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Klimabelastung von Dreifach-Isoliergläsern

Nicht gegen die Natur arbeiten

Bei Isoliergläsern hat der Randverbund die Aufgabe, die Glasscheiben mechanisch zu verbinden und den Scheibenzwischenraum (SZR) dauerhaft abzudichten. Die Abdichtung hat gute Gründe: Es darf kein Wasserdampf eindringen, sonst wird die Scheibe „blind“ und das Füllgas darf nicht entweichen, sonst verschlechtert sich der Ug-Wert. Allerdings verhindert dieses Konstruktionsprinzip einen Druckausgleich. Ändern sich die ­äußeren Bedingungen, Luftdruck und Temperatur, so entsteht schnell zwischen SZR und der Umgebung ein Druckunterschied. Dieser führt dann zum Ein- oder Ausbauchen der Glasscheiben und damit:

  • zu verzerrten Spiegelbildern, insbesondere bei Beschichtungen mit hohem Reflexionsgrad;
  • zu Biegespannungen in den Glasscheiben und damit zum Risiko von Glasbruch;
  • bei hohen Temperaturen zu Überdruck und damit zur Zugbelastung des Randverbunds.

Wind oder andere äußere Lasten werden von beiden Glasscheiben gemeinsam aufgenommen und damit wird das Tragverhalten verbessert.

Die Höhe der Belastung hängt von den äußeren Bedingungen, vom Aufbau und vom Format der Isolierglasscheibe ab. Ungünstig sind dabei ein großer SZR, dicke Glasscheiben, ein unsymmetrischer Aufbau, kleine sowie schmale Formate.

Das Bruchrisiko und die Randbeanspruchung sind besonders bei kleinen Scheiben groß, mit zunehmender Scheibengröße nimmt die Klimalast ab und wird bei großen Scheiben im Vergleich zur Windlast unbedeutend.

Luftdruck und Außentemperatur sind nicht zu beeinflussen. Wichtig ist aber die Temperatur im SZR, die u.a. von der Sonneneinstrahlung und dem Absorptionsgrad der Scheiben abhängt. Überträgt man die Randbedingungen der TRLV auf Standard-Dreifach-ISO, so ergeben sich im Sommer etwas höhere Temperaturen und folglich auch etwas höhere Klimalasten. Im Winter bleibt der raumseitige SZR etwas wärmer, der äußere wird jedoch kälter, sodass sich auch hier für die Außenscheiben eine etwas höhere Klimalast ergibt. Man sollte im Einzelfall genau rechnen und die tatsächliche Ortshöhe berücksichtigen, aber im Allgemeinen kann weiterhin ein isochorer Druck von 16 kN/m2 angesetzt werden.

Scheibenaufbau

Die Statik von 3-fach-Isolierglas ist kompliziert und erfordert entsprechende Berechnungsprogramme. Das Entscheidende ist auch ohne viel zu rechnen verständlich: Man denkt sich die mittlere Glasscheibe weg und hat ein Zweifachglas. Bei symmetrischem 3-fach-Aufbau stimmt dies sogar exakt, z.B. verhält sich ein 3-fach-ISO (6/12/4/12/6) bei Klimalast wie ein 2-fach-ISO (6/24/6). Dabei werden die Scheibenzwischenräume addiert.

Wendet man das Verfahren auf einen asymmetrischen Aufbau an, so wird die dünnere Außenscheibe zu stark, die dicke aber zu wenig belas-tet. Für einen Nachweis muss man also genauer rechnen, für eine erste Abschätzung zeigt das Weglassen der Mittelscheibe das Wesentliche.

Ursache der Klimalast ist das Gas im SZR. Je größer der Zwischenraum, desto mehr Gas ist dort enthalten und umso größer wird die Belastung auf Glas und Randverbund. Der Scheibenabstand sollte nicht größer als nötig sein. Die derzeitige „U-Wert-Olympiade“ zwingt die Hersteller, die letzten „Hundertstel“ im U-Wert zu nutzen und den Scheibenabstand zu „optimieren“. Eine Berechnung nach EN 673 und die Rundung auf 0,1 W/m2K führt dann zum gewünschten Ergebnis: ein Zehntel besser. Bei integrierten Sonnenschutzsystemen werden konstruktiv bedingt noch größere Abstände akzeptiert. Dieser Belas-tung muss man auf andere Weise begegnen.

