Der Klimawandel und die Dringlichkeit eines effektiveren Umweltschutzes sind für unsere Gesellschaft wichtiger, denn je. Beim 6. Internationalen Cradle to Cradle Congress in Berlin diskutierten hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft darüber, wie sich klimapositiv wirtschaften lässt und was sich darüber hinaus noch umsetzen lässt. Diskutiert wurden Ansätze für eine echte Kreislaufwirtschaft nach Cradle to Cradle, wie dies AGC Interpane seit Jahren mit seinen Gläsern bereits umsetzt.
Der Glashersteller und Veredler präsentierte im Rahmen des „best practice“ Panels seine inzwischen 10 Jahre lange Zertifizierungsarbeit nach Cradle to Cradle (C2C). Das Unternehmen ist damit ein C2C-Pionier in der Glasbranche und hat inzwischen sehr viele Produkte in derzeit acht Sparten erfolgreich zertifiziert.
Die C2C Denkschule steht für ein positives Menschenbild mit „grünem Fußabdruck“: Der Mensch ist als Nutzer in Teil der Natur. Vor dem Hintergrund des immer schnelleren Klimawandels, gilt es es nicht nur alte Denk- und Verbrauchsmuster zus Hinterfragen und zu verändern, sondern dies auch in der Baubranche mit umzusetzen. Dazu sprach die GLASWELT mit Marc Everling, Head of Marketing Communications von AGC Interpane, über den aktuellen Stand bei der Zertifizierung und die Hintergründe dieser Arbeit.
Glaswelt – Herr Everling, warum engagiert sich die AGC Glass Europe Gruppe seit mehr als 10 Jahren, während andere erst jetzt beginnen, nach diesem Konzept zu arbeiten?
Marc Everling – Die Industrie muss sich darauf fokussieren, Produkte zu designen, die gesund, nachhaltig und kreislauffähig sind und der Natur nicht schaden. Und sie muss diese Kreisläufe auch installieren. Denn dann hinterlassen wir einen ‚Green Footprint‘. Wir haben inzwischen beispielsweise alle bestehenden Sonnenschutzprodukte aus der ipasol- und Stopray-Familie nach „Cradle to Cradle“ zertifiziert und seit kurzem, als erster Glashersteller weltweit, sogar zwei Verbundsicherheitsgläser: Stratobel beGreen und Stratophone beGreen.
Glaswelt – Was heißt das im Detail?
Everling – Für die Zertifizierung muss das Produkt strengen Anforderungen in fünf Kategorien genügen: Materialgesundheit, Kreislauffähigkeit, erneuerbare Energien, Wasserverbrauch und soziale Verantwortung. Aber das Sonnenschutzsegment ist nicht alles. Wir haben das weltweit umfassendste Portfolio an Glasprodukten, die auf den Stufen Bronze, Silber und Gold zertifiziert sind. Die Gesamtbewertung für die Isolierglasprodukte, unter die z. B. Stopray und ipasol fallen, erreichte das Bronzezertifikat, in den Unterkategorien „Erneuerbare Energie“ und „Wasserverbrauch“ wurden die Produkte mit Silber und bei der „Kreislauffähigkeit“ und „Soziale Verantwortung“ sogar mit Gold bewertet.
Im Gegensatz zu anderen Glasprodukten sind bei der Zertifizierung eines Isolierglases nach „Cradle to Cradle“ wesentlich mehr Beteiligte einzubinden, da nicht nur das Glas zertifiziert wird. Auch alle weiteren Komponenten, die für den Aufbau eines 2-fach- oder 3-fach-Glases erforderlich sind, also auch Kleb- und Dichtstoffe usw., müssen wesentliche Kriterien erfüllen. Infolgedessen umfasst der komplexe Zertifizierungsprozess mehrere Dutzend Zulieferer und alle an der Herstellung beteiligten Werke. Die Zertifizierung unterstreicht das entschlossene Engagement der Gruppe für Umwelt und Nachhaltigkeit.
Glaswelt – Seit 10 Jahren bieten Sie nach Cradle to Cradle zertifizierte Gläser an, wie war damals die Nachfrage, und wie sieht sie heute aus?
Everling – Die AGC Gruppe hat die C2C-Zertifizierung immer als integrativen Teil einer ganzheitlichen Umweltphilosophie gesehen, von Beginn an. Die Wertschätzung der Zertifizierung auf Seiten der Kunden steigt mit dem wachsenden Umweltbewusstsein. Mit dem starken und weltweiten Impuls der jungen Menschen durch „Fridays for Future“, den man, meine persönliche Meinung, gar nicht hoch genug wertschätzen kann, wacht nun auch endlich auch die Masse auf. Die Welt ist in einer wichtigen Übergangsphase, die Menschen beginnen zu begreifen, dass wir ein Teil der Natur und nicht über der ihr stehen. Es ist also mehr als ein ‚nice to have#, wirklich kreislauffähige Produkte zu entwickeln und die nötigen Schritte der Kreisläufe auch einzuhalten. Dieses ‚nice to have‘ wird zum ‚must‘, um es für die Branche entsprechend zu formulieren. Es sollten – branchenübergreifend – keine Produkte mehr produziert werden, die der Biosphäre schaden, die nicht zerlegbar sind, die als Müll enden. Im Gegenteil: Es ist jetzt gefordert, dass wir Produkte schaffen, die der Biosphäre helfen oder zumindest mit ihr im Einklang stehen. Wir tun das seit rund 10 Jahren und sind so der unbestrittene C2C-Pionier in der Glasbranche.
