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Entscheidungshilfen für Automatisierungen in Glasbetrieben

Wann lohnt die Automatisierung?

_ Wie können sich kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus der Glasbranche auch künftig am Markt behaupten?

Eine gute Basis für einen anhaltenden Erfolg sind folgende Ziele und Maßnahmen:

  • Differenzierung vom Wettbewerb
  • Senkung der Herstellkosten
  • Beherrschung der vom Markt geforderten Variantenvielfalt
  • Verkürzung von Innovationszyklen
  • Verringerung der Durchlaufzeiten
  • Robuste Fertigungssysteme mit hoher Flexibilität bei Änderungen

Auf den ersten Blick scheinen sich einige Ziele, wie z. B. die „Senkung der Herstellkosten“ und die „Beherrschung der vom Markt geforderten Variantenvielfalt“, bei Betrachtung der Fertigungsstrategien „manuell vs. automatisch“ zu widersprechen. Dennoch sind diese Ziele häufig angeführte Argumente für eine Automatisierung. Das gilt gerade dann, wenn im Kontext der Evaluierung nötiger Investitionen in Betriebsmittel eine Neuausrichtung der Produktion geprüft wird. Das grundsätzliche Zielsystem, gegen welches jedwede Investition zu prüfen ist, stellt sich wie in Bild 1 dar.

Dort ist zu erkennen, dass die Maßnahmen für kleine und mittelständische Unternehmen der Flachglasbranche in erster Linie durch die Sekundärziele in Bild 1 wiedergegeben werden.

Ziele und Entscheidungskriterien

Die Entscheidung in Automatisierung zu investieren, um manuelle Handgriffe und Fertigungsschritte zu minimieren, muss gut geplant sein. Als erster Schritt muss die künftig gewünschte Produktpalette definiert werden. Anschließend erfolgt die Analyse der aktuellen Workflows, wie man die Produktionsschritte der neuen Zielsetzung anpassen kann.

Die identifizierten Problembereiche (häufig an den Schnittstellen zwischen zwei Fertigungsstufen, Bild 2) sind in einem zweiten Schritt zu bewerten: zum einen unter Berücksichtigung von kaufmännischen und die Folgearbeitsgänge betreffenden Auswirkungen, zum anderen sind Alternativszenarien aufzuzeigen bzw. anzudenken.

Bei der Bewertung der kaufmännischen Aspekte sind neben den Anschaffungskosten auch die aktuellen und zu erwartenden Herstellkosten sowie Durchlaufzeiten, Lernkurven und Ausfallzeiten in eine Gegenüberstellung einzubeziehen.

Die Amortisierung der angedachten Investition spielt dabei ebenso eine entscheidende Rolle, wie die erwarteten Umsätze. Diese wiederum sind im Kontext einer Analyse des relevanten (sich ggf. ändernden) Absatzmarktes und der damit einhergehenden notwendigen Produktvielfalt zu ermitteln. Die Aufbereitung der gesammelten Daten sowie das Durchführen einer Investitionsrechnung sind als Grundlage für eine kaufmännische Entscheidung unabdingbar. Bei der Bewertung von Alternativszenarien bieten Softwaresimulationen eine Unterstützung, indem sie realitätsnahe Gegenüberstellungen von möglichen Automatisierungsstufen erlauben.

Durch die Eingabe des gewünschten Produktspektrums in eine Simulation ist es ferner möglich, Aussagen bezüglich der Höhe des zu erwartenden Outputs zu erhalten, wodurch sich auch frühzeitig Engpässe erkennen lassen.

Ein besonderes Merkmal manueller Fertigungsprozesse – und gleichzeitig häufiges Argument von mittelständischen Betrieben gegen eine Automatisierung der Produktion – ist die Flexibilität jederzeit in den Produktionsablauf eingreifen zu können. Dieses situationsabhängige Eingreifen ist bei einer (Teil-) Automatisierung der Fertigung nur bedingt möglich. Deshalb muss dies vorab, bezogen auf die Variantenvielfalt, Liefergenauigkeit, Nachfertigung und weitere Themen, genau geprüft werden, um keinen Wettbewerbsnachteil zu erlangen. Diese Prüfung lässt sich in Absprache mit dem Anbieter einer Produktionsplanungssoftware (PPS) unter Einbeziehung der gewünschten Ad-hoc-Zugriffsoptionen genau evaluieren. In der Folge können z. B. für den Produktionsleiter Möglichkeiten zur manuellen Intervention in das PPS-System implementiert werden, um eine größtmögliche Flexibilität zu gewährleisten.

