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Lastabtragende Glaskonstruktionen im Messebau (Teil 1)

Smart verbunden

Glas ist im Messebau wegen seiner Transparenz (oder seiner Transluzenz), seinen vielfältigen Möglichkeiten der Farbgestaltung und seiner leicht zu reinigende Oberfläche sehr beliebt.

Dabei kann das Glas in Form einer spektakulären Konstruktion als „Blickfang“ dienen, um die Aufmerksamkeit auf den Messestand und seine Exponate zu ziehen. Zudem lassen sich in Kombination mit Licht interessante Beleuchtungseffekte erzielen. Der Werkstoff ist aber auch prädestiniert, als optisch zurückhaltendes Tragelement verwendet zu werden. Darüber hinaus lässt sich Glas als lastabtragendes Element nutzen.

Die konsequente Ausnutzung seiner Transparenz ermöglicht Konstruktionen, die nicht vom Wesentlichen des Messestands ablenken – den vorgestellten Produkten. Glasanwendungen lassen sich dabei in allen Bereichen eines Messestandes nutzen: vom reinen Ausfachungselement über ab­sturzsichernde Verglasungen, als Aussteifung der Konstruktion bis hin zu statisch lastabtragenden Elementen als Platten, Balken, Stützen und Wandscheiben.

Für die Auflagerung und Verbindung von Glaselementen untereinander, bzw. mit anderen Konstruktionsteilen, werden wie im Hochbau auch im Messebau die üblichen linienförmigen Lagerungen, Scherlochleibungsverbindungen mit Punkthaltern und geklebte Verbindungen verwendet.

Gerade geklebte Verbindungen sind hierbei von Vorteil, da sie werkstoffgerecht sind und es häufig am ehesten ermöglichen, den hohen Designanforderungen der Auftraggeber nachzukommen.

Aufgrund der besonderen Randbedingungen im Messebau bietet sich für Verarbeiter und Planer die Möglichkeit, innovative Ansätze im konstruktiven Glasbau mit einem vertretbaren Aufwand zu realisieren. Die hierbei gewonnenen Erfahrungen lassen sich in konventionelle Hochbauprojekte einbringen.

Baurechtliche Grundlagen

Anders als konventionelle Hochbauten fallen Standkonstruktionen im Innern von Messehallen nicht in den Geltungsbereich der Landesbauordnungen. Die Messegesellschaften verfassen eigene Regularien, die auf den eingeführten Regeln der Technik basieren.

Zur Sicherstellung der Einhaltung des notwendigen Sicherheitsniveaus werden seitens der Messen private Prüfingenieure mit der Prüfung der Standsicherheit der Konstruktionen und der Überwachung der Ausführung beauftragt.

Zur einheitlichen Regelung des zunehmenden Einsatzes von Glaskon­struktionen wurde durch die führenden deutschen Messegesellschaften das „Merkblatt Glas und Acrylglas im Standbau innerhalb von Messehallen“ eingeführt. Dieses regelt Konstruktionen, die im Wesentlichen in den Anwendungsbereich der bauaufsichtlich eingeführten Technischen Regeln TRLV und TRAV fallen.

Für Konstruktionen, Bauteile und deren Komponenten, die nicht in diese ­Regelungsbereiche fallen, lässt sich die im Hochbau erforderliche ­„Zustimmung im Einzelfall“ (ZiE) durch eine „Einbaugenehmigung im ­Einzelfall“ (EiE) ersetzen. Diese EiE ist bei der zuständigen Messegesellschaft zu beantragen und wird i.d.R. durch den beauftragten Prüfingenieur ­ erteilt.

Der Verfahrensablauf lehnt sich an die üblichen Verfahren der ZiE an. Aber anders als bei einer „Zustimmung im Einzelfall“ wird eine einmal erteilte „Einbaugenehmigung im Einzelfall“ bei identischem Aufbau und gleicher Nutzung von allen an dem Merkblatt beteiligten Messegesellschaften auch bei zukünftigen Einsätzen anerkannt.

