Glaswelt – Welche aktuellen Herausforderungen sehen Sie für die Wirtschaft und unser Branche?
Ralf M. Kronenberg – An Problemen mangelt es uns in der Wirtschaft aktuell nicht und sie stellen uns vor große Herausforderungen. Die engen Beziehungen der Wirtschaftsmächte stehen heute unter immensem politischem Druck und führen zu einschneidenden Veränderungen der internationalen wirtschaftlichen Beziehungen, bis zu einer beginnenden Deglobalisierung. Steigende Preise und Inflation, begleitet von politischen Versäumnissen.
Glaswelt – Was macht Ihnen konkret Sorge?
Kronenberg – Die nationale Energieversorgung ist nicht sichergestellt, mit dramatischen Auswirkungen auf bereits gestörte Lieferketten. Die Situation verschärft sich durch die Engpässe in nahezu allen Branchen und hohe Ansprüche an die Lieferkette – konkret im Lieferkettengesetz formuliert. Unsere Industrie ist ein Hochleistungsmotor, der gerade stark ins Stottern gerät.
Glaswelt – Wer ist bei den schwer zu kalkulierenden Rahmenbedingungen, einhergehend mit Unsicherheiten bei der Planung, gefragt?
Kronenberg – Der Unternehmer. Denn erschwerte Rahmenbedingungen sollten eher unsere Aufmerksamkeit erhöhen, als sich rein reaktiv auf neue Situationen einzustellen. Jetzt gibt es genug Themen, die von Relevanz sind und in der Verantwortung der Unternehmensleitung liegen.
Vorneweg die strategische Verantwortung, mit dem Fokus auf eine langfristige Orientierung und Firmenstrategie. Darauf einen Blick zu werfen, ist aus unternehmerischer Sicht eine Pflicht – immer begleitet von sich ändernden Rahmenbedingungen. Die Globalisierung zeigt ihre Schattenseiten und offenbart, wie fragil eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Wirtschaft ist, wenn die politische Stabilität international schwindet. Eine strategische Neubewertung der gestörten Lieferketten ist dringend angeraten, um Abhängigkeiten und deren Risiken zu reduzieren.
Der Reifegrad eines Firmenleiters misst sich auch an der Frage, wie er seine Qualitätspolitik beschreibt und wie er diese umsetzt. Und genau das spiegelt sich in konkreten Aufgaben und Aktionen wider.
Glaswelt – Was lässt sich effektiv tun?
Kronenberg – Am effektivsten widmet sich der Unternehmer seinen hausgemachten Problemen. Und da fällt der Blick auf das mächtigste Kriterium für die Stärke unseres Wirtschaftsstandortes Deutschland. Das Qualitätsversprechen, das wir abgeben – das Versprechen, das man immer wieder aufs Neue erfüllen darf. Es steht für das Streben nach Perfektion und generiert Vertrauen der Kunden in die angebotenen Produkte und Leistungen.
Qualität ist für uns bei EK elementarer Bestandteil unserer Strategie – denn Qualität bedeutet Leistungsstärke, Präzision und auch Innovation. Nur so konnten wir uns seit über 155 Jahren am Markt behaupten und Wettbewerbsvorteile finden. Davon profitiert unsere heimische Industrie nachhaltig. Dies zu erhalten, bzw. weiterzuentwickeln liegt in der Verantwortung der Geschäftsleitung.
Glaswelt – Reicht Qualität alleine aus?
Kronenberg – Viele Unternehmen erfüllen heute die hohen Ansprüche an die Produktqualität. Man begreift den hohen Qualitätsanspruch als Pflicht, vermeidet Fehler und liefert nachweislich die vereinbarte Qualität. Diesen Anspruch erfüllen heute sehr viele Firmen durch ein gut organisiertes Qualitätsmanagement – prozessual gestützt durch digitale Lösungen. Zur Frage, genügt das den heutigen Ansprüchen? Oder genauer – Genügt das den Ansprüchen einer modernen und zukunftstauglichen Unternehmensführung?
In den meisten Fällen muss man das meiner Meinung nach leider verneinen. Wir treffen heute in der Regel auf die Umsetzung eines Qualitätsmanagements im klassischen Sinn. Hier werden Qualitätsanforderungen bedient – gemäß den Anforderungen des Kunden, um z. B. eine notwendige Zertifizierung zu erlangen. Das ist das Verständnis für Qualität als Pflicht, das reicht nicht.
Glaswelt – Und wie sieht das bei Ihnen aus?
