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Klebstoffe für den Glasbau

Leider keine “Alleskleber“

Den „Alleskleber“ für industrielle Anforderungen gibt es nicht, und für Glas schon gar nicht. Gerade im konstruktiven Glasbau ist es wichtig, die Eigenschaften des Klebstoffs an den geplanten Einsatzzweck auszurichten. Vorab gilt es zu klären, welche Funktionen die Klebschicht innerhalb einer Konstruktion erfüllen soll. Die Klebfuge kann z.B. der primären Lastübertragung oder dem Ausgleich von Verformungsunterschieden dienen. Die Anforderungen an ein Klebstoffsystem unterscheiden sich deshalb stark je nach geplantem Einsatzgebiet. Zur sicheren, dauerhaften Auslegung von Anschlussdetails bei Klebkonstruktionen müssen diese Anforderungen von dem Klebstoffsys­tem möglichst gut bzw. voll erfüllt werden. Um dem gerecht zu werden empfiehlt es sich, in einer frühen Projektphase ein Anforderungsprofil zu erstellen, das es erlaubt, ein am Markt befindliches Klebstoffsystem auszuwählen bzw. an einen Klebstoffhersteller heranzutreten.

Allgemeines Anforderungsprofil

Die mechanischen Eigenschaften des Klebers sind bei der Vorauswahl wichtig. Sollen durch die Verbindung hauptsächlich Lasten über kleine Flächen übertragen werden, ist ein Klebstoff mit hoher Festigkeit und Steifigkeit erforderlich.

Hat die Verbindung eine statisch untergeordnete Rolle und dient etwa als elastische Lagerung, ist wiederum eine hohe Elastizität des Klebstoffes von Vorteil. Insbesondere der Ausgleich von unterschiedlichen Temperaturausdehnungen verschiedener Fügepartner ist ein Einsatzgebiet elas­tischer Klebstoffsysteme wie z.B. SG-Silikone. Im Allgemeinen wird aber von diesen eine, gegenüber verfügbaren Klebstoffsystemen, vergleichsweise geringe Festigkeit erreicht.

Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor bei der Kleberauswahl ist der Zustand und die Art der zu verbindenden Materialen und ihrer Oberflächen. Denn die Oberflächenbeschaffenheit der Fügepartner hat einen wesentlichen Einfluss auf die Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit einer Klebverbindung. Diese hängen neben der chemischen Zusammensetzung der Klebstoffe vor allem von substratspezifischen Einflussfaktoren ab. So beeinflussen die Oberflächenstruktur, die Oberflächenfeuchte und eventuelle Oberflächenverunreinigungen die Adhäsion (Haftung) und somit die Qualität einer Klebverbindung.

Wichtig ist es zu klären, in wieweit sich der Klebstoff für die zum Einsatz kommenden Werkstoffe bzw. Oberflächen wie z.B. Glas, Metalle, Kunststoffe, organische Materialien oder auch für beschichtete Oberflächen eignet.

Ferner können oder müssen mögliche Oberflächenvorbehandlungen, die die Adhäsion verbessern, berücksichtigt werden. Hier geben die Klebstoffhersteller u.U. Empfehlungen zum Einsatz einer speziell auf ihr Klebstoffsystem abgestimmten Vorbehandlung (Primer). Zudem sind Technologien am Markt, die durch Beflammung oder Plasmabehandlung die Adhäsion verbessern und die Unterwanderung der Klebung durch Korrosionsvorgänge verhindern können.

Verschiedene Forschungsergebnisse belegen, dass solche Vorbehandlungsverfahren zufriedenstellende Resultate liefern. Für die Verbesserung der Adhäsion an Stahlsubstraten zeigte sich die Beschichtung mit Primern als wirtschaftlich und technologisch sinnvoll. Für die Verbesserung der Langzeitbeständigkeit geklebter Glasverbunde erwies sich besonders das Pyrosilverfahren und unter gewissen Rahmenbedingungen die Plasmapolymerisation als geeignetes Verfahren.

Die Bemessung muss stimmen

Die Klebschichtdicke bedarf bei der Planung besonderer Aufmerksamkeit. Neben der Kraftübertragung, sollte diese Toleranzen zwischen den Fügepartnern ausgleichen können. Durch unterschiedliche Klebschichtdicken stellen sich unterschiedliche Steifigkeiten ein, selbst bei der Verwendung des gleichen Klebers. Das kann bei entsprechenden Belastungsrichtungen zu stark unterschiedlichen Spannungen führen.

Der Aushärtevorgang kann einen Einfluss auf die nötige Dicke der Klebschicht haben. So sind z.B. für die Aushärtung durch Feuchtigkeit/ Verduns­tung relativ große Fugendicken nötig, im Gegensatz zur Aushärtung durch Sauerstoffabschluss. Man muss auch ein eventuelles Schrumpfen des Klebers berücksichtigten, damit nicht schon die im Aushärtevorgang eingebrachten Spannungen die Klebfuge schädigen.

