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AI, Machine Learning und Deep Learning für die Glasbranche (Teil 2)

Mit AI werden auch Glasmaschinen schlau

Im ersten Teil der Serie (GLASWELT 11/2019, Seite 96-98) wurden allgemeine Trends der AI aufgezeigt und potenzielle Anwendungsmöglichkeiten im Glas- und Fassadenbau vorgestellt. Diesmal steigen wir tiefer ein und erläutern das Themenfeld Machine Learning.

Machine Learning oder Maschinelles Lernen (ML) ist eine Unterform der Künstlichen Intelligenz, die es Systemen und Maschinen ermöglicht, aus vorgegebenen/vorhandenen Daten zu lernen und nicht durch explizite Programmierung Handlungen, Befehle oder Entscheidungen auszuführen bzw. zu treffen. Um maschinelles Lernen anwenden zu können, bedarf es drei wesentlicher Bestandteile (Bild 01):

  • (große) Menge an verfügbaren Daten
  • eine Struktur (Pattern) in den Daten
  • ein mathematisches Modell/markierte (gelabelte) Daten sind vorhanden (Supervised Learning) oder nicht (Unsupervised Learning)
  • Ziel des ML ist es, künstlich Wissen aus Erfahrungen (d. h. Daten) zu generieren. Grundvoraussetzung ist, dass sich die aus den Daten gewonnenen Erkenntnisse verallgemeinern lassen und für neue Problemlösungen und für die Analyse von bisher unbekannten Daten oder die Vorhersage über nicht gemessene Daten (Vorhersage/Prädiktion) verwendet werden können. Eine Übersicht zum ML zeigt Bild 02.

    Für Machine Learning lassen sich zwei Hauptaufgabentypen unterscheiden, die hier kurz vorgestellt und in Bild 02 grafisch dargestellt sind. Während beim überwachten Lernen (supervised learning) ein prädiktives Modell basierend auf Einfluss- und Antwortvariablen entwickelt werden soll, wird beim unüberwachten Lernen
    (unsupervised learning) ein Modell nur aufgrund der Ein­flussvariablen trainiert (Clustering/Dimensionsreduktion).

    Beim überwachten Lernen wird zwischen Klassifizierungs- und Regressionsproblemen unterschieden. Während beim Erstgenannten die Antwortvariablen nur diskrete Werte annehmen können, liegen die Antwortvariablen bei Regressionsproblemen kontinuierlich vor. Der ML-Workflow, d. h. der Ablauf des Lernprozesses, ist in Bild 03 dargestellt. Bei der Verwendung von ML-Techniken müssen die folgenden Schritte durchgeführt werden:

  • Einlesen und Beurteilung der Daten (ggf. durch Visualisierungen etc.)
  • Vorverarbeitung der Daten und Merkmalsextraktion (feature selection)
  • Entwicklung prädiktiver Modelle basierend auf abgeleiteten bzw. ausgewählten Merkmalen (features) und vorverarbeiteten Daten.
  • Aufbau und Training des Modells
  • Optimierung des Modells
  • Bereitstellung des Modells in seiner Anwendung
  • Hier soll kurz auf Schritt 3 (Feature-Extraktion) eingegangen werden, da dies einerseits die Schnittstelle der KI/ML zum Ingenieurwesen darstellt und andererseits die Aussage- und Vorhersagequalität des Modells wesentlich beeinflusst. Die Anzahl der Merkmale, die aus den Daten abgeleitet werden können, ist theoretisch unbegrenzt, jedoch werden einige Techniken häufig für unterschiedliche Arten von Daten verwendet. So besteht z. B. die Aufgabe der Feature-Auswahl darin, gewisse Signaleigenschaften aus z.B. Sensorrohdaten zu extrahieren, um übergeordnete Informationen zu erzeugen.

    Feature-Extraktionstechniken sind beispielsweise die Erkennung von Peaks, die Extraktion von Frequenzinhalten durch Fourier-Transformation, die Identifizierung von Signaltrends durch Summenstatistiken (Mittelwert und Standardabweichung zu verschiedenen experimentellen Zeiten) etc.

    Deep Learning: Hierbei nutzt man sogenannte künstliche neuronale Netze, vor allem um Muster und hoch nicht lineare Zusammenhänge in Daten zu erkennen. Ein künstliches neuronales Netz basiert auf einer Sammlung von verbundenen Knoten, die dem Gehirn ähneln. Anwendungsgebiete sind u.a. Materialmodellierung und -entwicklung, Systemsteuerung (z. B. Fahrzeug- und Prozesssteuerung), Muster­erkennung (Gesichts- und Objekterkennung, Signalklassifizierung, 3D-Rekonstruktion u. a.), Sequenzerkennung (Gesten-, Sprach-, Handschrift- und Text),
    medizinische Diagnose, Social Network Filtering und E-Mail-Spamfilterung.

