Glaswelt – Wird sich die Produktion in den kommenden Jahren grundsätzlich ändern?
Bernhard Hötger – Ich bin seit mehr als 35 Jahren in der Glasindustrie zuhause und habe seit Anfang der 1980er Jahre den stetigen Wandel zu mehr Automation begleitet und mitgestaltet. Nachdem die ersten CNC-Maschinen Einzug in die Produktion gehalten haben, folgten sehr schnell automatisierte Glaslager, vollautomatische Brechanlagen, das automatische Restesystem ReMaster und auch das Sortiersystem SortJet. Immer mehr hat sich dabei im Laufe der Zeit der Fokus auf eine ganzheitliche und übergreifende Betrachtung der Fertigung erweitert. Die fortlaufende Digitalisierung wird die Anforderungen noch weiter verändern.
Als Hegla-Gruppe (www.hegla.com) unterstützen wir unsere Kunden bei der Digitalisierung ihrer glasverarbeitenden Betriebe, indem wir jeder Glasscheibe dank der Markierung der Hegla boraident eine digitale Identität mit auf den Weg geben können. Mithilfe der Hegla-Hanic Software sind wir in der Lage, diese digitalen Identitäten zu steuern, zu optimieren und diese immer in den optimalen Fluss zu bringen.
Glaswelt – Wo sehen Sie die Gründe für die zunehmde Digitalisierung?
Hötger – Bei all den Fragen der Steuerung und Optimierung der Produktion geht es in erster Linie um eine möglichst hohe Wertschöpfung und Qualität für den Kunden. Die installierten Kapazitäten reichen häufig aus, um die anfallenden Kundenaufträge abzuarbeiten. Da jedoch heute die Stückzahl „1“ bei allen möglichen Abmessungen und Glasarten gefordert wird, kommt selbst eine gut organisierte Mannschaft in der Produktion und der Arbeitsvorbereitung an ihre Grenzen. Ein Erfolgsfaktor liegt hier in der Digitalisierung und besseren Verknüpfung der einzelnen Prozesse. Einerseits werden so die Übergänge zwischen den Maschinen verbessert, andererseits werden so Daten erfasst, die zur Optimierung der Abläufe, der Taktzeiten, für zukünftige Planungen und für das Prozessdesign eingesetzt werden können.
Glaswelt – Welche Rolle spielen zukünftig die Software und die Updates?
Hötger – Die Software ist ein gutes und wichtiges Werkzeug. Sie muss jedoch in den gesamten Prozess integriert und perfekt auf die Maschinentechnik und die Shopfloor-Logistik abgestimmt sein, ansonsten bringt sie nicht den gewünschten Nutzen. Um die Funktionalität und Sicherheit permanent auf einem hohen Niveau zu halten, sind Updates ein erforderlicher Bestandteil dieser hochkomplexen Softwaresysteme.
Glaswelt – Wenn die Fertigung komplexer wird, was ändert sich bei der Wartung?
Hötger – Die Wartung wird ein unverzichtbarer Teil dieses hochautomatisierten Systems sein. Es wird festgelegte Wartungsintervalle geben, die vom Personal des Glasverarbeiters selbst und nutzerfreundlich ausgeführt werden können, so dass die Verfügbarkeit der Anlagen auf höchstem Niveau gegeben ist. Weiterhin ist es den Maschinen zukünftig selbständig möglich, frühzeitig auf eine Wartung hinzuweisen, wenn etwa der Ausfall eines Verschleißteiles durch entsprechende Maschinensensorik absehbar ist. Die Software wird dafür Werkzeuge bereitstellen, die auch von weniger geschulten Mitarbeitern verstanden und angewandt werden können.
Glaswelt – Wie können Verarbeiter von der Digitalisierung profitieren, wie sind die Kosten, wo lauern Gefahren, und gibt es auch Bereiche, die darauf verzichten können?
Hötger – Die Digitalisierung und der Umbau der Produktion zu einem ganzheitlichen, übergreifenden Prozess wird es den Bedienern leichter machen, die Anlagen zu nutzen und insgesamt zu noch verbesserten Taktzeiten führen. Auch die Fertigungsleitung erhält zusätzliche Möglichkeiten, die Prozesse flexibel und effizient zu planen.
Wenn im Vorfeld eine präzise Analyse anhand von Zahlen, Daten und Fakten der Ist-Situation vorgenommen wird, um die notwendigen Informationen zu generieren und damit die gewünschten Abläufe und Prozesse zu gestalten, werden sich die Investitionen in einem überschaubaren Zeitrahmen rechnen.
Die Gefahren lauern darin, dass man geneigt ist, nicht den ganzheitlichen Prozess zu betrachten, sondern immer wieder nur einen Teilbereich. Es kann künftig in keinem Bereich auf eine Digitalisierung verzichtet werden, es sei denn, man möchte das Potential der Wertschöpfung aus strategischen Gründen noch nicht oder nur schrittweise nutzen.
Die Fragen stellte Matthias Rehberger