Kenntnisse über die Alterungsbeständigkeit des Klebers sind bei der Planung von dauerhaft tragenden Klebfugen von entscheidender Rolle. So können Feuchtigkeit, UV-Beanspruchungen, korrosive Medien und Klima-Wechselbeanspruchungen zur Alterung des Klebers führen, was sich in einer ungünstigen Veränderung der Fes­tigkeits-, Steifigkeits- und Zähigkeitseigenschaften äußert. Veränderungen dieser Eigenschaften und/oder das Ausschließen einer oder mehrerer Ursachen für die Alterung, muss man bei der Planung unbedingt berücksichtigen, da sie im schlimmsten Fall zum Versagen der Konstruktion führen können. Zu unterscheiden ist hier insbesondere der Einsatz als Innen- und Außenbauteil in einer Konstruktion.

Zudem muss man die Erweichung bei hohen bzw. Versprödung bei niedrigen Temperaturen des Klebstoffs berücksichtigen bzw. durch eine geeignete Wahl des Klebstoffes vermeiden. Hierzu muss man das temperaturabhängige mechanische Verhalten kennen. Die aus dem Eurocode 1 Teil 1-5 (DIN EN 1991-1-5) hervorgehenden durchschnittlichen Extremwerte von außenliegenden Bauteiltemperaturen (für die klimatischen Verhältnisse in Deutschland), die -24 °C und bis zu +79 °C betragen können, zeigen den großen Temperatureinsatzbereich, den ein Klebstoff u.U. im Glasbau vorweisen muss.

Bei der Planung geklebter Verbindungselemente sollte auch ein Augenmerk auf die Produktionsphase geworfen werden. Die Verarbeitungseigenschaften eines Klebstoffes müssen so gewählt werden, dass die Fertigung reibungslos erfolgen kann. Die Viskosität als Maß der Zähflüssigkeit stellt hier ein Auswahlkriterium dar. In Abhängigkeit der Fugendicke und –geometrie sowie der Verklebeposition kann ein dünnflüssiger (niedrige Viskosität) oder ein zähflüssiger Klebstoff (hohe Viskosität) günstiger sein.

Fragen der Topfzeit, der Aufwand beim Mischen und die Empfindlichkeit gegenüber Abweichungen vom Mischungsverhältnis von 2-Komponenten-Systemen müssen für eine praktikable Applikation geklärt werden. In Abhängigkeit der Menge des zu applizierenden Klebstoffes sowie der Reproduzierbarkeit und Sauberkeit der Klebfuge kann der Klebstoffauftrag manuell, halbautomatisch oder vollautomatisch erfolgen.

Vorsicht bei der Verträglichkeit

Die Verträglichkeit der eingesetzten Materialien muss gewährleistet sein: Klebstoffe sind chemische Substanzen, die auch im ausgehärteten Zustand mit anderen chemischen Systemen (z.B. PVB-Folien bei VSG, Glasklötzen, elastomeren Zwischenlagen u.v.m.) reagieren können. Diese Reaktionen können eine Veränderung der mechanischen Eigenschaften sowie des optischen Erscheinungsbildes (Eintrübungen, Farbveränderungen) des Klebstoffes sowie der angrenzenden Werkstoffe mit sich bringen.

Hier empfiehlt es sich alle, in der Konstruktion in direktem und indirektem Kontakt stehenden Werkstoffe, in die Planung mit einzubeziehen und zu beurteilen. Über einige Materialkombinationen bestehen Erfahrungswerte. Den Herstellern liegen oft entsprechende Erfahrungen vor, im Zweifelsfall müssen jedoch versuchstechnische Untersuchungen durchgeführt werden.

Die Verwendung von großzügigen Glasflächen ergibt sich aus der immer stärker werdenden Forderung nach größtmöglicher Transparenz. Auffällige Klebgeometrien oder Farbgebungen stehen dazu im Widerspruch und spielen bei der Klebstoffauswahl ebenfalls eine – wenn auch untergeordnete – Rolle. Und schlussendlich sind die wirtschaftlichen Aspekte, wie der Preis für das Klebstoffsystem und der notwendige Aufwand für die Vorbereitung der Fügeflächen, ein wichtiges Auswahlkriterium.

All diese Punkte müssen Beachtung finden, sollen innovative Verbindungselemente mittels Klebtechnik ausgeführt werden. Einige dieser Punkte bedürfen noch weiterer Untersuchungen bzw. der Aufbereitung durch die Industrie und die Forschung, um die Möglichkeiten dieser Technologie vollends nutzbar zu machen. Über diese momentan noch vorhandenen Hürden handelt der letzte Artikelteil im nächsten Heft.—

Die Autoren

Martin Bues und Marcus Illguth sind wissenschaftliche Mitarbeiter im Labor für Stahl- und Leichtmetallbau der Hochschule München, unter Leitung von Prof. Ömer Bucak. Bues und Illguth bearbeiten die Forschungsprogramme des konstruktiven Glas- und Fassadenbaus sowie der Klebtechnik.

martin.bues@laborsl.de

illguth@laborsl.de

https://www.laborsl.de/

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