Glaswelt – Wird sich die Produktion in den kommenden fünf Jahren grundsätzlich ändern?
Peter Dixen – Ja, ganz sicher. Wir werden mit voranschreitender Digitalisierung eine zunehmend intelligente Automation bis hin zur selbsttätigen Organisation auch komplexer Produktionsprozesse erleben. Maschinen werden auf Basis einer einheitlichen Datenplattform verstärkt miteinander, aber über die Softwaresysteme auch mit dem Benutzer kommunizieren. Das betrifft sowohl die Nutzung intelligenter bidirektionaler Schnittstellen als auch die Optimierung der Produktionsabläufe auf Basis umfangreicher, von Maschinen bereitgestellter Daten. Die Produktion wird schneller, sicherer und transparenter werden. In das Kommunikationsnetz werden verstärkt Marktpartner wie Zulieferer und Kunden einbezogen, was die Planungs- und Fertigungsprozesse noch effizienter machen wird.
Glaswelt – Was sind die Gründe dafür?
Dixen – Die Branche hat sich an Industrie 4.0 ’gewöhnt’. Wer im Privatleben ständig mit ’smarten’ Alltagsbegleitern und Helfern umgeht, verliert Berührungsängste und setzt zunehmend auch im Unternehmen auf hoch digitalisierte Prozesse. Ich denke, es gibt in der Branche heute deutlich weniger Vorbehalte als noch vor drei bis fünf Jahren. Wenn z. B. ein Verarbeiter mit einer neuen Maschine dank intelligenter Schnittstellen in der gleichen Zeit die doppelte Menge wie vorher produzieren kann, wird er nach dieser positiven Erfahrung mit höchster Wahrscheinlichkeit den digitalen Weg konsequent weitergehen und die neuen Möglichkeiten verstärkt nutzen. Hier sind wir auf einem guten Weg.
Nicht zu vergessen ist auch die rasant steigende Notwendigkeit, sämtliche Fertigungsschritte und verwendete Komponenten zu dokumentieren (Stichwort: Produzentenhaftung). Das ist ohne konsequente Digitalisierung nicht wirtschaftlich leistbar.
Glaswelt – Welche Rolle spielen künftig die Software und Updates?
Dixen – Die Software ist als Gehirn der Digitalisierung entscheidend für den Erfolg jedes Unternehmens auf dem Weg zur Smart Factory. Das betrifft neben Einzelprojekten wie der oben beschriebenen bidirektionalen Ansteuerung einer Maschine weit umfassendere Aufgaben wie etwa die Erstellung einer durchgängigen Datenplattform zur Vernetzung von Menschen, Maschinen und Systemen. Nur so können die Unternehmen von der neuen Datenfülle profitieren, die die neuen Maschinenumgebungen sowohl bereitstellen als auch benötigen, und nur so kann in Zukunft eine sich selbst organisierende Fertigung realisiert werden. Wichtig ist, dass die eingesetzte Software herstellerübergreifend ist – auch heterogene Maschinenwelten müssen intelligent vernetzt gesteuert und ausgewertet werden.
Regelmäßige Updates sind unumgänglich, damit die Softwaresysteme ihre Aufgaben zuverlässig und sicher erledigen können. Eine veraltete Software ist fehleranfällig, vor allem aber ein potenzieller Angriffspunkt für Schadsoftware und kann Unternehmen schwer schädigen. Nur neue, aktuelle Release werden neue Maschinen durch „plug in“ erkennen können.
Hier sind die Maschinenhersteller und deren Verbände (VDMA) gefordert, sich auf einheitliche Schnittstellen zu einigen (Stichwort OPC-UA). Für die Softwarehäuser wird damit eine Mitarbeit im VDMA zwingend, da sie eine federführende Rolle bei der Erarbeitung dieser Schnittstellen spielen.
Allerdings müssen die Softwarehäuser ihre Hausaufgaben erledigen und künftig Updates einfacher und weniger fehleranfällig machen.
Glaswelt – Was ändert sich für den Glasbearbeiter bei der Wartung?
Dixen – Predictive Maintenance wird sich zunehmend durchsetzen und den Unternehmen viel Zeit und Geld bei der Wartung ersparen. Zusätzlich wird die Wartung selbst z. B. durch den Einsatz von Augmented Reality-Systemen einfacher und zuverlässiger.