    Notwendige Komponenten zur erfolgreichen Anwendung von AI

    Foto: M&M Network-Ing UG

    Notwendige Komponenten zur erfolgreichen Anwendung von AI

    M&M und Hegla sind jetzt Projektpartner

    Im Interview erläutern die beiden Gründer von M&M (G www.mm-network-ing.de) Dr. Michael Drass und Dr. Michael Kraus, Hegla GF Bernhard Hötger, Dr. Jan Schäpers, CEO (Hegla-Hanic) und GF Dr. Markus Schoisswohl (Hegla New Technology) die Ziele der neuen Partnerschaft.

    Glaswelt – Wie wichtig sind für Sie Digitalisierung und künstliche Intelligenz und warum setzen Sie auf die Zusammenarbeit mit M&M?

    Bernhard Hötger – Der digitale Wandel und die Automation durchdringen im rasanten Tempo immer weitere Bereiche der Glasbranche. Die Art Glas zu verarbeiten und zu veredeln verändert sich dabei ebenso wie auch die Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Als Hegla-Gruppe ist es unser Anspruch, die digitale Zukunft aktiv mitzugestalten.

    Wir setzen dabei gezielt auf das Wissen der Firmen und Menschen, die auf den jeweiligen Fachbereich spezialisiert sind und dort über tiefgreifendes Fachwissen verfügen. So trifft nun bei der Zusammenarbeit mit dem Start-up M&M das Fachwissen für Maschinen, Automation, Vernetzung und Software auf die Fachexpertise im Bereich der Künstlichen Intelligenz, selbstlernender Systeme und Anwendungen. Mit den unterschiedlichen Perspektiven und Visionen sowie dem vereinten Know-how ist eine gute Basis für neue Produkte, Ideen oder Techniken gelegt von denen dann am Ende oder besser gesagt in der Zukunft unsere Kundinnen und Kunden profitieren.

    03: So sieht der Lernprozess für das maschinelle Lernen aus.

    Bild: M&M Network-Ing UG

    03: So sieht der Lernprozess für das maschinelle Lernen aus.

    Glaswelt – Wie kam es zur Projektidee zwischen M&M und Hegla?

    Dr. Michael Drass  – Durch mehrere Projekte hatten wir schon Kontakt mit Hegla und nach der Vorstellung unserer Ideen für den Glasbau und einer regen Diskussion beim VDMA Forum Glastechnik hat uns Hegla eingeladen.

    Dr. Michael Kraus  – Mit der ‚Hegla New Technology‘ bereitet sich die Gruppe auf die kommenden Herausforderungen der Produktion und Technologien vor, hier wollen wir unterstützen und innovativ vorangehen.

    Glaswelt – Wo wird nun bei Hegla die AI konkret eingesetzt?

    Dr. Jan Schäpers –  Wir unterteilen unsere Ziele in unterschiedliche Bereiche: Zum einen geht es darum Informationen über die Bruchbildung zu sammeln. Wir alle wissen wie kritisch eine gute Schnittkante für die Festigkeit der Glasprodukte ist; mithilfe der KI hoffen wir aus der Vielzahl von Einflussfaktoren signifikante Korrelationen zu identifizieren.

    Dr. Markus Schoisswohl –  KI ist auch ein Thema für die zukünftige Produktionsplanung. Hierfür gibt es viele Themenfelder, die im Wesentlichen die Einlastung und damit die Produktivität verbessern sollen und gleichzeitig den Glasverarbeiter bei komplexen Produktionsentscheidungen unterstützen. Mehr sei nicht verraten, aber wir gehen davon aus, auf der glasstec 2020 neue Wege zeigen zu können.

    Neue Projekt-Partner bei AI (v.l): Hegla GF Bernhard Hötger, Dr. Michael Drass (M&M), Dr. Jan Schäpers (GF Hegla-Hanic) und Dr. Michael A. Kraus (M&M).

    Bild: Hegla

    Neue Projekt-Partner bei AI (v.l): Hegla GF Bernhard Hötger, Dr. Michael Drass (M&M), Dr. Jan Schäpers (GF Hegla-Hanic) und Dr. Michael A. Kraus (M&M).

    Der Fokus von M&M

    Die Gründer des Start-ups Dr. Michael A. Kraus und Dr. Michael Drass fokussieren sich in ihrer Forschung und Tätigkeit mit der Artificial Intelligence (AI) sowie auf weitere Themenfelder der Digitalisierung in der Glas- und Fassadenbranche.

    M&M sucht stets nach Projektpartnern, um Konzepte und Ideen zur Anwendung von AI im Glas- und Fassadenbau sowie der Glasveredelung zu launchen.

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