Dicke Glasscheiben sind steifer und erhöhen die von der Klimalast verursachte Belastung. In der Regel ergeben sich größere Biegespannungen, in jedem Fall entstehen höhere Belastungen des Randverbunds. Sehr ungünstig ist ein asymmetrischer Aufbau. Hier muss die dünnere Scheibe die Verformungsarbeit der dickeren steiferen Scheibe mit übernehmen. Ist ein asymmetrischer Scheibenaufbau (z.B. wegen Schalldämmung oder Absturzsicherung) erforderlich, so ist die ­Klimalast noch dringlicher zu berücksichtigen. Dies gilt bei Dreifachgläsern nochmals verstärkt!

So beugt man Scheibenbruch vor

Ein 3-fach-ISO unterliegt wegen des doppelten SZR höheren Klimalasten. Dickere Scheiben sind hier keine Lösung. Der Königsweg zur Reduktion ­der Klimalasten und deren Folgen sind große Scheiben. Diese können der Volumenänderung des Füllgases folgen, sie lassen sich leichter biegen ohne zu brechen und bauen so die Druckdifferenz ab. Damit werden die Belastung, die Biegespannung und die Randlast reduziert sowie die Wärmedämmung verbessert (geringerer Scheibenumfang bezogen auf die Fläche). Die mit der Durchbiegung verbundenen optischen Phänomene wie Zerrbilder und Interferenzen bleiben jedoch bestehen. Um sie zu verhindern, sind vom Einzelfall abhängige besondere Maßnahmen erforderlich, z.B. kann gezielt ein asymmetrischer Aufbau gewählt werden.

Bei fast allen Bauvorhaben werden neben den großen aber auch kleinere Scheiben benötigt. Zur konstruktiven Vereinfachung werden dann alle Scheiben im gleichen Aufbau ausgeführt. Bei solchen kleineren Scheiben muss man der erhöhten Belastung Rechnung tragen: Ein Vorspannen der gefährdeten Scheibe ist dann erforderlich, um das Bruchrisiko zu vermeiden sowie eine stabilere Randversiegelung (Rückenüberdeckung), um die Randverbundbelastung zu verringern.

Das muss der Verarbeiter beachten

Der Isolierglashersteller sollte mit den Naturgesetzen arbeiten, nicht gegen sie. Die Klimabe­lastung steigt mit dem Scheibenzwischenraum und bei 3-fach-ISO wirken beide Zwischenräume zusammen. Glücklicherweise verringert sich die Belastung mit zunehmender Scheibengröße. Für den Wohnungsbau wäre bei Dreifachgläsern eine Mindestkantenlänge von 1m sinnvoll, auch in Bezug auf Wärmeschutz, da der Randeinfluss reduziert wird.

Eine solche Vorgabe ist nicht durchsetzbar, sie ­widerspricht der heutigen Baupraxis. Man sollte den SZR daher so gering wie möglich halten. Nicht umsonst wird ein Standardaufbau von 3-fach-ISO mit 2 x 12mm SZR empfohlen. So sind Kantenlängen bis zu 0,6m und damit „fast alles“ machbar. Für kleinere Scheiben bleibt nur der Ausweg: „verstärkter Randverbund“ und „thermische Vorspannung“ der gefährdeten Scheiben.

Bei größeren Zwischenräumen, bei dickeren Scheiben und bei asymmetrischen Aufbauten, z.B. bei Absturzsicherung oder Überkopfverglasung, kann dies schon bei Scheibengrößen von 1m Kantenlänge erforderlich sein. In diesen ­Fällen schützt eine detaillierte Berechnung vor bösen Überraschungen.—

Der Autor

Prof. Dr. rer. nat. Franz Feldmeier leitet an der FH Rosenheim das Labor für thermische Bauphysik. Seine Schwerpunkte sind: Wärmeschutz, Glasstatik und -fassaden, Raumklima.

Literaturhinweise zum Thema:

Technische Regeln für die Verwendung von linienförmig gelagerten Verglasungen (TRLV), aktuelle Fassung 2006.

BF Merkblatt 3, Leitfaden zur Verwendung von Dreifach-Wärmedämmglas (2008).

Feldmeier, F., Klimabelastung und Lastverteilung bei Mehrscheiben-Isolierglas, Stahlbau 75 (2006) Heft 6, Seite 467-478.

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