Glaswelt – Bis wann denken Sie, wird es in Deutschland keine 2-fach-Gläser mehr geben?
Michael Dobbe, Teuto Glas – Das lässt sich schwer vorhersagen. Wenn die Dynamik der Entwicklung der letzten Jahre weiter anhält, werden wir voraussichtlich bis 2020 nur noch vereinzelt 2-fach-ISO produzieren. Diese Entwicklung wird sicher durch steigende Energiekosten und schärfere gesetzliche Vorgaben beschleunigt.
Die Quoten in Deutschland sind derzeit sehr unterschiedlich. Im Süden nähern sich die Quoten bei 3-fach-Isolierglas mit fast 70 % im Durchschnitt schon an Österreich an, so bleiben der Norden und die Mitte mit 35 bis 45 % noch stark zurück.
Hans Franke, Energy Glas – Ja, die österreichischen Zahlen mit ca. 70 % und die Schweizer Verhältnisse mit über 80 % 3-fach-Anteil sind bei uns noch nicht erreicht.
Wir gehen aber davon aus, dass wir in etwa drei Jahren eine weitere Steigerung auf einen Marktanteil bei 3-fach-Isolierglas von rund 70 % haben werden. Damit würde auf absehbare Zeit ein Anteil bei 2-fach-Glas von bis zu 30 % bestehen bleiben.
Christoph Troska, NSG (Pilkington) – Der Siegeszug der 3-fach-Isoliergläser wird sich weiter fortsetzen. Und der Anteil der 2-fach-Gläser wird kontinuierlich weiter zurück gehen. Trotzdem werden – zumindest in der näheren Zukunft – auch weiterhin 2-fach-Isoliergläser, insbesondere im Renovationsbereich und beim Austauschgeschäft, zum Einsatz kommen.
Glaswelt – Welche Konsequenzen bringt die Umstellung auf 3-fach-ISO für die Produktion?
Dobbe – Zunächst einmal steigt das Schneidvolumen erheblich (um ca. 50 %), wenn die zu produzierende Stückzahl nicht parallel sinken soll. Die Reklamationsanfälligkeit der gesamten ISO-Einheit potenziert sich mit der dritten Scheibe und dem zusätzlichen Rahmen, was die Reklamationskosten in die Höhe treibt. Beides zusammen erzwingt zwangsläufig Investitionsentscheidungen, gerade wenn man für 3-fach-Gläser die gleichen Taktraten wie bisher einhalten will. Neben Schneid- und Isolierglasausstattung gewinnen dabei Scanner zur Überwachung der Qualität immer mehr an Bedeutung.
Franke – Neben dem Anstieg im Glaszuschnitt steigen auch die Anforderungen an die Gasfüllungen bei 3-fach-ISO. Dies macht erforderlich, dass der Isolierglashersteller seine Isolierglaslinien durchgehend auf den neuesten Stand bringt und allen voran die Glaslager- und Schneidkapazitäten erhöht. Die Qualitätsanforderungen werden vom Markt mit 2-fach-Isolierglas gleich gesetzt, die Anforderungen an den Versand (Logistik) ändern sich ebenfalls erheblich hinsichtlich dem Einsatz von Fächerpaletten und A-Gestellen.
Wir haben aus diesem Grund eine Produktionserweiterung vorgenommen, um leichtes 3-fach-ISO zu produzieren. Wir fertigen im Aufbau 3/2/3 mm TVG plus Gläser. Diese können wir bis zu einer Maximalgröße in den vorgenannten Glasstärken bis zu Formaten von 1,50 x 2,50 m herstellen. Bei dieser Scheibe haben wir nur noch ein Gewicht von 70 kg, im Standard Floatbereich 140 kg!
Troska – Die Umstellung von 2-fach- auf 3-fach-ISO bedingt Optimierungen in der Produktion. Bei gleicher Scheibenmenge werden neben dem Anstieg des Scheidvolumens doppelt so viele Abstandhalter benötigt. Auch qualitätsseitig steigen die Anforderungen an Beschichtungen und Basisgläser, da ja auch der Nutzer durch die zusätzliche Scheibe und eine zusätzliche Beschichtung schaut.
Glaswelt – Das Gewicht, und davon abgeleitet die erschwerte Montage, stehen als Argument gegen 3-fach-ISO, stimmt das?
