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Glasdickenberechnung künftig nach DIN

Die Glas-DIN kommt

Die Ermittlung der Glasdicke wird jetzt erstmals umfassend nach DIN beschrieben. Die neue Normenreihe DIN 18008 „Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Kon­struktionsregeln“ wird in den Teilen 1 „Begriffe und allgemeine Grundlagen“ und Teil 2 „Linienförmig gelagerte Verglasungen“ vom DIN-Institut veröffentlicht (Ausgabedatum 2010-12). Weitere Teile, z.B. zu punktförmig gelagerten Verglasungen oder mit Zusatzanforderungen an die absturzsichernden Verglasungen sollen bald folgen. Die neuen Regeln werden leider viel komplizierter und unterscheiden sich zudem deutlich von der bisherigen Vorgehensweise.

Gute Software-Programme ermöglichen beide Rechenmethoden, die gelegentlich zu abweichenden Glasdicken führen können.

Mit der geplanten bauaufsichtlichen Einführung, die gleichzeitig die TRLV, TRAV & Co. ablöst, ist zu Beginn 2012 zu rechnen. Bis dahin bleibt für die Anwender die Frage, ob sie sich bereits auf die neuen Normen-Grundlagen als anerkannte Regeln der Technik beziehen können, sollen oder müssen; oder ob auch für die privatrechtliche Vereinbarung die bauaufsichtliche Einführung abgewartet werden kann.

Die DIN 18008 stellt die Grundlagen der Glasdickenbemessung auf eine völlig neue Basis. Man geht nicht mehr von der starren Spannungs- und Durchbiegungsbetrachtung aus. Vielmehr wird als neuer Ansatz mit dem Bemessungskonzept der Teilsicherheitsbeiwerte gearbeitet, wie seit 2001 in der DIN 1055-100 „Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 100: Grundlagen der Tragwerksplanung, Sicherheitskonzept und Bemessungsregeln“, wie es z.B. im Stahlbau angewendet wird. Dadurch kann die Leistungsfähigkeit des Glases optimal genutzt werden – allerdings auf Kosten eines deutlich aufwendigeren Nachweisverfahrens. So will man die Charakteristika der eingesetzten Gläser genauer berücksichtigen, um zu möglichst realistischen Ergebnissen zu kommen. Es werden teilstatistische Betrachtungen angestellt und viele Einwirkungen und deren Kombinationen zu untersuchen sein.

Neuerungen im Detail

In der Normenreihe geht es um Bemessungs- und Konstruktionsregeln sowie erforderliche versuchstechnische Nachweise. Behandelt werden Tragfähigkeit, Lagesicherheit und Gebrauchstauglichkeit unter planmäßigen Einwirkungen. Nach diesem, in der DIN 18008 spezifizierten Sicherheitskonzept, müssen Verglasungskonstruktionen mit angemessener Zuverlässigkeit allen planmäßigen Einwirkungen während der Nutzung standhalten und gebrauchstauglich bleiben. Dabei ist nicht (nur) von „Scheiben“, sondern von gesamten Systemen die Rede. Da Glas ein sprödes Bruchverhalten zeigt, kann für bestimmte Konstruktionen bzw. Einbau­situationen eine ausreichende Resttragfähigkeit erforderlich sein. Diese ist als Fähigkeit definiert, im Fall eines Zerstörungszustandes über einen ausreichenden Zeitraum standsicher zu bleiben. Diese Anforderung kann durch die Einhaltung konstruktiver Vorgaben, rechnerisch oder versuchstechnisch erfüllt werden.

Leider sagt die DIN 18008 nicht aus, für welchen Zeitraum die Resttragfähigkeit gegeben sein muss. Immerhin lässt sie alternativ zum rechnerischen Nachweis auch Bauteilversuche zu.

In Bezug auf Konstruktionswerkstoffe wird auf mitgeltende Normen verwiesen, aber auch einige Materialkenngrößen verschiedener Glasarten/-erzeugnisse genannt. Zu den Festigkeitseigenschaften werden unter Hinweis auf die einschlägigen Produktnormen die Mindestwerte der charakteristischen Biegezugfestigkeit- und das typische Bruchbild „für Scheiben in Bauteilgröße“ verlangt. Das unterscheidet sich von der bisher angesetzten zulässigen Spannung.

Es gibt auch Erleichterungen

Thermisch vorgespannte Scheiben dürfen mit Kantenverletzungen, die tiefer als 15 % der Glasdicke in das Glasvolumen eingreifen, nicht eingebaut werden. Das ist eine Erleichterung gegenüber bisher; nach alter Vorschrift sind bei ESG-H Kantenverletzungen bis maximal 5 % zulässig.

Als generelle Konstruktionsvorgabe wird die Anwendbarkeit der Norm auf Glasdicken von 3 bis 19 mm beschränkt. Man geht von der Nenndicke aus, d.h. die Toleranzen der Glasdicke bleiben unbeachtet. Bohrungen und Ausschnitte müssen durchgehend sein und bedingen thermisch vorgespannte Gläser. Bei diesen muss die verbleibende Glasbreite mindestens 15 mm betragen.

