Glaswelt – Wird sich die Produktion in den kommenden fünf Jahren grundsätzlich ändern?
Markus Fischer – Abgesehen von bewährten Verfahrenstechniken wie bspw. im Isolierglasbereich werden sich die Produktionsprozesse in den nächsten fünf Jahren mit Sicherheit in Richtung Vollautomatisierung bewegen. Das bringt nicht nur Vorteile hinsichtlich einer effizienteren und reibungsloseren Fertigung: Die Transparenz der Abläufe wird sich maßgeblich erhöhen und eine 360° Übersicht auf alle unterschiedlichen Produktionsebenen bieten. Damit optimieren sich nicht nur interne Abläufe – Kunden können zukünftig online den gesamten Verlauf ihrer Bestellung beobachten.
Ein Beispiel für die vollautomatisierte Produktion der Zukunft muss die wesentliche Vereinfachung der Verschiebung eines Liefertermins sein. Ähnlich wie bei der Änderung eines Termins im Outlook, bei dem alle Beteiligten sowie die gebuchten Räume automatisch informiert und umgebucht werden, muss das zukünftig auch bei Produktionssystematiken funktionieren, die sich bis zum letzten Detail auf den neuen Liefertermin automatisiert umstellen und von selbst optimieren. Selbstverständlich wird das System in Zukunft an dieser Stelle melden, ob und wenn ja, wo erhöhte Kosten dafür anfallen.
Glaswelt – Was sind die Gründe dafür?
Fischer – Aus technischer Sicht ist ein Grund dafür, dass bisher zwar die Kommunikation zur Maschine bereits gut funktioniert hat, die neuesten Entwicklungen aber auch zulassen, dass die Maschine Feedback an die Software zurückspielt. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten und macht den Einsatz einer Maschine als Mitarbeiteräquivalent mit weit geringerer Fehlerquote und in Folge gesteigerter Effizienz und Effektivität möglich. Daraus lassen sich natürlich wiederum wirtschaftliche und qualitative Gründe nicht nur für den Hersteller, sondern auch für den Kunden ableiten.
Glaswelt – Welche Rolle spielen künftig die Software und deren Updates?
Fischer – Eine intelligente Software ist jetzt schon das Bindeglied in der Automatisierung und notwendig, um komplexe Prozesse wirtschaftlich und kostengünstig abbilden zu können. Hinsichtlich der Vollautomatisierung wird die Rolle der Software sicherlich noch zentraler und muss neben ihrer Funktionalität auch noch eine intuitive Bedienbarkeit und flüssige Handhabe beim Endnutzer sicherstellen, die sich je nach Kundenanforderungen flexibel adaptieren lässt. Künftig wird die Software alle Daten aus den Aufträgen selbstständig analysieren und mit den Möglichkeiten, Kapazitäten und Leistungskennzahlen der Anlagen abgleichen.
Kurz gesagt: Auftragsdaten werden ins System gespielt (natürlich automatisch oder automatisiert) und das fertige Produkt kommt just in time beim Kunden an. Alle Planungs- und Dispositionsaufgaben übernimmt das System selbstständig und zu den wirtschaftlich besten Bedingungen.
Und: Alle angefallenen Kosten werden ins System zurückgespielt und mit der ursprünglichen Kalkulation (für diesen Auftrag und Kunden, für den Liefertag…) verglichen. Somit ist eine entsprechende Kontrolle gegeben.
Updates stellen eine laufende Programmverbesserung und Funktionserweiterungen dar und sind unumgänglich. Zukünftig müssen aber Implementierungsmöglichkeiten für diese Updates gefunden werden, die möglichst unsichtbar sind und Produktionsplanung bzw. -ablauf nicht stören.
Glaswelt – Was verändert sich bei der Wartung?
Fischer – Wartung und Instandhaltung sind die wesentlichen Garanten für einen störungsfreien und effektiven Betrieb der Anlagen und werden auch in Zukunft weder wegfallen noch ersetzt werden können. Wir können jedoch die Wartung vereinfachen.
Im heutigen Standard gibt es schon eine 24/7 Hotline, welche dem Servicetechniker erlaubt sich über Fernwartung online auf die Maschine zu schalten. Das klare Ziel ist hier eine rasche und effektive Unterstützung des Bedieners bei Problemfällen.
Als Add-on hilft das Lisec.eye, mit dem via Live-Übertragung Problemstellungen an der Maschine online ausgetauscht und Erläuterungen direkt im Display des Kunden angezeigt werden können. Allein dieser Schritt vereinfacht den Produktionseinsatz einer Anlage enorm.
In den nächsten Jahren werden die Maschinen sich selbst kontrollieren, Fehler und Verschleiß frühzeitig erkennen und an den Bediener melden, um einen Stillstand der Maschine möglichst zu verhindern. Wartungsaufgaben werden dann automatisiert mit Erläuterungen in den Kalender des Instandhaltungsverantwortlichen geschrieben.
Die Maschinen und Anlagen werden also mit dem Bediener und Personal reden und wichtige Informationen selbstständig rechtzeitig zur Verfügung stellen. Erste Schritte in die künstliche Intelligenz.
Glaswelt – Wie können Verarbeiter von der Digitalisierung profitieren, wie sind die Kosten, wo lauern Gefahren und wann gibt es auch Bereiche, die darauf verzichten können?
Fischer – Verarbeiter können nur dann von automatisierter Fertigung und Digitalisierung profitieren, wenn sie die Systeme einfach und intuitiv bedienen können. Es wird nach wie vor Produktionsstätten geben, in denen keine vollautomatischen Maschinen stehen und diese auch nicht notwendig sind. Dies betrifft besonders Betriebe im handwerklichen Bereich.
Eine Vollautomatisierung wird primär in industriellen Fertigungsstätten Einzug halten, denn hier betrifft die Automatisierung die gesamte Infrastruktur und somit können effektiv Kosten gesenkt bzw. die Vorteile der Digitalisierung ausgenutzt werden.
Das Thema Daten- und Informationssicherheit gewinnt generell immer mehr an Bedeutung und verlangt aktive Maßnahmen, um internen und externen Missbrauch konsequent zu unterbinden.
Die Fragen stellte Matthias Rehberger.