Kronenberg – Wir bei EK suchen als Entrepreneure kreativ nach Marktchancen und wir haben unsere Unternehmensstrategie konsequent auf Qualität und hohe Kundenzufriedenheit ausgerichtet. Man erkennt das am Umgang mit Qualität – mit dem Anspruch und Ziel, am Markt im Sinne der anspruchsvollen Kunden zu agieren.
Wir bei EK wollen nicht nur den Erwartungen des Marktes gerecht werden. Unser Ziel ist es diese zu übertreffen. Wir suchen den Wettbewerbsvorteil und das Alleinstellungsmerkmal, um uns am Markt erfolgreich zu behaupten. Im Ergebnis haben wir einen Qualitätsgewinn und einen Wissensvorsprung, der den Weg zu Innovationen ebnet. Dieser Anspruch scheint heute in der Industrie eher die Ausnahme als die Regel.
Glaswelt – Also wird Qualität zur Führungsaufgabe?
Kronenberg – Ja, und das zu Recht, denn das Qualitätsergebnis verantwortet ohnehin die Leitung. Genau so kann die oberste Leitung ihrer Verantwortung gerecht werden und darf damit jeden Mitarbeiter in die Pflicht nehmen. Denn Qualität liegt in der Verantwortung aller Mitarbeiter. So beschreibt das Management „Qualität“ als durchgängiges Motiv in allen Unternehmensprozessen. Und im digitalen Zeitalter macht man dies idealerweise digital – nicht mit irgendeinem „Modul“, sondern gestützt durch Software, welche auch dieses Motiv weitreichend bedient.
Glaswelt – Wohin sollte sich der Unternehmer entwickeln?
Kronenberg – In der heimischen Industrie verweilt das Thema Qualität im Fachbereich Qualitätsmanagement. So wird „Qualität“ delegiert, bzw. auf eine Stabsstelle oder eine Abteilung reduziert. Aber die Beschreibung einer Qualitätspolitik kann man nicht delegieren. Die Aufgabe der schriftlichen Formulierung liegt in der Verantwortung der obersten Leitung auf der normativen Ebene eines Unternehmens und ist ’Pflicht’. Die Qualitätspolitik beschreibt die Ausrichtung eines Unternehmens und ist Teil eines Leitbildes. Und die Mutter aller Managementnormen, die ISO 9001, macht daraus eine klare Anforderung an die oberste Leitung, diese schriftlich festzulegen.
Glaswelt – Die Normen sind eins, aber wo findet sich dann der „Wille“ zur Qualität?
Kronenberg – Die schriftliche Beschreibung der Qualitätspolitik ist gewiss keine Aufgabe zum Abhaken, um bei der Zertifizierung einen guten Eindruck zu machen. Es ist der Wille einer verantwortungsvollen Firmenleitung, die Qualität als strategischen Erfolgsfaktor für das Unternehmen sieht. Der Wille nach Qualität und Innovationen ist der Schlüssel für einen nachhaltigen Erfolg.
Glaswelt – Demnach geht der Qualitätsbegriff also weit über die Produkte hinaus?
Kronenberg – Genau. Der Qualitätsbegriff in einem modernen Unternehmen umfasst die Anforderungen der gesamten Organisation. Es geht um die Qualität der Prozesse sowie die Qualität der Führung, mit dem Anspruch an ein nachhaltiges und ressourcenschonendes Wirtschaften.
Umweltschutz ist für den Unternehmer in der heutigen Zeit kein „Problem“ mehr, sondern Teil seiner Strategie, Teil seines Erfolgs am Markt. Das gilt für alle Beteiligten der Lieferkette. Denn unsere Wirtschaft folgt dem gesellschaftlichen Megatrend Neo-Ökologie, siehe Lieferkettengesetz.
Dort spielt Qualität eine zentrale Rolle, denn sie ist Bestandteil eines nachhaltigen Wirkens und Voraussetzung für eine hohe Produkt-, Lebens- und Umweltqualität. Auch die hohen Anforderungen an Nachhaltigkeit werden nicht von einer „Abteilung“ erfüllt – denn auch dieses Thema ist Teil des Qualitätsgedankens und muss in der gesamten Firma berücksichtigt werden.
So ist unser Wirtschaftssystem zu einem Wertesystem geworden. Wir streben heute mehr denn je nach dem Sinn unseres Handelns. Dieses neue Mindset ist die Anforderung für moderne Unternehmensführung – die Anforderungen an ein modernes Qualitätsverständnis und dieses ist elementar für den Markterfolg. Für die beteiligten Personen bedeutet dies: Die Unternehmensleitung braucht mehr Nähe zum Qualitätsmanagement.
