der Raumakustik von Gebäuden bereits in früher Entwurfsphase.
Tages-/Kunstlicht-Simulation: Neben der Beleuchtungsstärke oder Leuchtdichte berücksichtigt die Visualisierung natürlicher und künstlicher Beleuchtung auch ergonomische, gestalterische und „emotionale“ Gesichtspunkte.
Integrierte Gebäudesimulation: Berücksichtigt thermische, energetische, lüftungstechnische, akustische und lichttechnische Aspekte in einem ganzheitlichen Modell, mit dem Ziel, das Wohlbefinden der Nutzer zu steigern und den Energieverbrauch zu senken.
Wozu Gebäude „simulieren“?
Bei der Planung von energieeffizienten Gebäuden mit einem hohen Anspruch an den Wohnkomfort stoßen Architekten, aber auch Fachplaner durch die Komplexität der Zusammenhänge häufig auf Probleme, die mit herkömmlichen Planungshilfsmitteln nicht zu lösen sind. Bei der Ermittlung des Heizwärmebedarfs wird beispielsweise nur ein ungefährer Richtwert ermittelt, und bei der Festlegung von Heizanlagenkapazitäten werden Werte für interne und solare Wärmegewinne oft mit Durchschnittswerten und hohen Sicherheitsfaktoren berechnet. So wird die Berechnung der Heiz- und Kühllast eines Gebäudes nur für einen Norm-Auslegungstag durchgeführt. Dies führt meist zu einer Überdimensionierung von heiz- und lüftungstechnischen Anlagen und zu Energie-Mehrverbrauch.
Gebäude-Simulationsprogramme bieten wesentlich detailliertere Untersuchungsmöglichkeiten, denn sie berechnen für jede Stunde des Jahres die gewünschten Werte. Somit können insbesondere die thermische Trägheit, Lastprofile der Heiz- und Kühllast, der Luftaustausch zwischen Räumen oder der Einfluss von Steuerungen (z.B. für Verschattungssysteme) und vieles mehr berücksichtigt werden. Die maximale Kühllast fällt somit z.B. in den meisten Fällen niedriger aus, als bei einer Norm-Berechnung. Dies vermindert die Dimensionen von Kältemaschinen und Lüftungskanälen und verringert elektrische Anschlussleistungen. So wird die Dimensionierung der Anlagentechnik optimiert sowie Kosten und Platz gespart. Ferner lassen sich die Auswirkungen von Energiespartechniken darstellen, womit z.B. Heizflächen oder Wärmeerzeuger für Niedertemperaturheizsysteme präziser dimensionierbar sind.
Doch Simulationen haben auch ihre Grenzen: So können beispielsweise Lichtsimulationen Qualitäten wie Raumklima, Atmosphäre oder Lichtstimmung nicht „simulieren“. Insbesondere Licht muss physisch erlebt werden - es lässt sich weder beschreiben, noch kann es über audiovisuelle Medien oder Computersimulationen authentisch nachempfunden werden.
Wann einsetzen?
Zwar liefert die Gebäudesimulation auch in einem fortgeschrittenen Planungsstadium wertvolle Erkenntnisse. Dabei erkannte Probleme lassen sich jedoch meist nur mit zusätzlicher Haustechnik lösen. Je früher Software zur Gebäudesimulation im Planungsprozess ansetzt, desto effizienter können Erkenntnisse bereits im Gebäudeentwurf berücksichtigt werden und desto besser lässt sich die Raum- bzw. Gebäudeform optimieren.
Bei einfachen Standardobjekten reichen Erfahrungswerte völlig aus. Je größer ein Gebäude oder je ungewöhnlicher die Gebäudeform oder Nutzungsart jedoch ist, desto komplexer sind meist auch die Zusammenhänge und desto größer sind die Einsparmöglichkeiten bei entsprechender Optimierung. Die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von Gebäudesimulations-Verfahren wächst mit der Größe und Komplexität des Gebäudes.
Gebäudesimulation am PC
Basis einer Simulation ist ein digitales Gebäudemodell, welches die bauphysikalischen Eigenschaften aller Bauteile präzise beschreibt. Ein thermisches Simulationsmodell enthält beispielsweise alle Informationen über thermische und optische Eigenschaften der verwendeten Baustoffe, eine Definition der Wand- und Deckenaufbauten, Nutzungsprofile zur Bestimmung von internen Wärmegewinnen und Luftwechseln im Gebäude sowie stündliche Klimadaten. Neben den Bauteilen muss die Geometrie des Raumes oder Gebäudes bekannt sein, wobei man diese neu eingeben oder auf vorhandene CAD-Daten zurückgreifen kann. Danach ordnet man den Oberflächen die entsprechenden Wand- und Deckenaufbauten sowie den Räumen ihre Benutzerprofile zu.
Optional werden Heiz-, Kühl- und Belüftungsanlagen des Gebäudes definiert. Ferner können zur Überwachung unterschiedlicher Gebäudekomponenten Kontrollfunktionen in das Modell integriert werden, so etwa die Regulation der Haustechnik oder die Steuerung von Verschattung bzw. Lüftung.
Ergebnisse
Ergebnisse einer thermischen Simulationsberechnung können die Ermittlung des Heiz- und Kühlenergieverbrauchs eines Gebäudes oder die Dimensionierung haustechnischer Anlagen sein. Auch weitere Fragestellungen wie Kondensationsrisiko oder Überhitzung lassen sich klären, ebenso wie komplexere Sachverhalte untersuchen (Beispiele):
- Moderne Verwaltungsgebäude erhalten häufig verglaste Atrien. Mit thermischer Simulationssoftware lässt sich ermitteln, wie viel Heizenergie das Gebäude im Winter dadurch einspart, aber auch, ob es im Sommer Probleme durch Überhitzung gibt.
