GLASWELT Herr Hötger, wie hat die Pandemie den Markt aus Ihrer Sicht verändert?
Bernhard Hötger Aktuell sind die Mehrzahl unserer Kundinnen und Kunden aus der Bau- und Architekturglasbranche weit weniger von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie betroffen als viele andere Industrie- und Dienstleistungsbereiche. Durch die große Investitionstätigkeit in private und gewerbliche Immobilien waren die Auftragsbücher vor Corona gut gefüllt und dieser Trend hält im Commercial-Bereich noch an. Die Pandemie hat sich daher bislang vor allem auf die gewohnten Arbeitsweisen in den Betrieben ausgewirkt.
GLASWELT Nennen Sie dazu bitte einige Details.
Hötger Zu den Veränderungen zählen unter anderem Abstand halten, kleinere Teams und möglicherweise die Einteilung in (neue) Schichten, ebenso Fragen der Kinderbetreuung und des Schutzes von Risikogruppen sowie die Sicht auf die Art zu arbeiten. Die Betriebe mussten sehr schnell neue Wege finden, sich der Situation anzupassen und dennoch die Lieferzusagen einzuhalten, um nachfolgende Wertschöpfungsstufen nicht zu beeinflussen.
GLASWELT Wo lagen bei Ihnen im Unternehmen die großen Herausforderungen?
Hötger Für uns als Hersteller für Maschinen und Anlagen für die flachglasverarbeitende Industrie galt es neben dem Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die termingerechte Produktion so gut wie möglich aufrechtzuerhalten. Weiter haben wir die Zeit genutzt, um unsere Kontaktmöglichkeiten für den Service, die Beratung und auch unsere Abteilungen mit neuen medialen Kanälen zu erweitern. Die Fokussierung auf „Made in Germany“ hat es uns in der Krise zumindest ein wenig leichter gemacht, da unsere Lieferanten fast durchgehend lieferfähig waren. Da alle nationalen und internationalen Märkte gleichermaßen unter dem Einfluss von Corona stehen, hat die Pandemie zumindest in unseren Betrieben nur zu wenigen Verschiebungen geführt.
GLASWELT Was kurbelt die Wirtschaft in Deutschland aus Ihrer Sicht jetzt wieder an?
Hötger Die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, wie schnell sich die Wirtschaft und das gesellschaftliche Leben verändern können, wie wandelbar die jahrelang gewohnte Normalität dann doch ist. Umso mehr beweist sich die Erkenntnis, im Idealfall zu jedem Zeitpunkt gut aufgestellt zu sein. Nationale und internationale Hilfsprogramme tragen einerseits mit Finanzspritzen dazu bei, die wirtschaftlichen Folgen zu mindern, den Absatz zu erhalten oder wieder in Schwung zu bringen. Die Unternehmen und Betrieben stehen andererseits vor der Aufgabe oder der Chance, die Erfahrungen zu nutzen, Produkte sowie Fertigungen noch mehr zu optimieren, in Innovationen zu investieren und eben all das umzusetzen, was die Erfolgsfaktoren eines Unternehmens verbessert.
GLASWELT Wo sehen Sie neue Chancen?
Hötger Die Automation und Digitalisierung werden hierzu ein Schlüssel sein, ebenso wie der Einsatz der Menschen an den Stellen, an denen Sie mit Ihren Fähigkeiten die höchste Wertschöpfung für sich und das Unternehmen erzielen können. Die Erweiterung der Produktpalette – in der Glasindustrie beispielsweise durch die Möglichkeit zur Herstellung von mobilfunktauglichen oder smartem Glas – bietet die Chance der höheren Wertschöpfung, um im Wettbewerb um Kunden zusätzliche Vorteile zu generieren und weitere Absatzmärkte erschließen zu können.
GLASWELT Welche positive Erkenntnis bringt für Sie die Krise?
Hötger Die vielen Erkrankten und Verstorbenen, die vielen Menschen in existentieller Not machen es erst einmal sehr schwer, die Krise mit etwas Positivem zu verbinden. Versucht man dennoch positive Aspekte zu finden, ist es der Zusammenhalt der Menschen untereinander, die Flexibilität der Unternehmen sich zu wandeln, Prozesse anzupassen und neue Wege zu finden, die Mut für die Zukunft machen.
Trotz aller heftigen Rückschläge in vielen anderen Branchen sind die Wirtschaft und die Gesellschaft gut aufgestellt. Wenn wir es nun schaffen, die Erfahrungen aus der Pandemie zu nutzen, um für zukünftige Entwicklungen noch besser gewappnet zu sein und die Menschen untereinander zu stärken, sind wir für zukünftige Entwicklungen besser aufgestellt.
Die Fragen stellte Matthias Rehberger