_ Der intensive Preiswettbewerb ist auch im niedersächsischen Haßbergen Realität. Er prägt die insgesamt stabile Nachfrage, mit der Michael Sievers 2017 rechnet und die sich damit auf dem Vorjahresniveau bewegen dürfte. Für 2016 meldet der 44-jährige Geschäftsführer ein Umsatzplus des von ihm in dritter Generation gelenkten Familienunternehmens von rund 4 %. 1976 gegründet, gehe die Handwerkertradition der Vorfahren aber bis in das 17. Jahrhundert zurück. Heute sei das Produktportfolio breit gefächert.
Im Einzelnen bestehe es aus Fenstern und Haustüren aus Kunststoff und Aluminium, Wintergärten, Rollläden, Raffstores, Insekten- und Sonnenschutz, Automatiktüren, Glaswänden sowie aus Rauch- und Brandschutzelementen.
Ganzheitliche Differenzierung
Das jährliche Fertigungsvolumen beziffert der Firmenchef auf etwa 30 000 Fenster- und 2000 Türeinheiten. Es werde überwiegend in Nord-, Mittel- und Ostdeutschland sowie in begrenztem Umfang in den benachbarten Benelux-Ländern abgesetzt. Das Geschäft entfalle je zur Hälfte auf direkt abgewickelte Endkundenprojekte inklusive Montage und den Händlervertrieb. Insgesamt kümmern sich 50 Mitarbeiter darum, dass „alle Phasen der Prozesskette“ reibungslos funktionieren. Sievers weiß aber, dass es nicht nur darauf ankommt. Der Wille und die Fähigkeit zur ganzheitlichen Differenzierung seien gerade für Mittelständler unverzichtbar, um Gegenwart und Zukunft erfolgreich zu meistern. Dabei spiele der Begriff „ganzheitlich“ insofern eine Hauptrolle, als er die Aufgabe definiere, möglichst auf jedem Feld besser als der Wettbewerb zu sein. Und was heißt das in Haßbergen?
Da wäre zunächst der „Alles aus einer Hand“-Verbund aus Konstruktion, Fertigung und Montage. Er mache die Qualitätsmaxime für die Kunden in der Praxis durchgängig. Kurze Lieferzeiten, eine hohe Flexibilität bei Sonderwünschen, ein eigener Fuhrpark und abgestimmte Dienstleistungspakete für den Handel würden ebenfalls auf das Differenzierungs-Konto einzahlen, erläutert Sievers. Gleiches gelte für den starken Fokus, den man auf EDV-unterstützte Abläufe im kaufmännischen und technischen Bereich lege. Und die intensive Pflege langjähriger Partnerschaften mit Kunden und Lieferanten.
Türen mit Manufaktur-Charakter
Als zukunftsorientiertes Unternehmen müsse man konsequent investieren, so Sievers. Die entsprechenden Planungen für 2017 sehen als Schwerpunkte die Prozessoptimierung und die Teil-Automatisierung in der Fertigung sowie den Neubau der Ausstellung vor. Eindeutig sei z. B. der Trend zu elektrifizierten und automatisierten Produkten. Er korrespondiere mit den „ausgezeichneten Marktperspektiven“ in den Sektoren Komfort, Sicherheit, Gebäudesteuerungstechnik und Smarthome. Bei Fenstern und Haustüren setzen die Niedersachsen primär auf das hochwertige Segment.
Bei Türen speziell tendiere die Nachfrage zu klaren Designlösungen. Dabei stoße die Massenproduktion immer häufiger an ihre Grenzen. Türen hätten stattdessen zunehmend „Manufaktur-Charakter“. Im Übrigen steige hier auch im Privatgeschäft der Alu-Anteil sukzessive.
„Ohne Flexibilität und Individualität keine dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit“, resümiert Sievers – und bezieht dabei seine Industriepartner mit ein. Bei ihrer Auswahl achten er und sein Team in jeder Hinsicht auf eine – von beiden Seiten gelebte – partnerschaftliche Zusammenarbeit.
Das schließt vieles ein: professionelle Dienstleistungen etwa beim Datenservice und bei der Marketingunterstützung, zuverlässige Belieferung, qualifizierte Betreuung und die „gute Chemie“ der handelnden Personen. Weitere wichtige Kriterien seien eine innovative und zugleich ausgereifte Produkttechnik sowie das „Markenstanding des Herstellers.
Auftakt in Bad Mergentheim
Den Wechsel eines Anbieters überlegen sich die auf Kontinuität bedachten Kunststoff- und Aluspezialisten deshalb mindestens zweimal, beteuert Sievers.
Beim Haustürprogramm war es Mitte 2016 aber dann soweit: Seitdem sind die Modelle mit Schlössern von Roto ausgestattet. In einem anderen Segment bestand die Kooperation durch die Verwendung der „Patio Fold“-Beschläge für großflächige Faltschiebesysteme zwar schon seit über zehn Jahren, aber mit der kompletten Umstellung bei Türen betrat man letztlich doch Neuland. Dabei begann das gemeinsame Herantasten bereits Ende 2014, erinnert sich Betriebsleiter Johannes Helmken. Während eines Besuches im Wohndachfenster-Werk in Bad Mergentheim informierte Roto „live“ über Grundsätze und Effekte der Lean-Prinzipien in der Fertigung.