- Galerien und Museen haben hohe Anforderungen an die Kontrolle von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Die kombinierte Simulation von Gebäude und Haustechnik ermöglicht die Untersuchung verschiedener Möglichkeiten zur Klimatisierung des Gebäudes.
- Bei passiven Heiz- oder Kühltechniken, die mit geringem Energieaufwand ein Maximum an Nutzen erbringen, wird mit Hilfe der Simulationstechnik eine optimale Planung und Quantifizierung der Energieeinsparung möglich.
Integrierte Gebäudesimulation
Damit Gebäude im Sommer nicht zu heiß, im Winter nicht zu kalt, bei Sonnenschein nicht zu hell, bei Klimalüftung nicht zu zugig oder Großraumbüros nicht zu laut sind, müssen verschiedene Faktoren bei der Planung berücksichtigt werden. Zwar gibt es Simulationsprogramme, die die Gebäudethermik, Luftströmungen, Schallverhalten oder auch Lichtverhältnisse simulieren können. Ziel dieser Programme jedoch ist stets die Optimierung des jeweiligen Bereichs.
Eine ganzheitliche Betrachtung aller Faktoren ist nur mit integrierten Software-Lösungen möglich, denn in der Praxis treten meist mehrere, einander wechselseitig beeinflussende Störfaktoren im Hinblick auf das Wohlbefinden der Bewohner/Nutzer gleichzeitig auf. Ziel der integrierten Gebäudesimulation ist es deshalb, möglichst viele Aspekte in einem ganzheitlichen Modell zu berücksichtigen.
Dabei müssen komplexe Simulationen nicht zwangsläufig zu komplizierten Lösungen führen. So kann beispielsweise eine abgehängte Decke, die den Schall absorbiert, das Sonnenlicht nach oben reflektiert, den Luftwechsel garantiert und gestreutes Tageslicht spendet, eine einfache Lösung aller Probleme sein. Wer heute integrierte Lösungen sucht, wird jedoch kaum fündig, da dieser Bereich noch in der Entwicklung steckt.
Schnittstellen
Wichtige Voraussetzung für eine Integration der Gebäudesimulation in den Planungsprozess ist die Übernahme von Bauteilinformationen aus den CAD-Plandaten des Architekten. Im Idealfall übernimmt der Fachingenieur einen Gebäudeplan des Architekten, inklusive aller Bauteildaten und startet seine Gebäudesimulation. Weil dies nur in 3D funktioniert, setzt die planerische Praxis ihre Grenzen, denn die meisten Architekten planen 2D-zeichnungsorientiert und nur wenige bauteilorientiert in 3D. 2D-Linien nutzen aber nichts, denn der U-Wert einer Wand, der vom Architekten bereits gerechnet ist, wird bei der Datenübertragung nicht mitgeliefert.
Müssen die CAD-Daten erst für die Simulation aufbereitet oder neu erstellt werden, kommt man schnell an Rentabilitätsgrenzen. Die IFC-Schnittstelle der IAI (https://www.buildingsmart.de/) erscheint in diesem Zusammenhang als eine hoffnungsvolle Entwicklung. Einziges bisher von der IAI zertifiziertes Simulations-Werkzeug ist das aus Finnland stammende Programm „DDS Riuska“. Es ist zu hoffen, dass sich diesem Beispiel auch andere Anbieter anschließen.
Aktuelle Software-Lösungen
Eine ganze Reihe von Software-Lösungen zur Gebäudesimulation wird mittlerweile angeboten (siehe Tabelle). Ein Großteil davon stammt aus den USA und Skandinavien. Da viele Programme ihren Ursprung im universitären Bereich haben, ist die Bedienung teilweise wenig komfortabel. So verfügen (meist kostenlos erhältliche) Lösungen immer noch über eine Ein- und Ausgabe in Form von Textdateien.
Die meisten kommerziell vertriebenen Produkte sind aber längst an den Windows-Standard angepasst. Alle Programme liefern gute Ergebnisse, lediglich die Form der Ausgabe (Text/Grafik) ist sehr unterschiedlich.
Mit der Bandbreite der Funktionen und Einsatzmöglichkeiten steigt auch der Preis für die Software. Die Preise für Simulationsprogramme liegen zwischen 1000 und mehreren Tausend Euro. Simulations-Software ist mittlerweile so benutzerfreundlich, dass Fachplaner nach entsprechender Schulung/Fortbildung in der Lage sind, Gebäudesimulationen als Dienstleistung anzubieten.
Dass nur auf diesen Bereich spezialisierte Büros dies tun bzw. dass diese Dienstleistung nur sporadisch nachgefragt wird, ist sicher eine Folge davon, dass viele mit dem Begriff „Gebäudesimulation“ wenig anfangen können und der Mehraufwand in der Regel nicht honoriert wird.
Im Sinne der Bauherren/Nutzer und im Sinne der Umwelt sollte sich dieses Hilfsmittel jedoch als fixes Planungswerkzeug etablieren. Die Vorzeichen stehen günstig, denn mit steigenden Energiekosten wächst das dafür notwendige Bewusstsein zusehends. Marian Behaneck