Zunächst das Wichtigste: Zwei Jahre nach den digital durchgeführten windays während der Coronazeit war die Freude am echten Austausch, „in persona“, wie man so sagt, nicht nur am Branchenabend spürbar. Das gut gelaunte Wiedersehen mit Partnern, Kollegen und Freunden stand im Vordergrund.
Ehe der Schweizerische Fachverband der Fenster- und Fassadenbranche (FFF) mit Christoph Rellstab als Co-Präsident, Leiter der Höheren Fachschule Biel, und mit seinem Kollegen Urs Uehlinger, Hauptorganisator der windays, zu seiner Generalversammlung gebeten hatte – nahm auf der Bühne in Biel eine illustre Runde aus gestandenen Unternehmerinnen und Unternehmern Platz. Diese Runde wurde verstärkt durch Personalexperte Tom Sahli (kohler + partner AG), Christoph Rellstab und windays-Moderator Reinhold Kober aus Deutschland.
Wie umgehen mit dem Fachkräftemangel?
Gemeinsam wurde debattiert über Strategien gegen den Fachkräftemangel. Natürlich wieder im Rennen: Das Argument, Beschäftigungsverhältnisse durch flexiblere Arbeitszeiten attraktiver zu machen – schon zuvor hatte Sahli in einem kurzen Impulsreferat angetönt, 80 Prozent-Stellen seien für jüngere Arbeitssuchende durchaus mehr Normalität als Besonderheit.
Aber geht das auch für Handwerksbetriebe wie die Hochuli Schreinerei GmbH in Reitnau, die sich selbst als „Dorfschreinerei“ bezeichnet? O-Ton Schreinermeister und Diskutant Heinrich Hochuli: „Sie werden überrascht sein, zu erfahren, wie flexibel wir sein müssen. Nach vielen Wochenenden oder Feiertagen melden sich Angestellte kurzfristig krank und wir müssen Aufgaben neu verteilen.“
Kürzere Ausbildungszeiten sind angesagt
Sein Anliegen in der Diskussion war es vor allem, die jungen Leute früher in die Betriebe zu bringen: „Wir brauchen, bei allem Bestreben um eine umfassende Qualifikation, auch an den Hochschulen, definitiv kürzere Ausbildungszeiten. Die Schulen sollten sich an den Anforderungen im Berufsleben orientieren.“
Post aus der Firma – Build up Your Fanbase
Auch sei es besser, die Youngsters im Team via Social Media Kanäle selbst Auskunft geben zu lassen. Und Nicole Wenger von der Wenger Fenster AG teilte die Anregung Kobers, auf eine höhere Präsenz des eigenen Unternehmens auf Social Media zu achten.
„Wir posten laufend und geben wirklich Einblick in das, was bei uns läuft. Nur so entsteht eine Verbindung – die dann besonders wertvoll ist, wenn sie auch emotional begründet ist.“
Was es sonst gab auf den windays
Christoph Rellstab und Urs Uehlinger lieferten mit ihrem anderthalbtägigen Programm wieder – unter dem Claim „Ihr Fenster zur Branche“ – Ein- und Ausblicke rund um das faszinierende Bauelement. Würden in der Schweiz auf Anhieb alle alten Fenster ausgetauscht, entspreche das einer Energieeinsparung im Gebäudebereich von total 20 Prozent, sagte Dr. Kristina Orehounig von der Forschungsstelle EMPA in Dübendorf. Ähnlich wie in Deutschland liege jedoch die Sanierungsrate bei gerade mal einem Prozent. Nicht zuletzt auch wegen der einen oder anderen fehlgeleiteten Empfehlung der Politik ist das Lüftungsthema wieder sehr aktuell, so wies Julian Wenzel von Maco darauf hin, es bedürfe pro Tag, jeweils für 5 bis 10 Minuten, des dreimaligen Querlüftens, um die Mindestluftwechselrate sicherzustellen. So gesehen, ergänzte Referent Beat Frei vom Ingenieurbüro Frei Wüest Expert, werde der Fensterbauer zunehmend vom Lieferanten zum Berater. Schließlich gelte es festzustellen, ob die persönlichen Lebensumstände (Single-Haushalt, außer Haus berufstätiges Paar) der Immobiliennutzer ein ausreichendes manuelles Lüften überhaupt ermöglichten.
