Glaswelt – Herr Bruckner, sehen sie in der Glasbranche in den Betrieben auch in Bezug auf die Digitalisierung noch Optimierungsbedarf?
Richard Bruckner – Optimierungsbedarf ist ein latenter Bedarf jedes produzierenden Betriebs, der Mitbewerber in seinem Markt hat. Die Glasbranche steht aber in vielerlei Hinsicht vor speziellen Herausforderungen. Normen, Qualitätsanforderungen und Trends in der Glasindustrie ändern sich in einem Tempo, das gerade in den letzten Jahren noch zugelegt hat. Das erhöht den Innovationsdruck bei den Maschinenherstellern im gleichen Maße, wie es die Flexibilität in der Produktion der Glasbearbeiter fordert. Und über allem steht das Gebot der Kostenoptimierung. Deshalb gibt es überall Optimierungsbedarf. In der Glasbranche habe ich die größte Erfahrung, auch aufgrund meiner beruflichen Historie.
Glaswelt – Welche Bereiche bieten sich besonders für Optimierungen an, und können Betriebe das schnell umsetzen?
Bruckner – Bereiche wo man genauer hinsehen sollte, sind jene bei denen Stillstände bzw. Ineffizienzen die größten Auswirkungen auf den gesamten Betrieb haben. Das können Prozesse am Beginn der Wertschöpfungskette sein z. B. der Lager- und Zuschnittbereich, auch vollautomatisierte, verkettete Linien oder Anlagen mit einem hohen Energieverbrauch (z. B. ESG-Ofen). Einen großen Hebel zur Effizienzsteigerung haben organisatorische Anpassungen im Betrieb. Die Umsetzung hat der Verarbeiter selbst in der Hand, er benötigt dazu in der Regel keinen Zulieferer, und diese Maßnahmen sind nachhaltig.
Glaswelt – Welche Hilfestellung bieten Sie an?
Bruckner – Wir unterstützen Verarbeiter und Maschinenbauer in erster Linie bei der Identifizierung von Optimierungspotentialen. Ein wichtiger Aspekt unserer täglichen Arbeit ist das Veranschaulichen und das begreiflich machen von Potenzialen sowie das Aufzeigen von Verschwendungen bei Zeit, Arbeit, Material, auch Motivation, kurz gesagt: Verschwendung von Geldwerten. Ein wichtiger Faktor ist dabei unser Blick von außen, den wir durch Video-Aufzeichnung festhalten. Je nach Komplexität der Anlagen oder der Prozesse, überwachen wir diese durchgehend bis zu 24 Stunden mit unseren Videokameras. Selbstverständlich ist zu jederzeit ein Mitglied meines Teams vor Ort, um die Hintergründe dieser Abläufe besser zu verstehen bzw. zu hinterfragen.
Glaswelt – Wie machen Sie die Potentiale für Inhaber und Mitarbeiter der Betriebe deutlich?
Bruckner – Mit unserer kamera-unterstützten Analyse der Produktionsbereiche erheben wir sowohl technische als auch organisatorisch bedingte Ausfallzeiten. Eine eigens entwickelte Software unterstützt uns bei der Auswertung der großen Datenmenge. Auf Basis der erhobenen Daten erarbeiten wir dann Vorschläge wie sich Ausfallzeiten minimieren lassen und die Produktivität der Anlagen und Prozesse optimiert werden kann. Falls gewünscht, begleiten und unterstützen wir auch die Betriebe bei der Umsetzung dieser Optimierungsmaßnahmen.
Glaswelt – Warum ist so wichtig, selbst bewährte Fertigungsprozesse weiter zu optimieren?
Bruckner – Die Optimierung der bestehenden Ressourcen und Prozesse ist ein essentieller Bestandteil, um den Geschäftserfolg abzusichern bzw. weiter auszubauen. Speziell in Zeiten wie heute, wo steigende Energiepreise, die Pandemie und noch so manch andere Krisen bzw. Bedrohungen, sowohl den Maschinenbauern als auch den Verarbeitern zusetzen. Probleme in den Lieferketten führen zu langen Lieferzeiten, eine kurzfristig realisierbare und nachhaltige Verbesserung erlaubt die Optimierung der eigenen Ressourcen!
Glaswelt – Wo drückt denn heute bei den Glas-Betrieben „der Schuh“ besonders?