Der Einsatz statisch tragender Gläser bei Messeständen, d.h. in temporären Strukturen, unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von Kon­struktionen im Hochbau. Während „übliche“ Hochbaukonstruktionen praktisch immer Unikate sind, die im Rahmen eines Bauvorhabens an einem bestimmten Ort errichtet werden und dort verbleiben, müssen Messekonstruktionen fast immer für mehrfache Montagen und Demontagen ausgelegt werden.

Logistik als wichtige Planungsgrundlage

Zudem fallen in der Planung die Aspekte der Logistik viel stärker ins Gewicht. Sondertransporte und spezielle Montagegeräte machen gegenüber Hochbaukonstruktionen – gemessen an der Einsatzdauer – einen viel größeren Kostenanteil aus. Zudem sind die Aufbauzeiten i.d.R. sehr knapp bemessen.

Bereits beim Entwurf der Konstruktion muss deshalb auf die einfache und schnelle sowie eine möglichst kostengünstige Montage geachtet werden.

Mit Blick auf den Einsatz geklebter Verbindungen bedeutet dies beispielsweise, dass örtlich ausgeführte Verklebungen ausscheiden, da diese sich nicht zerstörungsfrei wieder lösen lassen.

Hier bieten sich alternativ Klebeverbindungen mit metallischen Bauteilen (als Schraub- oder Steckverbindung) an, die vorab in der Werkstatt hergestellt wurden. Diese lassen sich dann auf der Baustelle einfach und schnell montieren. Solche vorab ausgeführten Verklebungen sind zudem von höherer Qualität, da sie sich unter definierten Werkstattbedingungen ausführen lassen. Dies kann wiederum ein wesentliches Argument im Rahmen des Antrags einer EiE bedeuten.

Die Realisierung von (geklebten) Sonderkonstruktionen, die eine EiE erfordern, ist im Messebau grundsätzlich einfacher, da die Bauteile während ihrer Nutzungsdauer definierten klimatischen Bedingungen unterliegen. Untersuchungen hinsichtlich negativer Witterungseinflüsse auf die Standsicherheit der Konstruktion sind somit nicht erforderlich.

Darüber hinaus besteht durch die relativ kurzen Standzeiten und durch die häufigen Demontagen eine sehr engmaschige Überwachung der Kon­struktionselemente. Bauteile, die z.B. Glasschäden, Delaminationen oder Ablösungen im Bereich von Verklebungen aufweisen, werden so frühzeitig erkannt und lassen sich vor der erneuten Montage austauschen.

Das wiederholende Lösen der Verbindungen sowie der häufige Transport der Glaselemente stellen aber – anders als bei konventionellen Hochbaukonstruktionen – häufig eine zusätzliche Beanspruchung dar. Diese ist ebenfalls im Rahmen der (konstruktiven) Planung zu berücksichtigen.

Die Vorteile geklebter Konstruktionen im Überblick

Gerade im Messebau lassen sich durch statisch tragende Glaselemente anspruchsvolle Designs eindrucksvoll umsetzen. Aufgrund der besonderen baurechtlichen Situation ist beim Einsatz von Sonderkonstruktionen eine frühzeitige Abstimmung mit dem zuständigen Prüfingenieur zu empfehlen. Die kurzen Montagezeiten und eingeschränkten Montagemöglichkeiten auf der Baustelle sind bereits in einem frühen Planungsstadium zu berücksichtigen. Verklebte Verbindungselemente lassen sich vorab in der Werkstatt qualitätssicher herstellen und stellen so eine sehr montagefreundliche Befestigungsmöglichkeit dar. —

Tipp der Redaktion: Im zweiten Artikelteil in GLASWELT 03/2012 zeigen wir gebaute ­Beispiele aus der Praxis und wie diese Glaskonstruktionen im Detail umgesetzt wurden.

Der Autor

Markus Kramer betreibt seit 2003 ein Ingenieurbüro für Tragwerksplanung und FEM-Berechnungen in Essen. Das Büro konzentriert sich auf den konstruktiven Glasbau, den Stahl- und Metallbau sowie den Fassaden- und Messebau.

http://www.ib-kramer.de

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