Die Tücken der Teil-Automatisation

In der Praxis ist die genannte (Teil-) Automatisierung der in Bild 2 hervorgehobenen Problembereiche an den Übergängen zwischen zwei Produktionsstufen bereits erfolgreich in mittelständischen Glasbetrieben umgesetzt worden. Insbesondere das automatische Sortieren nach dem Zuschnitt und vor dem Isolierglasverbund ist von etablierten Maschinenherstellern in Kooperation mit den Anbietern von PPS-Systemen zielführend entwickelt und optimiert worden. Die Automatisierung stellt hierbei sicher, dass die richtige Komponente zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle der Linie ist (z. B. bei ESG und/oder VSG für ISO).

Die Installation eines Restplattenspeichers in die Produktionslinie sowie in das PPS-System (was wiederum eine weitergehende Automatisierung zur Folge hat) führt ebenfalls zu mehr Flexibilität.

Die Berücksichtigung von Veredelungsprozessen in einer automatisierten Produktion hingegen hat sich bis dato im Mittelstand noch nicht durchgesetzt: Fertigungsstufen wie Kanten-, Form-, Innen- oder Flächenbearbeitungen werden weitgehend isoliert betrachtet.

Dennoch können auch hier durch intelligente Regeln in den Softwaresystemen Automatismen geschaffen werden, bei welchen (die meist vorhandenen) Fächerwagen als Instrumente für eine automatische Produktionsplanung dienen. Darüber hinaus ergibt sich durch den Einsatz eines ERP- und PPS-Systems und den korrespondierenden Schnittstellen zu den IT-Systemen der Maschinen ein durchgängiger Informationsfluss. Dies kann als Grundlage für ein Management Informationssystem (MIS) dienen. Das MIS liefert in Echtzeit aufbereitete Daten zum Status aller in der Produktion verarbeiteten Gläser sowie zum Auslastungsgrad der Maschinen und zum Status des Lagerbestands. Der Einsatz einer Betriebsdatenerfassung gewährleistet dies darüber hinaus auch bei einer stufenweisen Automatisierung.

Die Mitarbeiter nicht vergessen

Das frühe, inhaltliche Einbeziehen von Schlüsselmitarbeitern in die Diskussionen anstehender Automatisierungsmaßnahmen ist unumgänglich. Es gibt ihnen die Möglichkeit, Bedenken zu äußern und Entscheidungen mitzutragen, sodass später von einer signifikant höheren Akzeptanz solcher Maßnahmen auszugehen ist.

So ist es sinnvoll, die Automatisierungsabläufe von Beginn an zu diskutieren, um etwaige Probleme entsprechend abzustimmen und bei Bedarf gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Das erhöht auch die Mitarbeiterzufriedenheit deutlich. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Entscheidung für oder gegen eine Automatisierung stark von dem in Zukunft gewünschten Produktspektrum (Stichwort: Simulation) und der dafür benötigten Flexibilität abhängt.

Die Maschinenhersteller bieten für beide Entscheidungen passende und in der Branche etablierte Lösungen an, ebenso die Anbieter von ERP- und PPS-Systemen.

Für den Betrieb ist es unumgänglich, die Entscheidung für eine Automatisation auf Basis realitätsgetreuer Daten zu treffen (Stichwort: Investitionsrechnung) sowie die relevanten Mitarbeiter in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen, um die Maßnahmen optimal umzusetzen.

Stellt sich bei der Entscheidungsfindung aber heraus, dass die Amortisierung zu lang dauert, dass das zu erreichende Produktspektrum bzw. der höhere Output keine Absatzchancen bietet oder die Verringerung an Flexibilität zu einem signifikanten Rückgang der Absätze führen könnte, ist von einer Automatisierung abzuraten.—

Der Autor

Dr. Jan Schäpers ist seit einigen Jahren für den Glassoftware-Spezialisten Hanic tätig und wird ab 2014 als Geschäftsführer das Führungsteam des Unternehmens erweitern.

https://www.hegla-hanic.com

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