Dobbe – Das ist ein Begleitumstand, der nicht wegdiskutiert werden kann. Generell wird dieses Argument jedoch überbewertet. Der Trend hin zu immer größeren Glasformaten und -gewichten war schon lange vor der starken Verbreitung von 3-fach-Einheiten erkennbar. Kaum jemand hat sich bei großflächigen 2-fach-Isoliergläsern am Gewicht gestoßen. Bei kleineren Gläsern, die als 3-fach-Einheit ähnliche Gewichte besitzen, soll dies jetzt ein Nachteil sein? Das kann ich nicht glauben. Es gibt schon sehr lange eine Vielzahl von Einglasungs-, Transport- und Montagehilfen, die das Handling schwerer Gläser vereinfachen. Die Entscheidung liegt bei jedem Betrieb selbst, aktiv zu werden. Die Investitionskosten in Hebetechnik sind überschaubar.
Franke – 3-fach-Gläser im Standardaufbau führen zu erheblich höheren Gewichtsbelastungen für Fenster- und Rahmenkonstruktionen und im Montagebereich. Früher war dies nur ein Problem von Sonderkonstruktionen (z.B. Einbruchhemmung, große Scheiben). Dieses Gewichtsproblem wird nun zum Standardproblem.
Wenn man auf leichtes 3-fach-ISO setzt, sehen wir jedoch ganz klare und entscheidende Vorteile. Diese liegen in der Gewichtsreduzierung um 1/3, einem besseren g-Wert und besserer Lichttransmission. Allerdings halten wir es unbedingt für erforderlich, dass alle drei Dünngläser thermisch vorgespannt sind (TVG plus Gläser). Damit wird zusätzlich eine Sicherheitseigenschaft beim 3-fach-Glas hinsichtlich dem Aufprall erreicht. 3-fach-ISO aus dünneren Floatgläsern halten wir für nicht sinnvoll. Durch den Einsatz aller drei Scheiben als TVG plus Gläsern erreichen wir eine höhere statische Festigkeit der Scheibe und damit auch den Vorteil, der ISO-Einheit mehr Funktionen zuzuordnen.
Durch unser Produktionsverfahren erreichen wir keine optischen Beeinträchtigungen in Ansicht und Durchsicht durch Vorspannen. Die Alternativen zu leichtem 3-fach-Isolierglas aus dünnen Floatglasscheiben und Lösungen mit Folien als Ersatz für die mittlere Scheibe werden in unserem Haus abgelehnt.
Troska – Es ist sicherlich so, dass es Glasaufbauten gibt, die ohne maschinelle Unterstützung nicht mehr eingebaut werden können oder eingebaut werden sollten. Die Einschränkung gilt aber nicht erst seit der Einführung der 3-fach-Einheiten, sondern ist seit vielen Jahren im Objektbereich bekannt, wo großformatige und entsprechend schwere Verglasungen verbaut werden. Die dort eingesetzten technischen Hilfsmittel müssen künftig auch im „normalen“ Montage-Geschäft verstärkt zur Anwendung kommen.
Glaswelt – Welche Vorteile sehen Sie beim leichten 3-fach-ISO und welche Nachteile?
Dobbe – Der Fenster- und Fassadenmarkt ist ein Verkäufermarkt. Die Kunden verlangen nach guten Produkten zu günstigen Preisen. Und das wird sich so schnell nicht ändern, da es in Deutschland noch weitaus mehr Kapazitäten als Nachfrage nach Isolierglasprodukten gibt. Folglich orientieren sich viele Isolierglas-Betriebe parallel ins europäische Ausland, um weitere Absatzmärkte zu bedienen.
3-fach-Gläser, die ein Flächengewicht von 2-fach-Einheiten erreichen sollen, können in den statisch dafür zulässigen Bereichen nur durch Dünnglas erreicht werden. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Dies geht nur mit erheblichen Investitionen und letztlich mit höheren Verkaufspreisen, als herkömmliche 3-fach-Gläser. Hierfür wird es sicher einen Markt geben. Die ausgewählten Kunden, die sich dafür entscheiden müssen bereit sein einen Mehrpreis zu zahlen, der im Verkaufspreis des Fensters erzielbar ist. Bei der Betrachtung der Preisentwicklung von 3-fach-ISO über die letzten fünf Jahre kommen mir schwere Zweifel auf, ob das gelingen kann. Als Privatmann mag ich lieber dickere Gläser in meinen Fenstern. Ein Mindestmaß an Sicherheit und Widerstandsfähigkeit halte ich für sehr wichtig. Man sollte nicht versuchen das Rad neu zu erfinden.