Glaswelt – Was bringt es, wenn die Fenster- und Fassadengläser C2C zertifiziert sind?
Everling – Mal abgesehen davon, tatsächlich exzellente Produkte einzusetzen, die zudem noch auf Giftstoffe verzichten und kreislauffähig sind? Es wirkt sich positiv auf die Zertifizierung von Gebäuden nach Leed, Breeam oder DGNB Standard aus, es gibt Punkte bei der Ökozertifizierung. Planer können zerlegbare Gebäude schaffen, an denen idealerweise alles kreislauffähig ist. Die als Materialspeicher funktionieren und in denen Menschen eine nachgewiesen höhere Produktivität erreichen, weil sie gesünder und glücklicher sind.
Zudem tun wir unseren Kinder etwas Gutes. Ich weiß, das erscheint vielleicht trivial, aber wenn Sie genauer darüber nachdenken, ist das vielleicht sogar wichtiger als alles andere. Jeder muss daran arbeiten, dass wir unseren Kindern und Enkeln keine giftige Müllhalde hinterlassen.
Glaswelt – Also kurz gesagt, man kommt an einer Zertifizierung kaum mehr vorbei?
Everling – Richtig. Es ergibt keinen Sinn, mit Produkten zu arbeiten, die nicht kreislauffähig sind, es hat keinerlei Vorteile.
Glaswelt – Sind die entsprechenden Produkte denn nicht teurer als „Standardverglasungen“?
Everling – Nein, die Zertifizierung sehen wir als Grundlage unserer Umweltphilosophie, wir wollen unseren positiven „Green-Footprint“ so groß wie möglich gestalten, diese Kosten sind eine Investition in die Zukunft, die wir mit Stolz tragen und kostentechnisch nicht an unsere Kunden weitergeben. Aber wir geben gern unsere Begeisterung weiter.
Glaswelt – Gibt es auch Bereiche, wo es nicht unbedingt zertifizierte Produkte braucht?
Everling – Nein, denn kreislauffähige, ökologisch wertvolle Produkte machen überall Sinn.
Glaswelt – Sie als Glashersteller und Veredler sind ja „nur“ Zulieferer für Fenster- und Fassadenbauer. Wie machen Sie Ihren Kunden C2C-Gläser schmackhaft und mit welchen Argumenten?
Everling – Wir sind mehr als nur Zulieferer, wir sind zudem auch Berater und Wegbegleiter von der Planung bis zum fertigen Gebäude und darüber hinaus. Wir tragen dazu bei, Cradle to Cradle mit viel Engagement in die Gesellschaft zu tragen. Es gibt noch so viel zu tun und man kann immer noch besser werden – das betrifft uns genauso wie unsere Kunden. Seit 2020 sind wir z. B. Bildungspartner des C2C LAB hier in Berlin.
Glaswelt – Was hat es damit genau auf sich?
Everling – Das LAB ist ein Reallabor und ein Bildungszentrum für alle an Cradle to Cradle interessierten Menschen, u. a. Architekten, Fassadenbauer, Planer und Verarbeiter. Gern laden wir unsere Kunden ein, das LAB mit uns zu besuchen und mehr über die Arbeit des Cradle to Cradle NGO zu lernen und wie kreislauffähige Produkte richtig eingesetzt werden. Denn was haben Sie von einem C2C fähigen Fenster, wenn der Monteur es mit Bauschaum in die Fassade klebt? Sie werden es dann nicht perfekt in den Kreislauf zurückbringen können. Zu lernen ist also nicht nur über die Produkte, sondern auch über die Design-Philosophie dahinter. Im Mai werden wir hier eine Veranstaltung des C2C LABs als Partner unterstützen und mit einem Referat oder Workshop mitwirken, sowie auch einige Unternehmen, die unser C2C-Engagement teilen. Es wird um zerlegbare Gebäude gehen, um Wissensvernetzung für ökologisch sinnvolle Produkte und mehr.
Glaswelt – Wo sehen Sie weitere Schritte über C2C hinaus auf die Branche zukommen?
Everling – Wichtige und große Investitionen. Wer künftig z. B. eine Floatwanne baut, wird hoffentlich in der Lage sein, sie mit Ökostrom zu betreiben, nicht mit fossilen Rohstoffen. Künstliche Intelligenz wird helfen, immer smartere grüne Produkte zu schaffen, die alle eine Gemeinsamkeit haben: Als Teil der Technosphäre sind sie darauf ausgelegt, der Biosphäre zu helfen.
Glaswelt – Mit Blick auf 10 Jahre Zertifizirung nach C2C, hat sich der Aufwand gelohnt?
Everling – Ja, definitiv. Wir sind glücklich, dass es diese großartige Denkschule und Designphilosophie gibt und werden sie weiter vorantreiben.
Das Interview führte Matthias Rehberger