Glaswelt – Das bedeutet, dass der moderne Qualitätsmanager viel näher an das Top-Management rückt?
Kronenberg – Richtig, ein modernes Qualitätsmanagement braucht den Qualitätsmanager im Teamwork mit der Geschäftsleitung. Nur in diesem Team ist es möglich, den Qualitätsgedanken auf die gesamte Organisation zu beziehen und damit das System des Qualitätsmanagements zum führenden Element eines integrierten Managementsystems werden zu lassen. So werden alle Anforderungen aus den Bereichen Qualität, Umwelt-, Arbeitsschutz und Sicherheit in einer einheitlichen Struktur erfasst.
Glaswelt – Wer trägt dann letztendlich die Verantwortung für die Qualität?
Kronenberg – Im Management tragen wir die Verantwortung, denn die Anforderungen in solch bewegten Zeiten sinken nicht. Im Gegenteil. Die Unternehmensleitung braucht den Blick für das große Ganze, heute mehr denn je.
Mit unserem hohen Bewusstsein für Produktqualität, gerade in der deutschen Industrie, schaffen wir oft nicht den Blick über den Tellerrand – von einem klassisch-produktorientierten zu einem modern-umfassenden Verständnis von Qualität. Und das in einer Nation, die sich immer der Qualitätsführerschaft rühmte.
Bei der hohen Bedeutung des Themas Qualität, ist das einerseits verwerflich, zeigt uns andererseits aber auch, welch großes Potenzial in unserer Entwicklung schlummert. Dafür ist NICHT der Qualitätsmanager verantwortlich, das ist die Verantwortung der Firmenleitung. Bei uns ist es elementarer Bestandteil der unternehmerischen Verantwortung, denn Qualität ist Chefsache.
Der Reifegrad eines Verantwortlichen in der obersten Unternehmensleitung misst sich auch an der Frage, wie er seine Qualitätspolitik beschreibt und wie er sie umsetzt, und dies erschöpft sich nicht in einer gut verfassten Formulierung, sondern spiegelt sich in konkreten Aufgaben und Aktionen wider.
Glaswelt – Verraten Sie uns Ihren Ansatz für die Zukunft?
Kronenberg – Das ist der Weg zu einer modernen und qualitätsorientierten Unternehmensführung, die sich klar am Kunden orientiert und Service Excellence fest im Blick hat, die ihren hohen Qualitätsanspruch – auch unternehmensübergreifend – in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit in der Lieferkette umsetzt, mit der starken Synergie einer guten Kooperation mit den Geschäftspartnern, geprägt von mehr Offenheit und Transparenz in kollaborativen Prozessen im Sinne der Qualität des fertigen Produktes, mit einer positiven Fehlerkultur, weniger beeinflusst von Strafe oder Pönalen, sondern eher geprägt von einem offenen Umgang mit Problemen, die im Ergebnis einen echten Qualitätsgewinn und einen Wissensvorsprung bieten, mit einem großen Mehrwert für Innovation und bessere Produkte. Und last but not least, die umfassend ihrer unternehmerischen Verantwortung im Sinne der Gesellschaft, des europäischen Standorts, der Kunden, der Mitarbeiter, bzw. aller interessierter Parteien gerecht wird.
Glaswelt – Im Fokus der Chefs muss also die permanente Weiterentwicklung stehen?
Kronenberg – Genau. Wir dürfen uns nicht auf ausgetretenen Pfaden bewegen – wir müssen uns verändern. Wir sollten Veränderungen zulassen, und wir müssen sie initiieren. Wir brauchen dringend den Weg zu einer modernen Unternehmensführung mit modernen Methoden für eine moderne Welt, um uns gerade in schwierigen Zeiten stark für die Zukunft aufzustellen. Wir bei EK initiieren diesen Weg für unsere nächsten Generationen.
Das Interview führte Matthias Rehberger
Fakten zu EK
Die Eduard Kronenberg GmbH wurde im Jahr 1867 in Solingen gründet und ist heute in fünfter Generation durch die Inhaberfamilie geführt. Aktuell sind am Produktionsstandort in Haan über 100 Mitarbeiter aktiv.
EK-Produkte: Stahl- und Kunststoff -Verbinder (www.ek-connect.de) sowie digitale Lösungen für Isolierglas (www.smarelio.com).
Zertifizierungen: IATF 16949 (Qualität) und ISO 14001 (Umwelt)