Servus, Peter Schober – nochmal ein Ass im Ärmel
Ein besonderer Moment im Programm war sicher der ruhestandsbedingt letzte Vortrag von Peter Schober von der Holzforschung Austria in der Schweiz, der unter der Überschrift „PlugIn Fenstermontage – Gibt es noch was anderes als Schrauben?“ über das Potenzial der elastischen Verklebung anstelle der Verschraubung des Elements mit der Wand referierte – und mit der Ankündigung neugierig machte, somit gingen Befestigung, Dämmung der Fuge und die Bewerkstelligung des innen luft- und außen schlagregendichten Anschlusses in einem Arbeitsgang. Seine Nachfolgerin an der HFA, Dr. Julia Bachinger, hatte zuvor unter der Überschrift „Coole Fenster – Wohlfühlen im Innenraum“ über das Potenzial einer effektiven Tageslichtausnutzung gesprochen und anhand selbst an einem Sonntag in Wien aufgenommener Fotos moniert, dass es da – in Anbetracht von bspw. im Jänner bei Sonnenschein komplett heruntergelassener Verschattungsanlagen – durchaus Verbesserungspotenzial in der Gebäudesteuerung gebe. Natürlich war auch aus Rosenheim eine starke Abordnung bei den windays vertreten, der technische Geschäftsführer / CTO Michael Breckl-Stock vom ift sagte: „Das ist eine sehr gute Veranstaltung, die vielfältige Aspekte rund ums Fenster thematisiert.“
Digitalisierung at its best
Der zweite Kongresstag wurde ganz wesentlich dem Thema Digitalisierung gewidmet: Zuerst zeigte Dr. Nikita Aigner von der Berner Fachhochschule, wie über eine Fludder App ein am Handgelenk befestigtes Smartphone noch während des Aufmaßes die Daten dokumentiert – sicher sind auch solche Lösungen zielführend, wenn es darum geht, die Fensterbranche attraktiv für junge Menschen zu machen.
Später sprach Norbert Winterberg, ebenfalls von der BFH, über das Prestigeprojekt Wald & Holz 4.0, mit dem die Schule datengetriebene Geschäftsmodelle, unterstützt auch von der Maschinenindustrie, bei holzverarbeitenden und holzvermarktenden Betrieben der Wald- und Holzwirtschaft implementieren will. Gerald Feigenbutz von der Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme stellte die Fortschritte seiner Mitglieder im Bestreben vor, den Rezyklatanteil in ihren Erzeugnissen weiter zu steigern. Die Zielsetzung sei es, mittelfristig eine Million Tonnen Neu-PVCs durch recyceltes Altfenstergranulat zu ersetzen. Auch im gemeinsamen Vortrag von Julia Hauth (aluplast GmbH) und Vasiliki Gkesouli von der BFH ging es um Materialeinsparung: Dabei nutzten die Fachfrauen die Möglichkeiten der Finite Elemente Methode (FEM) und der Digital Image Correlation (DIC), mithin zweier moderner Bildgebungsverfahren, um den Materialeinsatz und die Wirkung in der Glasfalzverklebung bei Kunststofffenstern zu optimieren.
Schlussendlich lud Christoph Rellstab schon jetzt zum nächsten Termin am 3. und 4. April 2025 nach Biel ein. Auch dann ist der Besuch der anderthalbtägigen Veranstaltung in Biel / Bienne für alle Interessierten aus der Fensterbranche unbedingt empfehlenswert – gerade der generalistische Ansatz mit vielfältigen Themenblöcken in Kombination mit einer rege genutzten Fachausstellung und Networking in schönster Schweizer Umgebung macht den Reiz der windays der Berner Fachhochschule in Biel aus.