Predictive Maintenance (vorausschauende bzw. geplante Wartung) wird eine genauere Produktions-/Kapazitätsplanung und die sichere Einhaltung von Lieferterminen erleichtern. Sie wird daher nicht nur in die eingesetzten PMS-Systeme integriert werden, sondern bei optimaler Konfiguration bereits bei der Zusage von Lieferterminen im ERP-System berücksichtigt werden.
Glaswelt – Wie können Verarbeiter von der Digitalisierung profitieren, wie sind die Kosten, wo lauern Gefahren, und gibt es auch Bereiche, die darauf verzichten können?
Dixen – Konsequente Digitalisierung macht die Unternehmen profitabler und konkurrenzfähiger, wenn sie überlegt und im richtigen Maß umgesetzt wird. Die Verarbeiter und Isolierglasproduzenten benötigen vor allem einheitliche Datenplattformen und moderne bidirektionale Schnittstellen. Hier müssen Software- und Maschinenhersteller eng kooperieren – es gibt dazu bereits vielversprechende Ansätze. Das erleichtert und verbilligt die Implementierung digitaler Prozesse und erhöht die Akzeptanz in der Branche.
Es gibt sicherlich in vielen Unternehmen Bereiche, die keine Digitalisierung benötigen, aber es gibt keine Unternehmen gleich welcher Größe in der Flachglas Branche, die auf Digitalisierung verzichten können. Sie wären binnen kurzem vom Markt verschwunden.
Hier spielt die Prozessdokumentation (Stichwort Produzentenhaftung) eine entscheidende Rolle. Ohne Digitalisierung wird die Dokumentation der Produkte entweder unvollständig oder extrem aufwändig sein. Beides ist in Zukunft nicht mehr tolerabel Aber natürlich ist der optimale Grad der Digitalisierung unternehmensindividuell unterschiedlich. Ihn durch sachkundige Beratung genau zu evaluieren ist eine wichtige Aufgabe, die Gefahren bei der Gestaltung von Smart Factories von vorn herein minimieren kann.
Die Sicherheit der Informationssysteme muss verbessert werden – das haben Hacker-Angriffe in jüngster Zeit auf teils dramatische Weise gezeigt. Vielleicht sind diese Fälle geeignet, dem Thema künftig mehr Aufmerksamkeit zu schenken und Schwachstellen im System auszumerzen. Hier ist eine enge Zusammenarbeit der Unternehmen mit ihren Softwarepartnern notwendig.
A+W und seine Technologie-Partner
A+W kreiert offene Fertigungswelten, in denen die Wertschöpfungskette bei Glas und Fenster aus digital vernetzten, vollautomatischen und intelligenten Prozessen besteht. Menschen, Produktionsanlagen und Informationstechnologien werden zunehmend online, in Echtzeit und ganzheitlich koordiniert. Dies ermöglicht es Verarbeitern, Glas und Bauelemente effizient und kreativ zu veredeln und zu vertreiben.
Moderne Fertigungsumgebungen sind stets vernetzte Systeme aus leistungsfähigen Maschinen und intelligenter Branchensoftware. Im Innovationsnetzwerk aus Glasveredler oder Fensterbauer, Maschinenbauer und Softwarehersteller entstehen aus oft heterogenen Komponenten ganzheitliche Lösungen aus der Praxis für die Praxis, die für die Branche wegweisend sind.
So hat A+W mit verschiedenen Maschinenbauern stets passende Lösungen für Verarbeiter gefunden und die Glasindustrie nachhaltig verändert.
Beispiele sind die vollautomatische online-Glas-Sortierung und die Roboter-Beladung in Wunschsequenz am Ende der Isolierglaslinie. Ziel sei es, die Maschinenkommunikation zwischen heterogenen Anlagen sowie zu übergeordneten Systemen zukunftsfähig zu machen.
Gemeinsam mit den Herstellern von CNC-Fertigungsstraßen programmiert und optimiert der Sofware-Anbieter intelligente bidirektionale Schnittstellen zur vollautomatischen Maschinensteuerung – wichtige Bausteine jeder modernen Fertigung auf dem Weg zu Industrie 4.0. Gemeinsam mit seinen Maschinenpartnern arbeitet A+W an der Entwicklung eines gemeinsamen herstellerübergreifenden Schnittstellen-Standards für die Flachglas-Industrie, um komplexe Produktionslandschaften schneller, digitaler und sicherer zu machen.
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