Bruckner – Die Themen Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, Mitarbeiterentlastung, Wettbewerbsvorteil etc. spielen eine wichtige Rolle. An diesem Punkt decken sich auch die Anforderungen der Anlagenhersteller einerseits und der Betreiber andererseits. Was bei unseren Analysen häufig sehr deutlich wird, ist die Erkenntnis, dass sich eine Investition in Maschinen nicht zwangsläufig rechnet, nur weil die Taktzeit der Anlage im Werbeprospekt kürzer ist. Denn, was hilft eine kürzere Taktzeit, wenn die Maschinenverfügbarkeit nicht hoch ist? Oder andersherum betrachtet, was hilft die beste Maschine, wenn sie durch organisatorische Schwachstellen nicht optimal betrieben wird. Diese Themen sind sehr vielschichtig und genau das analysieren wir im Detail.
Glaswelt – Sehen Sie hier Unterschiede bei großen, mittleren und kleinen Betrieben?
Bruckner – Im Endeffekt kann jeder Betrieb, egal welcher Größe, an seinen Prozessen und Abläufen ’feilen’ und sollte dies regelmäßig tun. Die Gründe warum dies oft nicht geschieht oder nur teilweise und zu wenig, unterscheiden sich in Bezug auf die Betriebsgröße: In großen Betrieben hindern oft starre Strukturen bzw. hierarchische Ordnungen die Identifikation von Schwachstellen und das schnelle Abstellen bzw. Ändern dieser Prozesse. Bei kleineren Betrieben sind es eher eingefahrene Prozesse nach dem Motto „das haben wir immer schon so gemacht …“ Das bremst. Der Markt entwickelt sich weiter, wie auch das Produktportfolio bzw. der Produktmix. Speziell hier können wir als externe Berater die Veränderungen neutral und faktenbezogen verdeutlichen.
Glaswelt – Welche Rolle spielen die Mitarbeiter bzw. deren Einbindung bei den Maßnahmen.
Bruckner – Jeder Betrieb lebt vom Engagement seiner Mitarbeiter, auch wenn er noch so automatisiert ist. Die Angst vieler Mitarbeiter ’wegrationalisiert’ zu werden schwingt im Hintergrund immer mit. Doch nicht jede Optimierungsmaßnahme ist gleich zu setzen mit einer möglichen Einsparung von Mitarbeitern. Im Regelfall geht es bei unserer Arbeit um die Reduktion von Verschwendungen und um die Entlastung der Mitarbeiter.
Wenn die Verantwortlichen die Beweggründe einer Betriebs- bzw. Prozessanalyse im Vorfeld offen kommunizieren und die betroffenen Mitarbeiter mit eingebunden werden, erhält man von diesen im Normalfall auch vollste Unterstützung. Es ist ganz einfach: Niemand verrichtet gerne unnötige Tätigkeiten oder verliert dabei gerne Zeit.
Glaswelt – Unterstützen Sie die Betriebe auch noch nach der Installation der Optimierungsmaßnahmen, wenn ja, wie?
Bruckner – Ja, wir unterstützen unsere Kunden langfristig und nachhaltig. In den meisten Fällen fokussiert man sich nach der ersten Analyse auf die „quick wins“. Das heißt Potenziale zu definieren, die einen großen Nutzen bringen mit einem möglichst geringen Aufwand. Das bedeutet in der Regel schon eine deutliche Verbesserung für den Betrieb. Doch die Flachglasveredlung und der dazugehörige Anlagenbau ist kein statisches System. Es gibt Veränderungen im Produktmix, es kommen neue Techniken auf den Markt, etc. Um hier optimal unterwegs zu sein, ist es nötig, die Abläufe in regelmäßigen Abständen zu begutachten und gegebenenfalls anzupassen.
Glaswelt – Welchen weiteren Services bieten Sie für Glasverarbeiter an?
Bruckner – Wir unterstützen unsere Kunden u. a. bei Investitionsentscheidungen, das beginnt bei Materialflussplanungen, Erstellung von Layouts und Pflichtenheften, bis hin zu technischen und wirtschaftlichen Lieferantenbeurteilungen. Sollte der Verarbeiter dann eine Investitionsentscheidung treffen, können wir das Projektmanagement übernehmen, die Schnittstellenkoordination bis hin zur Leistungsüberprüfung bei der Abnahme. Wir erarbeiten auch Lösungen für Spezialanfragen bzw. unterstützen dabei, branchenübergreifend, Partnerfirmen zu finden, die diese Anforderungen bedienen können.
Das Interview führte Matthias Rehberger
Tipp: In der nächsten Ausgabe (06/22) stellt Richard Bruckner (www.bruckner-engineering.com) weitere Möglichkeiten zur Optimierung für Glasbetriebe vor.