Bei der Glaslagerung sind unplanmäßige Spannungsspitzen zu vermeiden und Anschlüsse an Unterkonstruktionen so zu gestalten, dass Toleranzen ausgeglichen werden können; Zwangsbeanspruchungen sind konstruktiv auszuschließen oder bei der Bemessung zu berücksichtigen. Die verwendeten Materialien müssen bei fachgerechter Wartung und Pflege dauerhaft beständig gegen die Beanspruchungen sein.

Zur Ermittlung von Spannungen und Verformungen wird u.a. klargestellt, dass ein günstig wirkender Schubverbund bei VSG, Verbund- und Isoliergläsern nicht berücksichtigt werden darf. Bei VSG und VG darf der Bemessungswert des Tragwiderstands mit einer pauschalen Erhöhung um 10 % angenommen werden. Bei intaktem Isolierglas darf die günstige Wirkung der Kopplung der Scheiben angesetzt werden.

Bei der Nachweisführung werden Grenzzustände der Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit unterschieden. Bei der Tragfähigkeit geht es um die Sicherheit der Konstruktion und damit um die von Personen. Die Haupt-Bemessungsgröße dabei ist die „Materialfestigkeit“, die sich hier in der charakteristischen Biegezugfestigkeit (Spannung) ausdrückt. Das eher einen subjektiven Eindruck wiederspiegelnde Kriterium der Gebrauchstauglichkeit hat die Einhaltung bestimmter Verformungen (Durchbiegungen) zum Haupt-Gegenstand. Nachzuweisen ist sowohl die Lagesicherheit als auch die Verhinderung des Versagens im Bruchfall.

Als generelle Konstruktionsvorgaben ist aufgeführt, dass es bei den Betrachtungen um die Nennglasdicke (und nicht um die häufig gelieferte untere Toleranzgrenze) von Glasscheiben geht. Ecken und Ausschnitte sind ausgerundet herzustellen; Glasbohrungen und Ausschnitte müssen durchgehend sein und bedingen eine anschließende Vorspannung. Beträgt der Abstand zwischen Bohrungen, bzw. zwischen Bohrung und Glaskante, weniger als 80 mm, ist bei der Bemessung des Tragwiderstandes der Bemessungswert des jeweiligen Basisglases zugrunde zu legen. Die Glaslagerung muss unter Vermeidung von lokalen Spannungsspitzen erfolgen; ggf. müssen diese berücksichtigt werden.

Der Teil 2 ist als Ersatz für die TRLV gedacht; deren Inhalte mit geringen Änderungen übernommen wurden. Dieser Teil enthält den Anhang A, der ein Näherungsverfahren zur Ermittlung von Klimalasten in der gleichen Form beschreibt, wie bereits die TRLV.

Nicht übernommen wurden die „Erläuterungen zu den Mindestwerten für klimatische Einwirkungen.“

Das Resümee des Autors zur Glas-DIN

Grundsätzlich passt es, dass die Glasdicken-Ermittlung auf eine normative Grundlage gestellt wird. Jedoch sind die neuen Nachweisverfahren für handwerkliche Verarbeiter kaum mehr selbst rechenbar; jetzt wird der Einsatz leistungsfähiger EDV-Programme nötig. Kleinere und mittlere Verarbeiter werden sich bei der Glasdicken-Ermittlung verstärkt an Beratungsstellen oder ihren Glaslieferanten wenden müssen. Deren Rechenergebnisse können aber nur so gut sein, wie die objektspezifischen Vorgaben, die idealerweise von einem Planer kommen sollten. Ohne eine umfassende Projekt-Beschreibung ist hier nichts zu machen. Erste Berechnungen zeigen, dass bei Vertikalverglasungen die Glasdicken um etwa eine Dicken-Stufe höher, bei Horizontalverglasungen um etwa eine Dicken-Stufe niedriger als bisher ausfallen. Insbesondere werden thermisch vorgespannte Gläser und auch Verbundgläser etwas günstiger eingestuft als dies bisher der Fall ist. Zudem wird die Abhängigkeit des Formats von der Glasdicke deutlich.

Wünschenswert ist eine schnelle bauaufsichtliche Einführung der Normenfamilie, damit die Zeit der Unsicherheit, welches Regelwerk aus welchen Gründen im spezifischen Fall anzuwenden ist, möglichst kurz gehalten wird, und damit einhergehende Wettbewerbsverzerrungen minimiert werden.

Tipp der Redaktion: Lesen Sie den erweiterten Beitrag mit der Aufzählung aller Teile der DIN 18008 sowie bisherigen Regeln zur Glasdickenermittlung auf https://www.glaswelt.de/, dort im Suchfeld rechts oben den Webcode 1022 eingeben.

Änderungen im Überblick

Das Bemessungskonzept wird von reinen Spannungs- und Durchbiegungsnachweisen auf Teilsicherheitsbeiwerte umgestellt, die mit statistischen Werten auch Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen verlangen.

Bei der Bemessung geht es um Nachweise von Grenzzuständen der Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit (bei denen wieder Spannungen und Durchbiegungen die wesentliche Rolle spielen).

Völlig neu ist die Betrachtung von Bemessungssituationen, z.B. Zerstörungs­zuständen etc., wobei die Einwirkungsdauer eine größere Rolle spielt.

Vorgespannte Gläser und Verbundgläser werden günstiger beurteilt, kleinformatige Isoliergläser benachteiligt.

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