Die Diskussion über das daraus eventuell resultierende Verbesserungspotenzial für Sievers & Söhne endete zunächst ohne konkretes Ergebnis. Das änderte sich ein Jahr später, als das Unternehmen Handlungsbedarf in der Türenproduktion erkannte. Nach einem ersten Gespräch und einer Anfang 2016 folgenden Präsentation des „Door“-Portfolios sei es dann schnell gegangen: Während der FENSTERBAU wurde die Umstellung definitiv vereinbart, blicken die Beteiligten zurück. Sie fand schließlich im Mai 2016 zusammen mit einer flankierenden Mitarbeiter- und Vertriebsschulung statt.
Aktueller Technik-Vorsprung
Je nach Anwendungssituation kommen die elektromechanischen Mehrfachverriegelungssysteme „Safe Eneo A und CC“ sowie die mechanisch-automatische Neuheit „Safe C Tandeo“ mit serienmäßiger Tagesentriegelung für zylinderbetätigte Türen zum Einsatz.
Bei Letzterer lässt sich die Verschlussautomatik bewusst ein- und ausschalten. Die Aufnahme für die Tagesentriegelung ermögliche eine werkzeuglose Nachrüstung und vermeide teure Sonderschlösser. Bei dem „2-in-1-Automatikriegel“ erzeuge die Falle den nötigen Anpressdruck, während der Bolzen endgültig eine sichere Verriegelung selbst bei verzogenen Türen bewirke.
Das Produkt verfüge über die VdS-Zertifizierung nach Klasse A und damit über die von Versicherungen anerkannte einbruchhemmende Funktion. Es ist mit einer automatischen Drei-Punkt-Verriegelung ausgestattet, kann rechts/links verwendet werden und eignet sich für Flügel-Dornmaße von 35 bis 65 mm, rundet „Door“-Vertriebsexperte Jörg Woldmann das Produktporträt ab.
Mit der Umstellung verfolgte der Türenproduzent durchaus ehrgeizige Ziele. Sievers: „Wir wollten das Qualitätsniveau unseres Sortiments auf eine neue Ebene bringen und dabei die beste derzeit am Markt verfügbare Automatikschlösser-Technik nutzen.“ Beides sei gerade unter Differenzierungsaspekten gelungen, wie u. a. sehr positive Kundenreaktionen bestätigten.
Dialog auf kleinem Dienstweg
„Die Umstellung selbst hat unter dem Strich dank der gemeinsamen zielorientierten und partnerschaftlichen Arbeit gut geklappt“, bekennt Helmken. Kleinere im Projektverlauf aufgetretene Probleme seien im Team kompetent und rasch gelöst worden. Das große fachliche und persönliche Engagement der Roto-Spezialisten hebt der Betriebsleiter ebenso hervor wie die aktive Einbindung der eigenen Mitarbeiter. Als Beispiele dafür nennt er die Einführung des in Bad Mergentheim entdeckten Pareto-Tisches (siehe separater Kasten), den Musteranschlag im Haustürbau sowie die Schulungsveranstaltungen für den Innen- und Außendienst.
Zudem habe man durch die Definition fester Kontaktpersonen im Betrieb gleich die Weichen für die künftige Zusammenarbeit gestellt. Das sichere einen engen direkten Austausch auf beiden Seiten, sodass der Dialog „auf kleinem Dienstweg bestens funktioniert“. Überhaupt verdiene die Zusammenarbeit eine gute Note, denn „Produkte, Menschen und Philosophie passen zusammen“. So freue sich Roto-Regionalvertriebler Heiko Bruns über die engen Beziehungen, die sich in der kurzen Zeit bereits ergaben – Einladung zur Teilnahme am Firmenausflug inklusive.
Und was steht auf der gemeinsamen Zukunftsagenda? Geplant seien gezielte Produkt(weiter)entwicklungen, Systemprüfungen im Internationalen Technologie Center (ITC) bei Roto in Leinfelden-Echterdingen sowie Schritte zur stetigen Prozessoptimierung. Projekte genug also, um das partnerschaftliche Credo in der Praxis immer wieder zu beweisen.—
DIE SACHE MIT DEM PARETO-TISCH
Bei Roto in Bad Mergentheim entdeckt und dann im eigenen Betrieb eingeführt: der Pareto-Tisch. Er dient letztlich dem Ziel des Null-Fehler-Prozesses in der Fertigung. Das ganze Team steht hier zusammen, um Probleme zu besprechen und zu lösen. Zielrichtung ist der Null-Fehler-Prozess. Das Konzept ist nach dem italienischen Soziologen Vilfredo Frederico Pareto (1848–1923) benannt. Er erkannte damals, dass 20 % der italienischen Familien über rund 80 % des Volksvermögens verfügten. Diese Gesetzmäßigkeit wurde in der Folge auch auf andere Lebensbereiche übertragen und fand auch Eingang in das Arbeits- und Zeitmanagement. Insbesondere in der Wirtschaft hat das z. B. als 80/20-Regel bezeichnete Pareto-Prinzip eine große Bedeutung, da sich durch seine Anwendung eine höhere Effizienz von Kosten und Nutzen erreichen lässt. So stellte man fest, dass bei der Produktion von Gütern 20 % der Fertigungsfehler für 80 % des Ausschusses verantwortlich sind. Anders ausgedrückt: 80 % aller Fehler beruhen auf 20 % aller Fehlerursachen.