Franke – Nachteile sehe ich keine. Leichtes ISO bietet Vorteile bei der Sicherheit, bei der Lichttransmission, beim g-Wert sowie bei der Statik. Durch den Einsatz aller drei Scheiben als TVG-Gläser erzielen wir eine höhere statische Festigkeit der Scheibe. Leichtes ISO bedeutet zudem eine geringere Dimensionierung bei den Beschlägen für Fenster und Türen. Dazu kommt das leichtere Handling in der Werkstatt im Produktionslauf bei den Glasverarbeitern und den Fensterbauern. Weiter wird der Transport zur und auf der Baustelle vereinfacht und es werden die Rücken der Monteure geschont.
Troska – Der Hauptvorteil liegt im reduzierten Gewicht. Nachteilig sind die Optik, und wenn keine thermisch behandelte Gläser eingesetzt werden, die erhöhte Bruchgefahr bzw. wenn vorgespannt, die erhöhten Kosten. Als Alternative sehe ich den Einsatz pyrolytischer Beschichtungen – wie unser Pilkington K Glass N – auf der Raumseite eines 2-fach-Isolierglases. In Kombination mit einer sehr guten Wärmedämm- oder Sonnenschutzbeschichtung lässt sich so ein Ug-Wert von nur 0,9 W/m2K erzielen. Theoretisch kann man auf diese Weise sogar einen Ug-Wert von 0,8 W/m2K erreichen, dazu muss man allerdings eine 94 %ige Krypton Gasfüllung verwenden.
Glaswelt – Ist 3-fach-Isolierglas nur ein Zwischenschritt, und was kommt danach?
Dobbe – 4-fach-Isolierglas und Vakuumisolierglas sind seit Jahren im Gespräch. Man sollte diese Entwicklungen nicht überbewerten. Auch hier müsste sich der Markt erst formen. Und die Kunden müssen am Ende bereit sein, einen erheblichen Mehrpreis für marginal mehr Funktionalität zu zahlen. Wo dies sinnvoll ist, wird es sicher auch passieren. Eine Breitenwirkung ist bei diesen Produkten jedoch nicht so schnell zu erwarten.
Letztlich soll Isolierglas auch in Zukunft primär Wärme-, Schall-, Sicherheits- und Sonnenschutzfunktion gewährleisten. Das tun die etablierten Produkte exzellent. Wie viel mehr Funktion ist mit welchem Mehraufwand erreichbar? Ist dieser Aufwand auch volkswirtschaftlich betrachtet sinnvoll, wenn man bedenkt, wie viel mehr Energie zur Herstellung derartiger Produkte dann eingesetzt werden muss? Aber urteilen Sie selbst.
Franke – Mit weiter steigenden Energiepreisen und mit der Zuordnung von mehr Funktionen im Isolierglas werden für diese Anwendungsgebiete 4-fach-Gläser in den nächsten fünf bis zehn Jahren immer interessanter. Wir gehen davon aus, dass die ersten Gläser mit der Übernahme von mehr Funktionen und mit Ug-Werten von 0,2 bis 0,3 W/m2 K in fünf Jahren am Markt angeboten werden. Diese stellen eine Alternative im Wärmedämmbereich zu Vakuumisoliergläsern dar. In einigen Ländern Europas wird an einer Entwicklung dieser Gläser (mit Unterstützung der EU) heute schon gearbeitet. So gesehen stellt 3-fach-ISO technologisch über einen längeren Zeitraum einen Zwischenschritt dar, allerdings wird die 4-fach-Scheibe in absehbarer Zeit die 3-fach-Scheibe als Massenprodukt nicht ersetzen.
Troska – 3-fach-Isolierglas wird in den kommenden Jahren den Standard darstellen, da es relativ günstig und in Masse verfügbar ist. —
Die Fragen stellte Matthias Rehberger, Chefredakteur der GLASWELT.
Nicht nur Der Preis zählt
Der Siegeszug von 3-fach-ISO setzt seinen Weg von Süd- nach Norddeutschland weiter fort. Allerdings sind die hohen Gewichte der 3-fach-Einheiten ein Manko. Eine Antwort darauf sind 3-fach-Aufbauten mit leichten, vorgespannten Dünngläsern.
Was nicht jedem gefallen wird sind die höheren Kosten. So sind z. B. TVG plus Dünngläser gegenüber 3-fach-ISO im Standard-Aufbau (3 x 4 mm) heute ca. 25 Euro pro Quadratmeter teurer. Allerdings lohnt es sich, diesen Mehrpreis im Verhältnis zu Vorteilen in der Fertigung, bei der Dimensionierung der Beschläge und der Rahmenprofile sowie bei Transport und Montage abzuwägen. Trotz leichtem 3-fach-ISO wird 2-fach-Isolierglas noch nicht aussterben. Hier sind zudem weitere Verbesserungen beim Ug-Wert mittels neuer Beschichtungen zu erwarten.