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Im Gespräch mit Wenna Glas

BIM oder was? Bald geht es nicht mehr ohne!

Glaswelt – Wie schätzen Sie den Markt für gebogene Gläser ein, geht es aufwärts?

Christoph Wenna – Der Wunsch nach Transparenz und damit nach Glas ist ein allgegenwärtiger Zeitgeist, der die Architektur wesentlich beeinflusst, vielleicht sogar dominiert. Dabei ist es immer öfter der Wunsch des Architekten, individuelle runde oder freie Formen zu bauen, ohne dabei durch einzelne Materialien eingeschränkt zu werden. Durch gebogene Gläser, insbesondere gebogene Sicherheitsgläser ist es möglich, solche architektonischen Visionen umzusetzen. Gerade im Bereich von Bürogebäuden, Kultureinrichtungen und Hotelbauten ist gebogenes Glas ein wachsendes Segment, erfreut sich aber auch im privaten Wohnbau immer größerer Beliebtheit.

Glaswelt – Wo liegen die Haupteinsatzgebiete solcher Gläser, eher in der Fassade bzw. im Dach oder im Interieur?

Gregor Wenna – Beim Bau vieler Großprojekte in Europa kommt in jüngster Zeit gebogenes Glas zum Einsatz, das betrifft sowohl die Fassade als auch den Innenausbau. Im Interieur sind es vor allem geschwungene Brüstungen, Treppengeländer sowie Drehtüren und Eingangsbereiche. Ein aktuelles Beispiel für den großflächigen Einsatz von gebogenem Sicherheitsglas in einer Hochhausfassade ist das bis Mitte 2018 von Signa entwickelte Multi-Use-Objekt „The Icon Vienna“, eine neue Landmarke am Wiener Hauptbahnhof. Ein Ausnahme-Projekt im Interieur ist das Einkaufszentrum „PlusCity“, wo im Zuge eines Zubaus mehr als 1 km Brüstungen aus gebogenem VSG verbaut wurden. Wir durften auch für die von Architektin Zaha Hadid geplante und 2016 fertiggestellte Erweiterung des Hafenhauses in Antwerpen gebogene Interieur-Gläser liefern.

Glaswelt – Wer ist für die Planung solcher gebogenen Scheiben verantwortlich?

Christoph Wenna – Die Detailplanung liegt oft beim ausführenden Fassaden- oder Metallbauer. Wobei wir Architekten und Planer oder den ausführenden Betrieb auch schon zu Beginn und während der Planungsphase beraten.

Glaswelt – Und wie erhalten Sie die zugehörigen Daten für die Umsetzung?

Christoph Wenna – In der Regel erhalten wir 2D- oder 3D-Zeichnungen aus gängigen CAD Softwarelösungen, die wir dann in unserer Produktionsvorbereitung weiterverarbeiten. Bei Bedarf können wir die Detail-Zeichnungen auch für den Kunden anfertigen.

Glaswelt – Wo liegen die Herausforderungen bei der Planung von gebogenen Isoliergläsern, auch mit Blick auf die Beschichtungen?

Gregor Wenna – Die Planung und Fertigung von gebogenen Isoliergläsern, d. h. insbesondere der Einzelscheiben, ist komplex und bedarf einiger Erfahrung. Es gibt in diesem Bereich nach wie vor technische Einschränkungen, die man von Anfang an einplanen sollte. Dazu zählt u. a., dass gebogenes ESG oder VSG aus TVG zuverlässig nur mit einer einfachen radialen Biegung hergestellt werden kann. Es ist nur ein Teil der handelsüblichen Sonnen- und Wärmeschutz-Beschichtungen biegbar. Und um eine hohe optische Qualität zu erzielen ist es wichtig, schon bei der Entscheidung für ein Basisglas bzw. eine Beschichtung, die gebogenen Scheiben mit zu berücksichtigen. Weiter sind die Klimalasten zu berücksichtigen, die jedoch beim gebogenen Glas nur näherungsweise berechnet werden können. Bei größeren Projekten ist es ratsam, Mustergläser anzufertigen oder sogar Fassaden Mockups.

Glaswelt – Welche Rolle spielt heute dabei BIM (Building Information Modeling)?

Christoph Wenna – Individuelle BIM-Objekte für gebogene Gläser stehen heute noch nicht zur Verfügung. Manchmal ist es jedoch für den Architekten möglich, plane BIM-Objekte in der CAD-Software zu biegen. Wir planen in den nächsten Jahren entsprechende BIM-Objekte gemeinsam mit unserem Industriepartner Saint-Gobain Glass Deutschland für unsere Kunden bereitzustellen.

Glaswelt – Lässt sich über BIM auch eine Biegeform erstellen?

Christoph Wenna – Für die Fertigung von gebogenem ESG oder TVG sind keine Biegeformen notwendig, da sich der Prozess grundsätzlich von der formenbasierten Fertigung von gebogenem Floatglas unterscheidet. Für beide ist zu sagen, dass es aktuell – nach unserem Wissenstand – noch von keinem Glasbieger BIM-Objekte gibt. Mit entsprechenden Schnittstellen ist es langfristig jedoch sicher möglich, die Daten der BIM-Objekte direkt in Produktionsdaten bzw. in Biegeformen umzusetzen. Dazu ist aber noch umfangreiche Standardisierung und Integration von Seiten der Softwarehersteller nötig, um die „Digitale Kette“ zu schließen. Da es sich beim gebogenen Glas um komplexe Nischenprodukte handelt, werden diese Vorarbeiten sicher noch mindestens fünf Jahre in Anspruch nehmen, jedenfalls um einiges länger als für plane Gläser.

Glaswelt – Geht es in Zukunft ohne BIM?

Gregor Wenna – Nicht alle Markteilnehmer haben Freude mit dem Building Information Modeling. Es gibt auch einige Kritiker, aber Kenner der Materie sind sich einig, dass BIM die Zukunft der Architektur grundlegend bestimmen wird. Wenn BIM auf Dauer hält was es verspricht, nämlich deutlich mehr Qualitäts-, Termin- und Kostensicherheit, dann wird es sich durchsetzen, egal ob wir wollen oder nicht, vor allem bei Großprojekten. Ich denke, das gilt auch für die Glasbranche. Die Erfahrung zeigt zwar, dass angesagte Revolutionen meist länger dauern als gedacht, aber wie wir anhand der Digitalisierung in der Industrie sehen können, irgendwann kommen sie doch. Die Visionen für Industrie 4.0 gab es schon Anfang der 2000er Jahre. Jetzt nach einer gut 15-jährigen Entwicklungsphase sind diese heute aktueller denn je. Mit moderner Technologie und den Erfahrungen aus anderen Bereichen wird es in der Architektur wohl schneller gehen. Früher oder später werden wahrscheinlich viele Bauprodukte, für die es kein BIM-Objekt gibt, für den Markt nicht mehr „existieren“. Ich persönlich würde mich freuen, wenn das noch etwas länger dauert.

Glaswelt – Würden Sie sagen, dass BIM schon in der Glasbranche angekommen ist?

Christoph Wenna – BIM steht in der Glasbranche als Ganzes noch am Anfang, bei einzelnen großen Playern ist es schon angekommen, andere stehen in den Startlöchern, der Großteil der Branche hat, meiner Einschätzung nach, aber erst begonnen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. —

Die Fragen stellte Matthias Rehberger.

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