Ein Endkunde hat seine alten Fenster austauschen und sich das etwas kosten lassen: Bei den neuen Fenstern handelt es sich um Holz-Alu-Elemente, die zudem mit einer 3-fach-Verglasung mit einem Schalldämmwert von 38 db ausgestattet sind. Beim erstem sonnigen Wetter gab es dann ein böses Erwachen.
Nachdem die Fenster eingebaut waren und dann zum ersten Mal die Sonne auf die Scheiben schien, gab es für den Kunden eine herbe Enttäuschung: Im Glas waren Streifen sowie ein Glitzern zu sehen. Als der Kunde beim Fensterbauer bzw. später dann beim Isolierglas-Hersteller die Scheiben reklamierte, wurde er jeweils abgewiesen. Die Begründung: Die Glasqualität werde laut Beurteilungsrichtlinie nur bei diffusem Licht begutachtet. Unter diesen Lichtbedingungen sei das Glas in Ordnung.
Der Käufer wollte das so nicht stehen lassen, schließlich hatte er hier gutes Geld investiert, um sich etwas zu leisten. Wie stehen die Chancen, dass der Kunde vor Gericht erfolgreich gegen den Anbieter klagt? Nachfolgend die Einschätzung des Glassachverständigen Wolf-Dietrich Chmieleck.
So schätzt der Sachverständiger den Fall ein
GLASWELT – Wenn Gläser bei direkter Sonneneinstrahlung Streifen und Glitzern aufweisen, ist das nach Ihrer Meinung ein Mangel?
Sachverständiger Wolf-Dietrich Chmieleck – Die Frage nach der Mangelhaftigkeit eines Produktes ist eine Rechtsfrage, die nur das Gericht unter anderem auf Basis der Feststellungen des Sachverständigen zu treffen hat. Nichtsdestotrotz machen es sich die Gerichte sehr oft einfach, indem Sie im Beweisbeschluss die Beantwortung dieser Frage dem Sachverständigen überlassen. Dieser sollte die Antwort dann immer mit dem Formulierungszusatz „Aus Sachverständigensicht“ geben. So auch hier.
Wenn Gläser bei direkter Sonneneinstrahlung Streifen und Glitzern aufweisen und die Durchsicht in erheblichem Maße behindert ist und von dem abweicht, was ein Endverbraucher von einem Isolierglas erwarten kann, so stellt dies aus Sachverständigensicht einen Mangel dar.
GLASWELT – Das bedeutet also, der Kunde muss dies nicht akzeptieren?
Chmieleck – Das muss der Kunde nicht akzeptieren. Die Ablehnung der Reklamation durch den Lieferanten mit der Begründung, dass die Beurteilung nach der Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität von Glas nur bei diffusem Licht zu erfolgen hat, ist einmal mehr ein typischer Fall dafür, wie versucht wird die Mängelanzeige mithilfe der Richtlinie abzulehnen.
GLASWELT– Das bedeutet also, die Scheiben müssen ausgetauscht werden?
Chmieleck – Ja, der Kunde hat das Recht auf den Austausch der Scheiben.
Glaswelt – Was denken Sie, sind die Gründe für die Streifen und das Glitzern?
Chmieleck – Da sich die Streifen und das Glitzern auf einer der Glasoberflächen im Scheibenzwischenraum befinden, kann es sich nur um einen Produktionsfehler handeln.
GLASWELT – Warum gibt es eine Qualitätsrichtlinie, die diffuses Licht als Standard wählt?
Chmieleck – Das müssen Sie die Glashersteller fragen. Aus Sachverständigensicht macht es keinen Sinn, die Beurteilung nur hierauf zu beschränken, weil ja doch letztendlich die Gläser im eingebauten Zustand sehr wohl auch dem Sonnenlicht ausgesetzt sind und der Endkunde erwarten kann, dass er auch unter diesen Lichtverhältnissen eine ungehinderte Durchsicht hat.
GLASWELT – Und für wen ist die Richtlinie dann bindend?
Chmieleck – Dies ist eine Rechtsfrage. Aus meiner Sachverständigensicht ist sie in der Beziehung zwischen dem Glashersteller und den in der weiteren Kette vorhandenen Händlern und Lieferanten untereinander bindend. Für den Endverbraucher meiner Meinung nach nur dann, wenn sie vertraglich vereinbart wurde. Letztlich stellt sich jedoch die Frage, ob sie für den Endverbraucher wirklich rechtlich bindend ist, weil dieser ja als Laie nicht wissen kann, was er da unterschreibt. Diese Frage ist wie gesagt eine Rechtsfrage. Ich stelle sie einfach einmal in den Raum.
GLASWELT – Wenn der Fall jetzt vor Gericht kommt, wie schätzen Sie den Ausgang des Verfahrens ein?
Chmieleck – Mit großer Wahrscheinlichkeit wird das Gericht dem Kunden auf Basis eines Sachverständigengutachtens recht geben und den Lieferanten verurteilen, die Isolierglasscheiben auszutauschen.
GLASWELT – Und wer muss dann für die Kosten aufkommen?
Chmieleck – Der Vertragspartner des Kunden. In diesem Fall der Fensterlieferant. Mit dem Isolierglashersteller und dem Glaslieferanten hat der Kunde kein Rechtsverhältnis.
GLASWELT – Was raten Sie Isolierglasherstellern und Fensterbauern, die mit den hier angesprochenen Problemen umgehen müssen?
Chmieleck – Bei den Millionen von Quadratmetern, die jährlich ohne Probleme in einem optisch einwandfreien Zustand produziert und geliefert werden, mit den hierzu verhältnismäßig wenigen Reklamationen von Scheiben, die optische Mängel aufweisen, kulanter umzugehen. Der Kunde sollte König bleiben.
Das Gespräch führte Matthias Rehberger.
Der Sachverständige: Wolf-Dietrich Chmieleck ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Glastechnik. Weitere Informationen unter folgendem Link: