_ „Wenn es Russland nicht gäbe, ginge es uns 2015 richtig gut. So geht es uns nur einigermaßen gut.“ Mit diesen Kernsätzen beschrieb Dr. Eckhard Keill die Unternehmenssituation während des 10. Internationalen Fachpressetages, der in Wien und Lövö (Ungarn) stattfand. Der Vorstandsvorsitzende der Roto Frank AG (www.roto-frank.com) bemühte den Vergleich mit der Schifffahrt: Dem Bauzulieferer sei es gelungen, „das Schiff der Gruppe in stürmischer See auf Kurs zu halten“.
Nach Aussage von Dr. Keill brachen 2015 relevante internationale Märkte und hier vor allem Russland stark ein. Daran gemessen, ziehe sich die Roto-Gruppe achtbar aus der Affäre. Er beklagte, dass sich Deutschland erkennbar von seiner Rolle als Europas Konjunkturlokomotive verabschiede. Der jüngsten EU-Herbstprognose zufolge bewege sich das Wachstum von 2015 bis 2017 nur noch auf dem Durchschnittsniveau der Euro-Zone von jeweils knapp plus 2 Prozent. Die inzwischen verbreitete Expertenmeinung, dass sich der gegenwärtige Flüchtlingsboom gerade für die Bauwirtschaft als Konjunkturspritze erweise, sieht der Roto-Chef im Übrigen kritisch. Er warnte vor der Billigbau-Gefahr und damit vor „den Schäden von morgen“.
Deutschland ein Schlusslicht
Mit Blick auf die europäische Bauwirtschaft sei großer Optimismus unbegründet. Zwar steige das gesamte Bauvolumen in den 19 Euroconstruct-Ländern nach den Prognosen bis 2017 leicht an, liege dann aber gerade einmal wieder auf dem Niveau von 2011. Zudem schlössen die Forschungsinstitute nicht aus, dass die Belebung u. a. wegen der nach wie vor ungelösten Eurokrise nur eine „vorübergehende Erscheinung“ sei. Ungeachtet dessen verliere der Wohnungsbau seine bisherige Wachstumstreiber-Funktion. Dabei nehme der Neubau deutlich stärker als der Bestandsmarkt zu. Im Ranking der Schätzungen bildeten Irland, Tschechien und Ungarn die Spitzengruppe, während u. a. Großbritannien, Portugal, Belgien, Polen und Norwegen zum Mittelfeld gehörten. Schlusslichter seien, mit zum Teil sogar rückläufigen Wohnungsbau-Zahlen, Österreich, Deutschland, Italien und die Schweiz. Für Deutschland konstatierte Keill eine „gespaltene Baukonjunktur“. Öffentlicher Bau und Wirtschaftsbau präsentierten sich ohne Schwung. Dagegen befinde sich der Wohnungsbau (noch) im Aufwind, könne jedoch im europäischen Vergleich nur eine unterdurchschnittliche Dynamik vorweisen – die Genehmigungs- und Fertigstellungszahlen lägen unter dem langfristigen Bedarf.
Uneinheitlicher Fenstermarkt
Eine „völlig uneinheitliche Gesamttendenz mit klarer Dominanz teilweise dramatischer Markteinbrüche“ meldete der Vorstandsvorsitzende für die internationalen Fenster- und Türenmärkte. So bezifferte er die diesjährigen Rückgänge in Russland, Ukraine und Weißrussland mit bis zu 40 Prozent und in China mit etwa 20 Prozent. Völlig abgestürzt sei speziell im 2. Halbjahr Brasilien (- 40 Prozent). Per saldo positiv verlaufe die Entwicklung in Europa und Nordamerika. Die hier zu verzeichnenden Wachstumsraten könnten jedoch die unter dem Strich für Roto stark negativen Markteinflüsse nicht verhindern.
Für Deutschland machte Keill erneut auf das „bekannte Manko“ der offiziellen Verbandsprognosen aufmerksam. Es bestehe darin, dass sich die publizierten Wachstumszahlen auf verbaute Fenster und Türen beziehen und damit die kräftig zunehmenden Importe einschließen. Die Menge an in Deutschland hergestellten Fenster sei in diesem Jahr zurückgegangen – und werde auch im nächsten Jahr zurückgehen.
Wenig Licht – viel Schatten
Status und Perspektiven des Unternehmens schilderte Michael Stangier. Der Finanzvorstand erinnerte zunächst an die Ausgangsbasis. Danach lag der Gruppenumsatz 2014 mit 641 Mio. Euro nur 2,6 Prozent unter dem „Allzeit-Hoch“ des Vorjahres (658 Mio. Euro). Für die Division Fenster- und Türtechnologie (FTT) schlage per Ende September ein moderates Umsatzminus gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode zu Buche. Auf ein schwaches 1. Halbjahr folgte laut Stangier eine Stabilisierung im 3. Quartal.
In der Einzelanalyse ging der Vorstand auch auf den insgesamt stabilen deutschen Markt ein: Auch hier hätte man weiter Marktanteile erobern können – hervorgerufen durch einige Neukunden, die man gewinnen konnte, so Dr. Keill auf Nachfrage der GLASWELT. In Europa schließlich überwiege bei starken Länder-Schwankungen ein geringes Marktplus. Die Roto-Position habe sich meist verbessert. Auch in Nord- und Südamerika übertreffe der Beschlagspezialist das Marktwachstum.
Der Umsatz in der Division Dach- und Solartechnologie (DST) sei kumuliert per Ende September etwas geringer als im Vorjahr. Das Wohndachfenster-Kerngeschäft befinde sich auch dank einer neuen, im mittleren Preissegment angesiedelten Produktgeneration, dem „RotoQ“, auf gutem Weg.
Respektables Ergebnis
Den Gruppenumsatz per 30. September 2015 bezifferte der Finanzvorstand auf knapp 480 Mio. Euro. Er liege zwar 4 Prozent unter Vorjahr, sei aber mit Blick auf das „Debakel“ in wichtigen Kernmärkten ein „sehr respektables Ergebnis“.
Da für das 4. Quartal keine wesentlichen Veränderungen zu erwarten seien, gehe man für das Gesamtjahr von einem Umsatzminus im unteren einstelligen Bereich aus. Die klar fallende Tendenz bei der Mitarbeiterzahl (30.09.: knapp 4400) sei eine unvermeidbare Konsequenz daraus. Aber einen Investitionsstopp würde es nicht geben – die für Sachanlagen aufgewendeten Mittel seien 2015 höher als die Abschreibungen.
Für 2016 kündigte Stangier ein Investitionsvolumen von ca. 8 Mio. Euro allein für die umfassende Modernisierung des Lager- und Versandzentrums im Stammwerk in Leinfelden an.
Die gesunde wirtschaftliche Verfassung des Bauzulieferers mache zudem Investitionen in sinnvolle Akquisitionen, wie den erst vor wenigen Wochen erfolgten Erwerb der Deventer-Gruppe möglich (die GLASWELT berichtete). Bei Deventer handele es sich um einen führenden Spezialisten für Dichtprofile aus TPE für Fenster, Türen, Tore, Zargen und Verglasungen. Die Finanzierung der Akquisition war laut Stangier aus dem Cashflow und damit ohne zusätzliche Fremdmittel möglich. Die Ertragssituation der Gruppe charakterisierte er vor dem Hintergrund der Marktbelastungen mit „insgesamt noch akzeptabel“.
Ambitionierte Ziele
In seiner Vorschau auf 2016 sagte Keill, dass erhebliche Marktrisiken bleiben, sodass Roto insofern keinen Rückenwind erwarte. So sei in Russland die Talsohle vermutlich nur dann erreicht, wenn sich die geopolitische Situation nicht weiter verschärfe. Eher sei aber ein weiteres Minus zu befürchten. Auch in China müsse man wohl mit einem erneuten Marktrückgang rechnen.
Für Europa inklusive Deutschland sowie Nordamerika sei überwiegend eine „leicht positive Tendenz“ zu prognostizieren. In Summe gehe das Unternehmen von nochmaligen weltweiten Markteinbußen in einer Größenordnung von 5 Prozent aus.
Ungeachtet dessen habe man wieder ambitionierte Ziele. So wolle Roto zumindest eine „schwarze Umsatz-Null“ schaffen und erneut besser als Märkte und Wettbewerber sein. —
Politik-Appell von Roto und Fachpresse zum Einbruchschutz
Europa braucht dringend ein Bündnis für Einbruchschutz. Dabei ist auch oder gerade die Politik in der Verantwortung. Diese Auffassung vertritt die Roto Frank AG – und startete gemeinsam mit europäischen Bau-Fachjournalisten eine ungewöhnliche Initiative. Ihre Motive und Inhalte erläuterte Dr. Eckhard Keill im Rahmen des 10. Internationalen Fachpressetages des Bauzulieferers vor rund 80 Redakteuren aus 19 Ländern. Wie der Vorstandsvorsitzende betonte, steigt die Eigentumskriminalität europaweit massiv an und führe Jahr für Jahr zu immensen materiellen und immateriellen Schäden.
Deshalb sei es höchste Zeit, die Rahmenbedingungen für ein effizientes Maßnahmenpaket zu schaffen, das Prävention und Investitionen gleichermaßen fordere wie fördere. Konkreten Handlungsbedarf gebe es auf unterschiedlichen Ebenen. Im Einzelnen nannte Keill Einbruchschutz-Mindeststandards bei Neu- und Altbauten, eine staatliche Förderung von privaten Einbruchschutzinvestitionen, europaweite Informationskampagnen zur Sensibilisierung der Bevölkerung, höhere Aufklärungsquoten durch Aufstockung der polizeilichen Ressourcen sowie die konsequente Anwendung existierender Strafgesetze.
Auf dieser Basis hat Roto einen „Offenen Brief“ an die politisch Verantwortlichen der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlamentes und der 28 EU-Staaten formuliert, der auf breiter Front von den Journalisten durch Unterschriften mitgetragen wurde. Er stehe unter dem Motto „Menschen schützen – Häuser sichern – Werte erhalten“. Geplant sei, das Original-Dokument einem Mitglied der EU-Kommission in Brüssel persönlich zu überreichen und die Aktion damit auch in eine breite Öffentlichkeit zu tragen.